Wenn Sie jetzt vom Handy aus im Urlaub die tagesschau-App nutzen wollen, hätten nun plötzlich acht Großverlage etwas dagegen...

Wir brauchen starke Marken im linearen Fernsehen und eine der stärksten, die wir haben, ist die Tagesschau. Wir wollen aber auch mit unseren starken Marken, die typisch für das öffentlich-rechtliche Profil sind, auf den Plattformen sein, auf denen man heute besonders die junge Generation erreicht. Von uns wird immer wieder zurecht verlangt, dass wir uns verstärkt bemühen sollen, junge Menschen zu erreichen. Das wird man nicht leisten können, wenn man sich ausschließlich auf klassische Verbreitungswege reduzieren lässt. Ich persönlich halte die Tagesschau-Applikation für eine ganz exzellente Anwendung. Sie bietet das, was wir seit langem im Netz bei tagesschau.de auch an Zusatzinformationen programmbegleitend anbieten. Die „tagesschau-App“ schafft lediglich einen mobilen Zugang dazu. Insofern kann ich die Aufregung nicht ganz nachvollziehen. Wir bitten um Verständnis, dass wir auf den Gebrauch von Buchstaben nicht komplett verzichten können. Aber selbstverständlich ist es in Deutschland jedem freigestellt den Rechtsweg zu beschreiten. Auch das muss man akzeptieren. In diesem Fall wird es dann ja Entscheidungen geben.

 

 

Kommt nach dem Jahrzehnt des Streits der Privatsender mit den Öffentlich-Rechtlichen jetzt das Jahrzehnt der Auseinandersetzung mit den Verlagen?

Es gibt eine gewisse Stabilität im dualen System. Da haben sich die öffentlich-rechtlichen Sender und die kommerziellen Sender positioniert und  ihr Marktsegment erobert. Natürlich sind wir Wettbewerber, aber wir haben auch eine deutliche Unterscheidbarkeit. Das Gerede von der Konvergenz ist, wenn man sich die Programme anschaut, Unsinn. Im Gegenteil, ich finde, dass öffentlich-rechtlicher und kommerzieller Rundfunk gerade im Fernsehen in den letzten Jahren wieder stärker unterscheidbar geworden sind in den Angeboten.

Das kann man auch anzweifeln, aber zumindest die Auseinandersetzungen mit den Privatsendern sind weniger geworden...

Dafür kommt jetzt die Debatte mit den Verlegern. Ich glaube nicht, und mit dieser Meinung stehe ich in der ARD sicher nicht alleine, dass dies eine Front ist, die wir aktiv suchen, die aber auch nicht die entscheidende ist. Ich glaube eher, dass wir gemeinsam die Sorge haben müssen, wie schaffen wir überhaupt Raum in der Gesellschaft für qualitative Medienangebote, insbesondere für Qualitätsjournalismus. Da sind die Verleger und wir, glaube ich, gar nicht so sehr Konkurrenten, sondern beflügeln uns potentiell. Derjenige, der die Tagesschau schaut, ist oft auch Zeitungsleser.

Das wird die Verlage vermutlich nicht trösten.

Unsere viel größere Sorge müsste doch sein, dass das Segment für Qualitätsjournalismus, egal, ob er von Print, Online oder Fernsehen betrieben wird, in der Gesellschaft immer kleiner wird. Ich möchte aber, dass dieses Segment in einer funktionierenden Demokratie von Menschen, die sich für Qualitätsinhalte interessieren, möglichst groß ist. Das ist auch unsere Aufgabe als öffentlich-rechtlicher Sender.

Schönes Stichwort. Die Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen. Dazu gehört auch, mit den Programmen die Menschen zu erreichen. Das würde niemand bestreiten. Aber sobald das Wort Quote fällt, macht man ARD und ZDF daraus einen Vorwurf. Haben Sie das Rätsel schon gelöst?

Ich finde das ist eine ganz merkwürdige, auch teilweise typisch deutsche Diskussion. Goethe hat mal gesagt, wer „nicht eine Million Leser erwarte, sollte keine Zeile schreiben“. Wenn Sie so wollen: Goethe war ein „Quotenfetischist“. Wer medial etwas anbietet, der möchte natürlich möglichst viele Menschen dafür gewinnen. Wenn man über Menschen redet und Quoten sind ja nichts anderes als Menschen, dann ist es völlig normal zu sagen, ich will ein erfolgreiches Produkt machen . Mir ist dabei ja nicht gleich, welches Produkt. Es fängt immer mit dem Inhalt an, der gut sein muss. Und dass ich dafür dann möglichst viele Menschen begeistern will, das muss doch der Ehrgeiz von Medienschaffenden sein. Wenn Inhalt und Qualität stimmen, wenn das Gute populär und das Populäre gut gemacht sind, dann muss man sich beim Wort „Quote“ nicht gebärden, wie das viktorianische Zeitalter beim Thema „Erotik“. Relevanz entsteht schließlich auch über Reichweiten. Wer Zuschauer-Interessen hinten an stellt, bewegt sich bereits auf dem Leimpfad unserer Konkurrenten.