Wenn man der Argumentation von Carat-Chef Litterscheidt weiter folgt, besteht für Sie dringender Handlungsbedarf, weil die Nettoreichweiten im klassischen TV immer weiter sinken.

Die Nettoreichweiten gehen tatsächlich leicht zurück. Aber die Tonalität seiner Aussagen finde ich viel zu negativ. Ich frage mal umgekehrt: Können wir nicht froh sein, dass es überhaupt noch ein Medium gibt, mit dem wir so hohe Nettoreichweiten erzielen? Ist es nicht gut für Kunden und Agenturen, dass TV das immer noch schafft? Im internationalen Vergleich steht das deutsche Free-TV außergewöhnlich gut da. Ja, man kann es negativ formulieren: Die Nettoreichweiten sind etwas gesunken und die Leuchttürme etwas kleiner geworden. Das ist dann aber eine rein rückwärts gewandte Sicht der Dinge. Wenn man nach vorn denkt, wird der Wert hoher Nettoreichweiten im TV in den nächsten fünf bis zehn Jahren immens steigen – je mehr die Fragmentierung des Marktes voranschreitet. Für Kunden, die schnell hohe Reichweiten aufbauen wollen, wird es kaum eine Alternative geben. Wo will Herr Litterscheidt denn sonst solche Nettoreichweiten herholen?

Wenn Ihre Prognose stimmt, müssten Sie in der TV-Vermarktung bald auf ganz andere Preismodelle setzen, die je nach Umfeld und Reichweite viel weiter auseinanderdriften als heute.


Ich glaube in der Tat, dass wir künftig andere Vermarktungsmodelle haben werden, die stärker als heute segmentieren. In der Breite wird es sicher mehr Automatisierung geben, wie wir sie heute schon aus der Online-Vermarktung kennen. Und dann wird es einzelne Leuchttürme geben, die in einer anderen Reichweiten-Liga spielen. Für die wird man sicher entsprechende Preise verlangen können.

Heißt das, dass Sie dann zum Wettbieten um die Werbezeiten bei einem Klitschko-Boxkampf, einem Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft oder einem "Supertalent"-Finale aufrufen?

Ob es unbedingt ein Wettbieten wird, weiß ich nicht. Aber wenn man sich beispielsweise den US-TV-Markt mit seinem jährlichen Reichweiten-Höhepunkt Super Bowl anschaut, dann sieht man, in welche Richtung es geht. Selbst da sind die Reichweiten in den vergangenen Jahren leicht rückläufig – trotzdem steigen die Preise für die 30-Sekünder von Jahr zu Jahr kräftig. Und die Nachfrage ist immer größer als das Angebot.

Neben der Fragmentierung sehen die Media-Agenturen auch das Problem einer nachlassenden Programmqualität im Free-TV. Ziehen Sie sich den Schuh an?


Ich halte das eher für eine Pseudo-Diskussion, da wir im internationalen Vergleich in Deutschland eh schon eine hohe Programmqualität haben. Umgekehrt habe ich es, ehrlich gesagt, äußerst selten erlebt, dass Kunden aus Qualitätsgründen einen Premium-TKP akzeptiert hätten.

Andererseits muss Ihnen doch das Vermarkter-Herz bluten, wenn bei Flops wie "Wild Girls" oder "Mama Mia" unterirdische Qualität auf schlechte Quoten trifft.


Dem kann ich jetzt nicht vehement widersprechen. (lacht) Nach 20 Jahren in der TV-Vermarktung weiß ich, dass sich solche Qualitätsdiskussionen meist an einzelnen Ausreißern festmachen und dann unzulässig auf die Breite des Programmangebots verallgemeinern. In unserem Vermarktungsalltag ist das kein Thema. Wir haben ein hoch attraktives Portfolio, das mit seiner Qualität im Wettbewerb überzeugt und sich prima vermarkten lässt.

"Wir haben immer Diskussionen über Preise und
Konditionen, die sicher nicht leichter werden"

IP-Chef Matthias Dang


Media-Agenturen klagen oft über die Dominanz der beiden großen Senderfamilien. Umgekehrt stehen Sie als Vermarkter aber auch immer weniger, immer größeren Media-Konglomeraten gegenüber. Wenn die geplante Fusion von Omnicom und Publicis durchgeht, werden zwei Player rund drei Viertel der deutschen TV-Werbeausgaben auf sich vereinen. Welche Auswirkungen erwarten Sie?


Die seit Jahren fortschreitende Konzentration verändert natürlich den Markt. Die Agenturen werden immer größer und entwickeln sich damit auch immer stärker in Richtung eigener Wertschöpfungsketten und Wirtschaftsstufen. Auf der einen Seite haben wir immer Diskussionen über Preise und Konditionen, die sicher nicht leichter werden. Auf der anderen Seite haben wir aber auch erfreulich intensive Diskussionen über Wirkungsparameter und Markeninszenierungen, die nach meinem Eindruck wieder an Stellenwert gewinnen. Da würde ich mir wünschen, dass wir im Dreieck Kunde-Agentur-Vermarkter künftig noch enger und konstruktiver zusammenarbeiten.

Herr Dang, herzlichen Dank für das Gespräch.