Stellen Sie sich schon darauf ein, dass bald nicht mehr RTL Ihr Hauptkonkurrent ist, sondern Google und andere Digitalvermarkter?

Außerhalb des Kerngeschäfts Fernsehen gilt das heute schon. In der digitalen Welt müssen wir uns mit Google, Facebook oder Twitter auseinandersetzen. Wir müssen deren Vorgehensweise im Markt verstehen. Die Marktstrategien unterscheiden sich grundlegend: Während unsere Ansprechpartner die Agenturen und Media-Verantwortlichen in den Unternehmen sind, gehen Google und Facebook ganz anders auf die Unternehmen zu. Sie versuchen, andere Ansprechpartner dort zu aktivieren, bei denen sie dann ihre Zaubertüte auspacken.

Das klingt jetzt aber etwas geringschätzig.


Nein, das ist nicht geringschätzig. Ich werde auch nicht Google oder Facebook  unterschätzen. Ich unterschätze auch nicht, dass Twitter sich verstärkt Gedanken über die Kapitalisierung seiner Aktivitäten macht. Ich sage nur: In Bezug auf konkrete Zahlen und Benchmarks sollten sich alle Player an Joint Industry Standards messen lassen, die von allen Parteien auf Kunden-, Agentur- und Vermarkterseite akzeptiert sind. Scheut man offensichtlich davor zurück, seine vermeintliche Stärke in einer gängigen Marktwährung zu dokumentieren, dann mangelt es an der nötigen Transparenz. Bei YouTube etwa sorgen nur acht Prozent der Nutzer für zwei Drittel des Traffics, bei Facebook sind es neun Prozent. Da wird es verdammt schwer, Nettoreichweiten in der Qualität und Quantität aufzubauen, wie es mit TV möglich ist.



Die Verantwortlichen von Twitter Deutschland haben kürzlich im DWDL.de-Interview angekündigt, dass sie in Kooperation mit den TV-Vermarktern Highlight-Clips aus TV-Sendungen vermarkten wollen. Sind Sie zu einer solchen Kooperation bereit?


Wir sind immer offen für sinnvolle Kooperationsmöglichkeiten. Nur: Welches Ziel verfolgt Twitter damit? Wenn sich Twitter als das neue TV-Rating geben will und Tweets zum Kriterium für den Erfolg einer Sendung erklärt, so geht mir das eindeutig zu weit. Ein Großteil der TV-Zuschauer wird doch Twitter nie im Leben bedienen. Aber natürlich ist es für junge Zielgruppen heute beinahe so selbstverständlich wie eine SMS und damit relevant. Dass wir grundsätzlich zu Kooperationen mit großen Digital-Playern bereit sind, sehen Sie ja auch am Beispiel YouTube – auf der einen Seite unser Konkurrent, auf der anderen Seite unser Plattformpartner zur Reichweitensteigerung des Multi-Channel-Networks Studio71. Tatsache ist aber auch: All diese globalen Player sind interessiert an unseren wertvollen TV-Inhalten. Denn vielfach sind sie es, die den Suchtraffic treiben oder Tweet-Trends entstehen lassen. Entscheidend ist dabei immer die Frage: Wer legt eigentlich welchen Wert in welche Waagschale?

Welchen Stellenwert hat Studio71 denn für Sie in der Vermarktung? Um auf wirtschaftlich relevante Reichweiten zu kommen, bündeln die großen MCNs ja Tausende von YouTube-Kanälen mit Milliarden Videoabrufen pro Monat. Dagegen ist Studio71 noch ein Zwerg...


... wenn auch ein schnell wachsender. Studio71 wurde erst im vergangenen Jahr gegründet, konnte aber bereits im März die Marke von 100 Millionen Videoviews knacken und hat sich aktuell schon auf 150 Millionen Videoviews gesteigert. Aber das digitale Geschäft ist, wie eingangs besprochen, sehr viel kleinteiliger als TV. Genau deshalb brauchen wir ein großes Portfolio und müssen Reichweiten kumulieren, um auch digital auf vermarktbare Größen zu kommen. Dennoch gibt es einige große Player, die bereits viel Geld einsammeln. Sollen wir dabei zusehen? Nein – und die geringe Losgröße darf uns nicht davon abhalten. Je früher wir dabei sind, desto schneller können wir unsere Erfahrungen in neue Vermarktungsstrategien umsetzen.

"Durchaus denkbar, in Zukunft noch
weitere Mandanten unter den Schirm
von Studio71 zu nehmen"

Thomas Wagner, SevenOne Media


Gerade ist Sport1 mit seinen YouTube-Kanälen unter das Dach von Studio71 geschlüpft. Wollen Sie dieses Geschäft mit weiteren Mandanten aus dem TV-Umfeld ausbauen?


Die Expertise von Studio71 im Bereich Multi-Channel-Management ist auf dem Markt angekommen und die Kollegen von Studio71 sorgen jetzt auch für Sport1 dafür, dass die Inhalte über YouTube & Co. einer möglichst großen Zielgruppe bekannt gemacht werden. Wir stellen dabei die gezielte Vermarktung sicher. Studio71 und Sport1 werden außerdem gemeinsam an neuen Web-Only-Formaten aus dem Sportbereich arbeiten. Durchaus denkbar, in Zukunft noch weitere Mandanten unter diesen Schirm zu nehmen.

Herr Wagner, vielen Dank für das Gespräch.