Wie wichtig ist Ihnen Geld?

Geld ist nicht so wichtig. Ich bin jahrelang mit sehr wenig Geld ausgekommen. Es war eigentlich immer ausreichend da, um die Miete zu zahlen und über die Runden zu kommen. Ich habe keinen teuren Lebensstil. Aber es ist einfach ein gutes Gefühl, wenn du weißt, du musst dir über drei, vier Monate keine Gedanken machen, weil du weißt, dass du die Miete irgendwie rein kriegst. Das nicht immer zu wissen hat schon manchmal gestresst, davon konnte ich mich nicht freimachen. Aber so geht es vielen Künstlern und Freiberufler. Ich bin auch kein Systemkritiker. Ich lebe in dieser Welt, bin Teil von diesem System. Es wäre albern zu sagen, das ist alles Kommerz und Scheiße. Das ist widersprüchlich. Es ist auch bei der Arbeit an meiner aktuellen Platte beruhigend gewesen zu wissen, da hängt gerade nicht mehr mein Leben von ab. Ich habe die letzten zwei Jahre echt hart gearbeitet und wollte einfach eine Platte machen, auf die ich Bock habe. Ich musste diesmal nicht so sehr darauf achten, dass ein Hit oder ein Ballermann-Song drauf ist. Und ich konnte meine Musiker ordentlich bezahlen und in einem guten Studio mit tollen Leuten produzieren.

Wirkt sich diese Sicherheit auf das Songwriting aus?

Ich bin bei „Feelings aus der Asche“ unbeschwerter ran gegangen. Es hat sehr vieles richtig gut zusammengepasst diesmal: Der Zeitpunkt der Aufnahmen, die neue Band, der Wunsch-Produzent, wieder Moses Schneider, das Studio, der Mischer, die kontinuierlich sehr gute Zusammenarbeit  mit meiner Plattenfirma Trocadero. Ein gutes Umfeld und die richtige Atmosphäre sind für mich echt wichtig.

Wie sehen Sie selbst sich?

Das kann ich bis heute nicht sagen.

Machen Sie sich da Gedanken drüber?

Nicht mehr. Mal mache ich witzige Sachen, manchmal sind auch verstörende Songs auf der Platte. Ich versuche, Leute zu unterhalten und einen Entertainment-Faktor reinzubringen. Egal, ob ich Musik mache oder im Fernsehen zu sehen bin oder ein Buch schreibe. Ich will mit dem, was ich erlebt habe, unterhalten und Geschichten erzählen. Jeder sieht einen ja anders. Manche Leute lieben die Musik, die man macht, manche finden es einfach nur geil, wenn man Saufhumor hat. Ich freu mich inzwischen einfach darüber, wenn die Leute gut finden, was ich mache.

Sie schreiben ein Buch?

Ja, es gibt tatsächlich die Idee zu einem Buch mit Kurzgeschichten. Vielleicht erscheint das irgendwann nächstes Jahr wirklich, oder eben übernächstes. Ich habe immer mal wieder daran gesessen, und jetzt bekommt es so langsam Form. Anfänglich war´s mehr ein Hobby, von dem ich weiß, da habe ich keinen Druck. Es sollte sogar ursprünglich ein Roman werden. Ich war schon zweimal auf Lese-Tour, 2009 und 2010. Dann hab ich meinen Romanversuch mal einem Lektor gezeigt, der meinte aber, es sei zu überambitioniert. Nun habe ich es eben zerlegt und daraus Kurzgeschichten gemacht. Ich war lange Roadie und Stagehand, das Buch handelt genau von dieser Zeit. Ich will das jetzt auch noch gar nicht so groß ankündigen, aber es ist ein schönes Liebhaberprojekt und macht mir richtig Spaß im Moment. Es gibt so viele, die inflationär Bücher veröffentlichen - vor allem Musiker. Genau wie Schauspieler, die irgendwann mal eine Platte rausbringen. Uwe Ochsenknecht sings the greatest Soul and Gospel Songs of the Sixties (lacht). Bevor ich auch so rüber komme wie ein Musiker in der Identitätskrise, lasse ich mir lieber Zeit, bis es wirklich gut ist.

Also ein Buch mit biografischen Zügen. Sie sind auch auf der Bühne und im Fernsehen ein großer Geschichtenerzähler. Wie viele Ihrer Geschichten sind wahr?

Schwer zu sagen, das will ich aber auch nicht verraten. Es ist verdammt schwer geworden, Leute zu verzaubern. Weil alles sofort gegoogelt werden kann. Ich finde es auch ganz schön, in Talk-Sendungen Mumpitz mit der Realität zu mischen. Erstmal schützt das meine eigene Privatsphäre, und es ist doch letztendlich auch völlig unwichtig, so lange die Leute sich unterhalten fühlen. Es gibt viele Sachen, die wahr sind, und viele die mir einfallen. Und manchmal erlebt man etwas, hat aber keine Pointe; dann erfindet man eben eine. John Irving hat mal gesagt, 30 Prozent meiner Realität sind gelogen, oder so ähnlich. Es ist eine gesunde Mischung aus beidem.

Wie entstehen diese Geschichten? Setzen Sie sich bewusst hin und erfinden etwas?

Es gibt die legendäre Geschichte, die davon berichtet, dass mein Opa auf dem Fischmarkt mit Perlen gehandelt hat. Und dann kam mir irgendwann dieses Wortspiel mit Pearl Herbert. Das habe ich dann in einer Talkshow erzählt ("NRD Talkshow", Anm. d. Red.) und alle so - Echt, ist das wahr? - Und ich so: Nö. - Du musst das überzeugend rüberbringen. Aber mein Opa hat wirklich auf dem Fischmarkt mit Tieren gehandelt.

Hieß er Herbert?

Nee, er hieß Karl. Aber er hatte einen guten Kumpel, der Herbert hieß. Herbert hatte Depressionen, hat sich in den 80ern umgebracht. Den gab es wirklich, das war ein Freund von meinem Opa. Herbert hat den Krieg nicht verdaut, war ein schwer depressiver Mensch, den es wirklich gab. Und der hat sich erhängt, und mein Opa hat gesagt, den hat der liebe Gott mit dem Lasso geholt. So haben die Leute damals geredet. Und so ziehe ich Sachen aus meiner Kindheit. Dann hatte ich das Wortspiel mit Pearl Herbert. Das fand ich interessant, also habe ich das mit der Realität gemischt. Wenn mir das einfällt, muss ich selbst drüber lachen können, dann weiß ich, dass es gut ist. Und so kommt so etwas zustande.

Die Geldsorgen scheinen vorbei zu sein.

Im Moment, ja, ich bin nicht reich oder so. Ich kann leben von dem, was ich gerade mache. Ich weiß, nächstes Jahr kommt eine Tour, dann kommt Geld rein, ich weiß, dass ich verschiedene Möglichkeiten habe, auch wieder Geld zu verdienen. Nachdem klar war, dass ich bei ProSieben aufhöre, kamen gleich ganz viele Produktionsfirmen zu mir und wollten mit mir arbeiten. Aber ich will gerade gar kein Fernsehen machen. Aber es ist schön zu wissen, dass man so beliebt ist.

"Die Leute wollen immer, dass man ein darbender Künstler ist, der immer leidet. Das habe ich aber lang genug erzählt"

Es scheint Ihnen gut zu gehen.

Ich kann gerade recht unbeschwert durchs Leben gehen. Ich weiß nicht, ob man so etwas öffentlich sagen darf, aber warum eigentlich nicht? Die Leute wollen immer, dass man ein darbender Künstler ist, der immer leidet. Das habe ich aber lang genug erzählt. Und lange war es auch so.

Deshalb frage ich. Sie sind immer sehr offen damit umgegangen.

Ich bin einfach da angekommen, was viele als Mitte der Gesellschaft bezeichnen. Und für mich ist das ein schöner Erfolg, zu sehen, dass man etwas sehr lange gemacht hat, und dafür nun seine Anerkennung kriegt und die Möglichkeit, davon zu leben.

Nun sind Sie 40. Stichwort Midlife Crisis: Können Sie damit etwas anfangen?

Gerade nicht. Ich war schon so oft in Krisen, das hat bei mir nichts mit dem Alter zu tun. Mir geht’s ganz gut gerade. Ich fühlte mich vor einigen Jahren deutlich schlechter als jetzt. Es gibt einfach so viele Umstände im Leben, die eine Rolle spielen. Auch in den letzten zwei Jahren sind viele blöde Sachen passiert, die nicht so schön waren. Ein Freund von mir ist an Krebs gestorben, innerhalb von einem halben Jahr. Und ich habe ihn diese Zeit lang begleitet, man kriegt das ja zumindest mit, besucht jemanden, geht in die Klinik. Das begleitet einen im Leben, wenn Familienangehörige sterben zum Beispiel. Aber auch andere Dinge, wenn man viel herumreist. Man will sein Privatleben hinkriegen, für seine Kinder da sein. Das musst du in deinem Leben hinkriegen wie jeder andere auch, das wird nicht leichter, nur weil du auf einmal ein bisschen erfolgreich bist. Das sind Aspekte, die eine Rolle spielen. Dabei geht es nicht so sehr ums Alter. Vielleicht kommt mit 50 nochmal ein großer Knall, hoffentlich nicht.

Herr Schulz, herzlichen Dank für das Gespräch.