Herr Fiedler, am Freitag wagt sich das ZDF an eine Neuauflage des "Literarischen Quartetts". Warum macht die Sendung auch ohne Marcel Reich-Ranicki Sinn?
"Das Literarische Quartett" ist von ihm geprägt worden, aber das Quartett war immer mehr als Marcel Reich-Ranicki. Es ist vor allem ein denkbar einfaches Konzept, das dazu entwickelt wurde, um über Literatur im Fernsehen zu sprechen: Vier Menschen, die das können, begeistern sich für vier Bücher oder streiten darüber. Das ist banal und einfach, aber im Ergebnis so durchschlagend und erfolgreich, dass wir nach dem Ende von Wolfgang Herles‘"Blauen Sofa" gerne darauf zurückkommen wollten, im Fernsehen wieder leidenschaftlich über Literatur zu diskutieren. Und wenn man diese Idee mal hat, kommt man am "Literarischen Quartett" gar nicht vorbei.
Mitsamt des bekannten Namens?
Irgendwann waren wir an dem Punkt, dass wir uns für den alten Namen entschieden haben. Selbst wenn wir es "Quasimodo" genannt hätten, hätte doch jeder gewusst, dass es sich eigentlich um das "Literarische Quartett" handelt. Dann machen wir's doch einfach. Nach 14 Jahren Pause und dem Tod von Marcel Reich-Ranicki kann man das auch guten Gewissens wieder tun, ohne die Sendung immer mit dem großen Literaturpapst in Verbindung zu bringen. Allerdings hoffe ich, dass er auf einer Wolke sitzt und gütig über uns wacht.
Hätte es ihm denn gefallen, dass in der Runde nur ein echter Literaturkritiker sitzt?
Ich weiß nicht, ob es ihm gefallen hätte. Aber die Zeiten sind eben andere geworden. Volker Weidermann ist zwar der einzige professionelle Literaturkritiker, die anderen beiden beschäftigen sich aber ebenfalls seit vielen Jahren sehr intensiv mit Literatur: Maxim Biller ist ein Kolumnist, der sich immer wieder mit literarischen Werken auseinandersetzt, und Christine Westermann ist eine Fernsehjournalistin, die seit vielen Jahren eine Büchersendung im Radio hat. Obwohl die beiden im engeren Verständnis nicht als Literaturkritiker durchgehen mögen, sind beide gewiss keine Nicht-Profis in Sachen Literaturkritik.
Wurde die Sendung eigentlich früher eingeschaltet, weil es das "Quartett" war oder in Wirklichkeit doch eher wegen Reich-Ranicki?
Die Menschen haben eine überraschende, spannende Diskussion gesucht. Rückblickend schaut jeder auf Marcel Reich-Ranicki, aber auch Sigrid Löffler und Hellmuth Karasek waren in der Form, wie sie über Literatur gesprochen haben, und in den Animositäten, die sie miteinander zu dritt gepflegt haben, elementare Bestandteile der Sendung. Im Übrigen sieht das "Quartett" von damals heute wie ein Riese aus; es war jedoch - wenn man mal rein nach Quotengesichtspunkten geht - eigentlich ein Zwerg. Aber es hatte eben eine unglaubliche Wirkung auf den gesamten Kultur- und Literatur-Betrieb – genau das machte den eigentlichen Erfolg aus.
"Wir streben an, das meinungsprägende Literatur-Format im deutschen Fernsehen zu werden."
Daniel Fiedler
Wann ist denn die Neuauflage für Sie ein Erfolg?
Die Sendung ist dann ein Erfolg, wenn Sie annähernd das erreicht, was das Vorgänger-Format schaffte - dass man also über das Format spricht und dass sich der Literaturbetrieb, aber auch die Menschen, die sich für Literatur interessieren, an dem "Quartett" orientieren. Wir streben an, das meinungsprägende Literatur-Format im deutschen Fernsehen zu werden.
Die "Zeit" ätzte kürzlich "Muppet-Show statt Literaturkritik" und spielte damit auf die Besetzung an. Nun haben Sie die Gelegenheit zu kontern...
Der Begriff "Muppet-Show" ist ja ganz süß, aber ich weiß nicht, woran er sich festmacht. Bei uns sitzen ja weder fremdgesteuerte Puppen noch sprechen da Unterhaltungsfanatiker. Reich-Ranicki selbst hat über das "Literarische Quartett" immer gesagt, dass es oberflächlich, ungerecht und vereinfachend sei. Das Schöne an der Literatur ist doch, dass man seine Eindrücke teilen und anschließend kontrovers darüber diskutieren kann. Dieses Bild wollen wir aufs Fernsehen übertragen. Dafür haben wir uns eine Stammbesetzung ausgesucht, die sehr unterschiedlich mit Literatur umgeht. Dem ging ein längerer Prozess mit vielen, vielen Gespräche voraus.
Und Harald Schmidt hatte keine Zeit?
Harald Schmidt hat wie viele andere große Lust. Man spricht miteinander, schaut, ob es zusammengeht - und wenn es nicht passt, dann lässt man es sein. Wir sind aber guter Dinge, Harald Schmidt irgendwann mal als Gast in der Sendung begrüßen zu können.