Stichwort Quote. Guter Punkt. ProSieben zeigt neuerdings US-Serien (zuletzt „Containment“) bis zum bitteren Ende, auch wenn die Quote zu wünschen übrig lässt. Das war mal anders. Warum der Kurswechsel?
 
Wir sind härter im Nehmen (lacht). Nein, das sind immer ganz komplexe Abwägungen. Man nimmt nie gerne kurzfristig Sendungen aus dem Programm. Bei Eigenproduktionen wie „Risky Quiz“ schmerzt das noch mehr, weil man weiß wie viele Menschen da gerade zuvor noch dran gearbeitet haben. Bei US-Serien hat jede Serie, auch wenn sie unter unseren Erwartungen liegt,  einen eingeschworenen Kern von Fans. Und die wollen wir dafür belohnen, dass sie Serien bei uns schauen. Jede durchgehaltene Serienausstrahlung hilft unserem nächsten Serienstart, so die Idee hinter dieser Haltung. Wir wollen Enttäuschungen verhindern, weil Fernsehen von Verlässlichkeit lebt.
 
Mit welchen Serien startet ProSieben ins neue Jahr?
 
Wir zeigen „Limitless“ und „Lethal Weapon“. Besonders „Lethal Weapon“ war ja schon bei den LA Screenings der Liebling aller. Das ist genau die richtige Mischung aus Tempo, Witz und Spannung. Ich freu mich ungemein auf die Serie.
 
In den USA geht gerade eine Network-Serie durch die Decke: „This is us“. Die Rechte an der bei NBC laufenden Serie von Fox liegen auch bei ProSiebenSat.1. Ihr Einkäufer Rüdiger Böss meinte bei den LA Screenings, dass das eine hervorragende Ergänzung für den Mittwochabend bei ProSieben sein könnte…
 
Wir haben uns schon mit „This is us“ beschäftigt. Die Serie läuft ja in der Tat auch ohne „The Voice“ im Vorprogramm sehr gut bei NBC. Aber wir können noch keine Ankündigung machen. Wir wollen noch verfolgen, wohin die Serie und Story gehen.
 
…weil auch „Empire“ in den USA zwar super, aber bei Ihnen nicht gut lief?
 
Nein, aber „Empire“ - zu dem Versprechen stehen wir - geht 2017 bei uns in die zweite Staffel.
 
Wie sehr machen Netflix und Amazon ProSieben als Seriensender zu schaffen?
 
Als Fernsehmensch kann man sich jetzt für eine Antwort entscheiden, die dann von Netflix-Fans als sehr altbacken und überholt angesehen wird. Es gibt zunächst mal die nackten Zahlen - und die sprechen derzeit sehr deutlich für das lineare Fernsehen und noch nicht für VoD. Aber ich möchte die Frage inhaltlich beantworten: Es ist eine Frage der Stoffe. Es gibt die sehr speziellen Geschichten - und jene, die viele Menschen ansprechen wollen und müssen. Das sind unterschiedliche Arten von seriellem Erzählen, die sich nur bedingt in die Quere kommen. Und dann gibt es noch den Unterschied im Konsumverhalten: Oft weiß man vielleicht genau, was man gerade will und sucht es sich selbst aus. Aber man freut sich auch, wenn jemand einem etwas mit Liebe serviert – so wie wir auf ProSieben.
 
Sie erwähnten vorhin schon einmal: Sie versuchen sich in die Rolle des Zuschauers hinein zu versetzen. Das ist eine andere Strategie als das von Helmut Thoma propagierte, distanzierte „Der Köder muss dem Fisch schmecken“…
 
Ja klar, auch ich gucke nicht sieben Tage die Woche Fernsehen und kann das nicht vom einzelnen Zuschauer verlangen. Da sollten wir nicht mit zweierlei Maß messen. Mal ganz ehrlich: Wir können doch nicht so vermessen sein zu glauben, dass jeder einzelne uns rund um die Uhr schaut. Wir machen mit ProSieben unserer Zielgruppe mit sehr viel Liebe ein Angebot. Wir verschicken an unterschiedlichen Abenden unterschiedliche Einladungen. ProSieben ist kein Club, in dem an jeden Abend der gleiche Mix läuft.
 
Eine dieser Einladungen war im vergangenen Sommer eine Wissensoffensive am späten Montagabend. Welche Folgen hat das? Was haben Sie daraus mitgenommen?
 
Das sind wir, Wissensfernsehen passt zu uns. Unser Publikum ist ja nicht nur an Sitcoms und Action interessiert. Wir sind im Fernsehen die erste Adresse für die 14- bis 39-Jährigen, eine Zielgruppe die sich vielleicht weniger für die Tagespolitik aber sehr wohl für gesellschaftliche, politische Zusammenhänge interessiert und dort tiefer eintauchen will. Es geht um das Verständnis von Hintergründen. Und diesen Wissenshunger bedienen wir täglich mit unseren Magazinen, aber in 2017 auch noch intensiver als bisher in der Primetime.
 
Was bedeutet das?
 
Wir erhöhen die Frequenz und wollen damit noch mehr Menschen erreichen, indem wir an den richtigen Sendeplätzen arbeiten. Ähnlich wie bei „Duell um die Geld“ wollen wir diese Programme nicht erst kurz vor Mitternacht platzieren. Nicht alles, was einem einfällt, wäre gleich für 20.15 Uhr geeignet. Aber wir wollen die Programmfarbe Wissensfernsehen nach dem erfolgreichen Test prominenter machen..
 
Also auch weiterhin mit Thilo Mischke?
 
Richtig. Wir setzen die Zusammenarbeit mit Thilo Mischke fort und schicken ihn erneut rund um die Welt. Mit Stefan Gödde und „Inside“, das wir ja aus „Galileo“ heraus entwickelt haben, haben wir bereits ein weiteres Format eingeführt und Aiman Abdallah hat  „10 Fakten“ sehr gut etabliert. Aber wir suchen noch aktiv nach weiteren Formatideen im Bereich Factual für ProSieben.
 
Wie würden Sie die Tonalität von ProSieben beim Thema Factual beschreiben?
 
(überlegt) Man geht klüger aus einer Sendung raus als man reingegangen ist, ohne dass ein Lehrer mir mit ausgestrecktem Zeigefinger Frontalunterricht gibt.
 
Wir haben 2017 auch wieder eine Bundestagswahl auf der Agenda. Wird das für ProSieben auch ohne Stefan Raab ein Thema sein?
 
Wenn wir uns das erklärte Ziel setzen, junges Factual noch erfolgreicher bei ProSieben zu etablieren und in die Primetime zu holen, dann ist es für den Marktführer der 14- bis 39-Jährigen Pflicht Programm zur Bundestagswahl zu machen - und das besonders in diesen Zeiten. Wahljahr heißt für ProSieben auch Wahlfernsehen.
 
Aber keine „Absolute Mehrheit“ mehr?
 
Nein, das war ein Format von und mit Stefan Raab. Und ich bin an der Stelle übrigens auch sehr froh, dass wir die vor einem Jahr von vielen so groß in den Raum gestellte Frage „Was wird aus ProSieben ohne Raab?“ so vielfältig und mit Lust an Neuem beantworten konnten. Eine von ihm geprägte Sendungsidee ohne ihn wieder zu beleben - das wäre dann genau die Einfallslosigkeit, die wir uns nicht vorwerfen lassen wollen. Wir behalten Stefan lieber in unseren Herzen.
 
Zum Abschluss noch zwei kurze Fragen: Früher begann das eigenproduzierte Programm von ProSieben schon am Vormittag, heute laufen bis 17 Uhr nur Sitcom-Wiederholungen. Gibt es Ehrgeiz, da mal neue Impulse zu setzen? Überlegt man da schon mal Alternativen?
 
Also ich würde sagen: Wir tun das eine ohne das andere zu lassen. Angesichts von Daytime-Marktanteilen von 15 bis 20 Prozent wäre es nicht sonderlich klug für 2017 eine neue Daytime bei ProSieben zu planen. Aber natürlich macht man sich Gedanken, weil man immer vorbereitet sein muss. Erfolg ist keine Dauerkarte.
 
ARD und ZDF machen mit Funk ein öffentlich-rechtliches Angebot für Ihre Zielgruppe?
 
Wir verfolgen das mit Interesse, aber sorgen uns nicht. Im weitesten Sinne unterstützen wir es sogar: Unsere Kollegen von Studio 71 produzieren „Guten Morgen, Internet“. Darüber hinaus wissen unsere Zuschauer: ProSieben ist eben dem linearen Programm auch seit vielen Jahren online mit all seiner Programmvielfalt verfügbar. Ich sehe da bislang keine Revolution
 
Herr Rosemann, herzlichen Dank für das Gespräch.