US-Talker erfahren derzeit einen großen Aufschwung, wenn sie sich mit dem Phänomen Donald Trump beschäftigen. Was kann man daraus ableiten?

Daran sieht man, dass ein sehr hoher Grad der Verzweiflung herrscht. Das merkt man auch, wenn man rüber fliegt und mit den Menschen redet. Das ist jetzt halt passiert und niemand weiß wie. Der tägliche Kampf, den John Oliver und viele andere gegen so einen Wahnsinn wie Trump führen, ist sehr schwierig. Er ist aber auch immens wichtig. Wenn es das nicht gäbe, würde eine sichtbare Gegenseite fehlen. Diese Gegenseite muss aber sehr stark sein, denn ein US-Präsident ist immer mächtiger als jedes Medium. Wenn es dann soweit ist, dass man sich über Worte von George W. Bush freuen muss, und der wie so ein weiser Linksliberaler daherkommt, dann weiß man schon, wie schlimm es geworden ist (lacht).

Bewegen wir uns da nicht zu sehr in einer Filterblase? Donald Trump wurde von 63 Millionen Amerikanern gewählt.

Das hat mehrere Ebenen. Natürlich ist es so, dass wesentlich mehr Menschen Hillary Clinton gewählt haben und Trump trotzdem Präsident geworden ist. Das ist für mich eine schwierige Komponente im US-Wahlrecht. Aber natürlich ist es auch so, und das darf man nicht wegwischen, vor allem weil es in Europa auch nicht anders ist, dass eine große Masse von unzufriedenen Menschen gibt. Die sind vielleicht nicht einmal so mit der Politik unzufrieden, sondern mit ihrem eigenen Leben und damit, wie die Gesellschaft so läuft. Die auch übersehen worden sind und die sich zurückgesetzt fühlen.

Was hat das für Auswirkungen?

Diese Leute machen aus ihrer Wut keinen Hehl und denen ist es auch egal, wenn ein rechter Politiker lügt. Es geht gar nicht um Wahrheit, sondern ausschließlich um Entmachtungsphantasien. Und die werden von den Rechten am deutlichsten repräsentiert, weil sie sich am stärksten gegen das sogenannte Establishment positionieren. Da liegt meiner Meinung nach das Geheimnis, warum alle zu den Rechten laufen, inhaltlich kann es ja nicht sein. Außer Ausländern haben die ja keine Inhalte. Und wenn man den Rechten dieses Thema wegnimmt, dann bleibt nicht viel und sie werden nervös. Man kann das derzeit in Österreich sehen. Und das betrifft neben der FPÖ auch die AfD, aber auch den Wilders in den Niederlanden und die Le Pen in Frankreich. Wobei Le Pen viel intelligenter agiert und auch das Thema Soziales für sich entdeckt hat.

Der Zweite Weltkrieg ist gerade mal 70 Jahre her und nun gewinnen viele rechte Parteien an Zuspruch. Wie kann das überhaupt sein? Das Thema des "abgehängt sein" ist doch eigentlich auch ein ganz starkes des linken Lagers. Wieso profitiert man dort nicht?

Es ist erstaunlich, dass das soziale Thema den linken nicht mehr so sehr geglaubt wird. Das liegt aber auch daran, dass die Linken sich in den 80ern und 90ern mit dem bürgerlichen Lager verbündet haben und ihre Wähler denunziert haben. Das vergessen die Menschen nicht. Es hat aber auch viel mit diesem Postfaktischen und den Fake News zu tun. Die Hemmschwelle für Rechte zu lügen und zu manipulieren, ist viel niedriger. Es liegt quasi im System von solchen Parteien. Eine klassische sozialdemokratische Partei tut sich eher schwer damit, weil sie einen gewissen moralischen Standard hat.

Und dennoch teilen Menschen bei Facebook Dinge, von denen man annehmen könnte, dass sie nicht stimmen. Sie glauben das, was dort steht.

Weil sie es glauben wollen. Das ist wie eine pathologische Krankheit: Diese Menschen wollen gar keinen Unterschied mehr machen zwischen Wahrheit und Lüge. Der Wille "So soll es sein" ist stärker als der Wunsch nach Wahrheit. Und dann ist ja immer von einer zweiten Aufklärung die Rede. Man sollte sich eher fragen, ob die Menschen überhaupt die Wahrheit wollen. Oder ob sie nicht genau davon enttäuscht sind und sich jetzt lieber der Lüge zuwenden.

Woher kommt diese Vermischung von Realität und Fantasie?

Das hat sehr viel mit einer virtuellen Parallelgesellschaft zu tun, in der ich mir alles so gestalten kann, wie ich es will. Da ändert sich ein grundsätzliches Denken bei den Menschen - auch, weil diese Leute auf eine gewisse Art und Weise enttäuscht sind von der Realität. Im virtuellen Raum ist die Lüge von der Wahrheit kaum zu unterscheiden. Da könnte man beinahe glauben, dass es egal ist. Die Behauptung ist immer eine Sichtbarmachung unserer Begehrlichkeiten. Vernunft wird inzwischen wie ein Zölibat empfunden. Man will endlich wieder glauben dürfen. Wenn wir eine zweite Aufklärung wollen, sollten wir vor allem überprüfen, welcher Irrglaube uns tatsächlich beherrscht. 

Wie geht es nun weiter? Flaut der Rechtsruck ab?

Meine Hoffnung ist, dass Trump insofern einen Einfluss auf Europa hat, dass es den Leuten ein bisschen zu spooky ist, wenn jemand wie er an der Macht ist. Es gibt ja viele Trump-Wähler, die ihre Wahl inzwischen bereuen.

Sie sind mit Ihrer Produktionsfirma Superfilm auch verantwortlich für "Willkommen Österreich", der einzigen Late-Night-Show in Österreich. Viele Kritiker monieren, dass das Format angestaubt sei.

Ich glaube, dass es bei solchen Formaten vor allem darum geht, dass sie institutionell sind. "Willkommen Österreich" ist jetzt zehn Jahre alt und nach wie vor eine wichtige Stimme in politischen Prozessen. Allein das macht die Sendung schon sehr wertvoll. Dirk Stermann und Christoph Grissemann schaffen es immer wieder, relevante Inhalte zu produzieren. Ich bin mir sicher, dass die Einspieler über Norbert Hofer, die Grissemann gespielt hat, mitentscheidend waren für die Bundespräsidentenwahl. Für die Wahrnehmung von Norbert Hofer.

Dennoch ist "Willkommen Österreich" nur selten politisch. Könnten Sie sich so ein Format vorstellen? Stichwort John Oliver. Alleine die FPÖ bietet ja viel Angriffsfläche.

Ja, wir würden das auch wahnsinnig gerne machen. Es ist aber nicht so leicht, weil John Oliver halt John Oliver ist - und der ist ein Genie. Genies liegen nicht auf der Straße. Wenn es einen John Oliver in Österreich geben würde, wäre ich der erste, der das machen würde. Ich habe ihn nur noch nicht gefunden.

Natürlich gibt es die "heute-show" und auch Jan Böhmermann macht immer wieder tolle Sachen, aber da wäre wesentlich mehr möglich.

David Schalko

Und wie sehen Sie die Situation in Deutschland?

In Deutschland gäbe es mit Sicherheit noch viel mehr Platz in diesem Bereich. Für so ein großes Land ist es eigentlich erstaunlich, wie wenig Polit-Satire es gibt. Natürlich gibt es die "heute-show" und auch Jan Böhmermann macht immer wieder tolle Sachen, aber da wäre wesentlich mehr möglich. Es könnte aber auch beim ORF sehr viel mehr sein. Ich finde es zum Beispiel sehr schade, dass es die "Staatskünstler" nicht mehr gibt, das ja schon fast ein journalistisches Format war und auch viel Aufdeckungsarbeit geleistet hat.

Herr Schalko, vielen Dank für das Gespräch!