Herr de Posch, mit FremantleMedia scheint es in die richtige Richtung zu gehen. Jedenfalls konnte das operative Ergebnis im vorigen Jahr leicht verbessert werden. Wie weit ist der Weg, der noch vor Ihnen liegt?

Als Cécile Frot-Coutaz vor fünf Jahren die Führung von FremantleMedia übernahm, habe ich sie damit beauftragt, das Unternehmen von Grund auf umzubauen. Wir standen damals am Ende des Zyklus von Mega-Talentshows wie "Idols", waren jedoch immer stark abhängig davon. Hinter dem Reset, der jetzt Früchte trägt, stecken also fünf Jahre harte Arbeit. Wesentliche Faktoren waren und sind dabei: der Aufbau eines globalen Fiction-Geschäfts, die Ausweitung der Kundenbasis und des geografischen Footprints sowie die Auffrischung bestehender Format-Franchises. Wir werden in den kommenden Jahren jeweils mehr Projekte entlang dieser Entwicklungslinien umsetzen. Es wird allerdings noch zwei bis drei Jahre dauern, ehe FremantleMedia auf der Flughöhe angekommen ist, wo wir es gern dauerhaft hätten.



Wie viel kann man denn mit der Auffrischung alter Formate erreichen?

Nehmen Sie "Neighbours", das australische Daily-Soap-Format von FremantleMedia. Es läuft seit 1985 ununterbrochen auf dem Schirm, hat Stars wie Russell Crowe, Chris Hemsworth, Margot Robbie oder Kylie Minogue hervorgebracht und wurde weltweit verkauft. In die erfolgreiche Auffrischung und Verjüngung von "Neighbours" ist über die vergangenen zwei Jahre viel Energie geflossen, so dass wir den Lebenszyklus zweifellos verlängern konnten. Ein anderes Beispiel ist unser Gameshow-Klassiker "Family Feud", on air seit über 40 Jahren und zuletzt in den USA wieder mit steigenden Quoten als eines der erfolgreichsten Syndication-Programme überhaupt. So ein Portfolio mit zahlreichen stabilen Elementen mögen wir natürlich.

Wird es jemals wieder ein "American Idol" geben oder ist die Zeit der Mega-Formate ein für alle Mal vorbei?

Die Definition dessen, was ein Megahit ist, hat sich in den vergangenen Jahren durch die zunehmende Fragmentierung ziemlich verschoben. Wenn heute jemand im US-Markt mit einer neuen Top-Show startet, wird er es außerordentlich schwer haben, überhaupt die 10-Millionen-Zuschauer-Marke zu erreichen. Davon abgesehen, haben Format-Franchises wie "Idols" ihre natürlichen Zyklen. Ich würde nicht ausschließen, dass "American Idol" in naher Zukunft auf einem größeren Sender – sei es Broadcast oder Cable – zurück ins US-Fernsehen kommt. Man kann alle möglichen Variationen von Talentshows ausprobieren, aber "Idols" ist nach wie vor so etwas wie das Original, das in vielen Ländern noch immer hohe Zuschauerzahlen erzielt. Im US-Markt hat man es in der Vergangenheit vielleicht etwas übertrieben. Deshalb hat Cécile entschieden, es dort vorerst vom Markt zu nehmen, aber ich denke, das muss kein Dauerzustand sein.

Sie haben vorhin gesagt, dass Fremantle wirtschaftlich zu stark von "American Idol" abhängig war. Welche Umsatzanteile einzelner Formate oder Genres halten Sie denn für gesund?

Wenn Sie heute die Top-15-Produktionen von FremantleMedia nehmen, und dazu gehört natürlich auch "Idols", dann machen die rund 30 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Der große Rest wird also mit einem breiten Portfolio anderer Formate erwirtschaftet. Das ist eine gute Ratio. Gleichzeitig ist das Volumen der von FremantleMedia produzierten Programmstunden, die 2016 ausgestrahlt wurden, im Jahresvergleich um 16 Prozent auf 12.000 gestiegen. Daran haben fiktionale Serien einen Anteil von etwa 10 Prozent. Ich gehe davon aus, dass dieser Anteil an den Programmstunden, vor allem aber am Umsatz, in den nächsten Jahren noch steigen wird.

Mit Paolo Sorrentinos "The Young Pope" von Ihrer italienischen Tochterfirma Wildside, dessen zweite Staffel gerade vorbereitet wird, und mit dem Ende April bei Starz und Amazon startenden "American Gods" von FremantleMedia North America haben Sie es bereits geschafft, im Seriensegment für Furore zu sorgen. Mit welchen High-End-Serien werden Sie nachlegen?

Das nächste große Projekt von Wildside ist die Verfilmung der italienischen Romanreihe "Neapolitan Novels" von Bestseller-Autorin Elena Ferrante. Daraus wird eine Miniserie mit vier Staffeln à acht Folgen. Sie erzählt die epische Geschichte zweier Freundinnen im Neapel der 1950er Jahre.

Für Wildside allerdings nur eine Koproduktion mit dem Rechteinhaber Fandango.

Das ist korrekt. Die Dreharbeiten sollen spätestens Anfang 2018 starten – mit Paolo Sorrentino als Executive Producer. Außerdem produziert FremantleMedia Australia in Kürze eine Serie zum Kultbuch "Picknick am Valentinstag" von Joan Lindsay aus dem Jahr 1967. Die Geschichte des mysteriösen Verschwindens dreier Schülerinnen und ihrer Lehrerin am Valentinstag 1900 wird als sechsteilige Miniserie erzählt, Natalie Dormer aus "Game of Thrones" übernimmt die Hauptrolle.

Halten Sie Ausschau nach weiteren Produktionsfirmen, die Sie übernehmen könnten?

FremantleMedia hat voriges Jahr acht neue Talent Deals abgeschlossen, also Joint Ventures mit renommierten Produzenten oder Autoren gegründet. Die müssen sich jetzt erst einmal entfalten und FremantleMedia wird schauen, welche konkreten Projekte daraus entstehen. Man sollte sich auch nicht mit zu vielen Baustellen auf einmal verzetteln.

Und in größerem Maßstab wird sich Fremantle nicht an der Konsolidierung des Produktionsmarkts beteiligen?

Vor zwei bis drei Jahren sprach jeder von Mega-Mergers, von Endemol Shine oder von All3Media. Keiner dieser Mega-Mergers hat sich doch wirklich ausgezahlt, jedenfalls ist bislang kein neues Mega-Format dabei herausgekommen. Ich halte es für sinnvoller, sich auf organisches Wachstum zu konzentrieren. Darin ist beispielsweise die UFA vorbildlich, die aus "Deutschland 83" heraus die Fortsetzung "Deutschland 86" entwickelt und an Amazon das erste Verwertungsfenster verkauft hat. Bei FremantleMedia UK haben wir vor zwei Jahren mit eigenen Leuten das Label Euston Films gestartet, das jetzt gerade als erstes großes Projekt die neue Krimiserie "Hard Sun" von "Luther"-Creator Neil Cross für BBC One und Hulu dreht.

VoD-Plattformen wie Netflix, Amazon oder Hulu, die den Sendern der RTL Group Konkurrenz machen, werden für Fremantle zunehmend zu Kunden. Wie verändert das Ihre Geschäftsmodelle? Und wie wägen Sie ab, ob der eigene Weltvertrieb durch FremantleMedia International oder der Verkauf aller Rechte an einen globalen Streaming-Anbieter lukrativer ist?

Den weitaus größten Anteil der FremantleMedia-Kundschaft stellen nach wie vor lineare Free-TV-Sender, gefolgt von Pay-TV-Anbietern. SVoD-Plattformen machen bislang nur einen geringen Anteil am Gesamtumsatz aus. Da wir mit FremantleMedia International (FMI) ein starkes globales Vertriebsnetzwerk haben, ist es für uns natürlich sehr sinnvoll, dieses Potenzial so gut wie möglich auszuschöpfen. Wenn FremantleMedia heute eine neue Serie oder Show entwickelt, ist daher immer die erste Frage: Können wir sie selbst in andere Märkte exportieren? "Deutschland 83" war dafür ein hervorragendes Beispiel. Jens Richter und sein FMI-Team haben die Serie in über 100 Länder verkauft. Wenn wir eine solche Möglichkeit haben, lassen wir sie uns nicht aus der Hand nehmen. Das dient auch der Qualität der Inhalte: Je besser das Vertriebspotenzial einer neuen Serie, desto mehr kann man als Produzent in die erste Staffel investieren.

Herr de Posch, herzlichen Dank für das Gespräch.