Seit wenigen Tagen ist bekannt, dass der Springer-Verlag ein Compliance-Verfahren gegen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt eingeleitet hat. Nun hat Reichelt den Vorstand gebeten, bis zur Klärung der Vorwürfe befristet von seiner Funktion freigestellt zu werden - "um eine ungestörte Aufklärung sicherzustellen und die Arbeit der Redaktion nicht weiter zu belasten", wie es heißt. Die Freistellung sei inzwischen erfolgt, erklärte Springer am Samstagabend via Pressemitteilung.

Reichelt selbst bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier veröffentlichte inzwischen den Screenshot einer internen Slack-Nachricht, die Reichelt an die Belegschaft verschickte. "'Bild' und die Menschen bei 'Bild' sind mein Leben. Ich habe immer alles dafür getan, dass es 'Bild', dass es uns gut geht, und das tue ich auch heute, auch wenn es mir unendlich schwerfällt." Und weiter: "Ich werde mich gegen die wehren, die mich vernichten wollen, weil ihnen 'Bild' und alles, wofür wir stehen, nicht gefällt." Er habe nur eine Priorität: "Die unwahren Vorwürfe gegen mich zu entkräften, ohne die Arbeit, die sie jeden Tag und oft unter großen Risiken leisten, zu belasten."

Empfohlener externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, der den Artikel ergänzt. Sie können sich den Inhalt anzeigen lassen. Dabei können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Zuerst hatte der "Spiegel" am Montag berichtet, dass mehrere Mitarbeiterinnen Reichelt Machtmissbrauch und die Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen vorwerfen (DWDL.de berichtete). Der Satiriker Jan Böhmermann hatte bereits einige Tage zuvor eine erste Anspielung auf die internen Untersuchungen bei Springer gemacht. Am Freitag berichtete der "Spiegel" nun, dass sich einzelne Frauen Anwälte genommen haben, die wiederum ihre Mandantinnen zum Teil davor warnten, die Compliance-Abteilung mit Infos zu versorgen, solange Reichelt nicht mindestens beurlaubt oder freigestellt ist.

Axel Springer teilte am Samstagabend mit, dass man "derzeit keine weiteren Angaben zum Verfahren und zum Gegenstand der Vorwürfe machen" werde. Offiziell erklärte der Verlag: "Axel Springer hat immer und sehr grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Gerüchten, Hinweisen und Beweisen. Wenn aus Gerüchten über andere Personen konkrete Hinweise von Betroffenen selbst werden, beginnt das Unternehmen - wie im aktuellen Fall - sofort mit der Aufklärungsarbeit. Wenn aus Hinweisen Beweise werden, handelt der Vorstand. Diese Beweise gibt es bisher nicht. Auf Basis von Gerüchten Vorverurteilungen vorzunehmen, ist in der Unternehmenskultur von Axel Springer undenkbar."

Bis zur Klärung soll "Bild am Sonntag"-Chefredakteurin Alexandra Würzbach die Leitung der Redaktion übernehmen. Schon bisher war sie Mitglied der Chefredaktion der "Bild"-Gruppe.