Auf welche der Recherchen dieser Staffel bist du besonders stolz?

Tatsächlich gibt es pro Folge immer ein Thema, das ich besonders mag. Das ist meistens das, wo wir sehr viel Zeit zum Recherchieren hatten. In einer Folge waren wir für 15 Drehtage auf den Philippinen. Da sind wir dem Präsidenten Duterte hinterhergereist, bis ich ihm endlich eine Frage stellen konnte. Für mich ein echtes Highlight. Es gibt auch noch ein Thema, über das ich noch nicht reden kann. Da haben wir einen echten journalistischen Scoop geschafft. Darauf bin ich als Journalist sehr stolz.

Macht es einem das Leben eigentlich leichter oder schwerer, wenn man sich als deutscher Journalist zu erkennen gibt?

Es gibt Länder, in denen es überraschend leichter ging als gedacht. Und es gibt Länder, da macht es einem das unerwartet schwerer. Als Journalist in den USA zu arbeiten ist meiner Meinung nach die Hölle. Wir waren dieses Jahr auch in Nordkorea und es war einfacher dort eine Drehgenehmigung zu bekommen als in den USA. Wir haben auch keine Drehgenehmigung für Marokko bekommen. Es gibt Länder, wo du einfach überrascht bist, wie leicht es sein kann, z.B. in Nordkorea und es gibt Länder, wo du perplex bist, weil es so schwierig ist, wie z.B. in Ägypten. Als Deutscher hast du es auf der ganzen Welt relativ einfach, irgendwo einzureisen. Doch als Journalist, und da ist es egal ob du deutsch bist, kann es schon sehr schwer sein - außer in Nordkorea.

Moment. Ein Lob für Nordkorea?

Ich wollte unbedingt noch einmal nach Nordkorea, da ich bereits vor zwei Jahren für den „Stern“ dort war und es nicht einsehen wollte, dass man nur negativ über Nordkorea berichten muss. Kim Jong-Un und sein Regime geben genug Anlass für sehr kritische Berichterstattung aber das Land und seine Leute - sie haben mehr verdient. Ich bin also mit einer Reisegruppe durch das Land gezogen und haben mir das Land aus der Perspektive dieser Menschen zeigen lassen. Es ging mir nicht darum, einmal mehr zu erzählen wir schrecklich das Regime ist. Das wissen wir mittlerweile. Mich hat interessiert: Wie ist die Atmosphäre dort? Wie sagen sich die Leute auf der Straße hallo? Wie schmeckt das Essen? Verlieben sich Menschen dort? Kurz gesagt: Wie lebt es sich in diesem Land?

Ein Ansatz, den du in deinem Gastbeitrag für DWDL auch in der fiktionalen Aufarbeitung der DDR vermisst.

Genau. Im Prinzip habt ihr tatsächlich meine Moderation veröffentlicht bevor ich sie in Nordkorea in die Kamera gesagt habe. Es ist genau das: Es gibt auch im schlimmsten Grauen Normalität. Diese Normalität sollte man auch einzubeziehen. Nordkorea ist auf keinen Fall mit der DDR zu vergleichen, aber ich bin davon überzeugt: Wir können nicht einfach von der Führung eines Regimes kommend über die Lebenswelt anderer Menschen zu urteilen, bevor man sie nicht mindestens einmal besucht hat.

Uncovered© ProSieben


Ist es nicht absurd, wenn man in solchen Ländern unterwegs ist und gleichzeitig permanenent online ist. Einmal warst du im Irak an der Frontlinie als wir über Facebook gechattet haben.

(lacht) Oh, sehr absurd. Der Höhepunkt der Absurdität wurde erreicht, als wir im Irak an der Front standen, zehn Minuten vorher auf uns geschossen wurde - was im Übrigen wirklich ein sehr heikler Moment war - und ich danach erstmal damit beschäftigt war, für 2,90 Euro 50 MB Datenvolumen nachzukaufen, um Kollegen zu schreiben, dass es mir gut geht.

Wenn man einige Ausschnitte der zweiten Staffel sieht, ist es überraschend, wie offen mancher mit euch geredet hat.

Ich arbeite vermutlich anders als das klassische TV-Team - in kleinster Variante, im kleinsten Team und extremst unauffällig. Die Leute, mit denen wir gedreht haben, haben sich nie beschwert. Wir sind halt nicht in Mannschaftsstärke irgendwo eingefallen und dekorieren erst mal ein „Set“. Wir sparen uns das Wichtigmachen. Wir beobachten und drehen. Verbunden mit einem hervorragenden Schnitt und sorgfältig ausgewählter Musik entsteht auch dank unserer Kino-erfahrenen Kameramänner diese eigene Optik. Und wir wiederholen auch keine Szenen oder Fragen. „Wir machen das jetzt nochmal“ ist der Tod für jede Authentizität. Da raste ich aus.

Hat sich die zweite Staffel wesentlich verändert?

Wir sind erwachsener geworden.

Was man halt so sagt.

Die erste Staffel war noch etwas unsicher, nun fühlt sich aber jede Folge sehr geschlossen, sehr sauber an. Du hast nicht mehr verschiedene Stile. Da haben wir uns in der ersten Staffel noch ausprobiert. Es gab Filme, die wollten unterhaltsam sein. Andere waren roher, wie etwa unser Besuch in El Salvador. Wir erarbeiten uns mit dem Zuschauer zusammen die Geschichte. Du siehst das Team, du siehst die Journalisten, du siehst die Erschöpfung - es wird nichts für eine schönere Schnittfolge inszeniert. Das meine ich damit.

"Überall die Plakate zu 'Uncovered' – das war ein bisschen beängstigend."

Verstanden. Wie schwer fällt es im Schnitt, sich von gedrehtem Material trennen zu müssen?

Wir sind tausend Tode gestorben. Das ist ganz fürchterlich. Am Beispiel der Philippinen, die jetzt gleich in der ersten Folge drankommen: Die Rohfassung nur vom Philippinen-Teil war vor dem Schnitt schon 80 Minuten lang. Dann wird mit großem Schmerz und (freundlichen) Streitereien in der Redaktion entschieden, was rausgeschmissen wird und was drin bleibt. Dann kommt ProSieben, die bei der Abnahme genauso ratlos waren wie wir, was man da jetzt schneiden soll, ohne dass Wertvolles verloren geht. Aber da kam dann der große Vorteil von ProSieben zum Tragen: Die können nämlich einfach mal so sagen, dass wir dann halt eine Doppelfolge machen. Beim ZDF würde ich es niemals schaffen, das schon 2008 für 2017 festgelegte Programm aufgrund eines Rechercheergebnisses zu ändern. ProSieben macht Platz dafür.

Und das auf einem prominenteren Sendeplatz. Was denkst du über 21:15 Uhr?

Ich persönlich wäre gerne auf 22:15 Uhr geblieben. Da herrschen andere Jugendschutzbestimmungen und es ist alles ein bisschen weniger kompliziert. Und überall die Plakate zu „Uncovered“ – das war ein bisschen beängstigend. Auf der einen Seite ist das toll, diese Aufmerksamkeit für ein doch klassisches Format. Auf der anderen Seite mochten wir als Produktionsfirma die Nische. Am späteren Abend holst du vor allem Zuschauer, die gezielt für dich einschalten. Zur Primetime musst du auch die Zuschauer für dich gewinnen, die dich zufällig finden. Es ist aber auch ein spannendes Experiment, so eine relativ spitze Sendung in die Primetime zu holen.

Wenn das Experiment gut geht, würdest du für ProSieben noch einmal die Koffer packen?

Klar. Für ProSieben würde ich wieder die Koffer packen. Was soll ich auch sonst machen? Für Schreibtisch fühle ich mich noch zu jung.

Thilo, ganz lieben Dank für das Gespräch.