Eine neue Idee aus Ihrem Haus war "Deutschland tanzt", das vor einem Jahr bei ProSieben überhaupt nicht funktioniert hat. Welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen?

Oelze: Ach, man kann das in solchen Fällen nie immer nur auf einen Punkt beziehen, sondern muss dann Antworten auf viele Fragen finden: Reichte die Entwicklungs- und Vorbereitungszeit? Stimmte das Thema? Und so weiter.

Hat das Genre Scripted Reality derzeit noch eine Bedeutung für Seapoint?

Oelze: Von diesem Segment haben wir uns bewusst verabschiedet aufgrund der Marktbedingungen. Die haben sich klar verändert, wie man auch an den Einschaltquoten sieht. Scripted Reality ist wie eine Fabrik, die man aufbauen und am Laufen halten muss. Dafür benötigt man hohe Volumina. Uns ist es als kleiner Player gelungen, in diesem Markt Fuß zu fassen. Aber am Ende konnten wir nicht groß genug werden. Gleichzeitig hat sich die Spirale in dem Genre immer schneller gedreht, sodass wir uns erst mal aus diesem Genre zurückgenommen haben, und  überlegen und entwickeln, wie Daytime-Fernsehen im Jahr 2018 oder 2019 aussehen kann.

Kommen wir auf die Fiction zu sprechen und damit auf "Club der roten Bänder". Ein gutes Beispiel dafür, dass deutsche Serien funktionieren können, auch wenn Sie eine fortlaufende Handlung haben?

Kromschröder: "Club der roten Bänder" ist eine Serie mit einer sehr begrenzten Anzahl an Folgen. Bei einem Auftrag von 20 Folgen pro Jahr muss man zwangsläufig auf die Procedural-Variante mit abgeschlossenen Fällen gehen. Es wird in Zukunft aber eben nicht mehr nur das eine oder das andere geben.

Was schmerzt Sie mehr: Dass "Club der roten Bänder" nach dritten Staffel zu Ende geht oder wie es mit Ihrer Serie "Zarah" im ZDF gelaufen ist?

Kromschröder: Mit "Club der roten Bänder" hatten Gerda Müller und ich den größten Erfolg unseres Lebens. Aber wir haben zusammen mit Vox die klare Entscheidung getroffen, die Geschichte fürs Fernsehen zu Ende zu bringen. Daher schmerzt mich das gar nicht.

Sie denken über einen Kinofilm nach?

Kromschröder: Vielleicht finden wir ja auch noch eine Möglichkeit, mit den "roten Bändern" weiterzuarbeiten.

Und "Zarah"?

Kromschröder: "Zarah" ist im Grunde genommen eine Niederlage. Da war ich total traurig. Das war eines meiner liebsten Projekte, weil es auch ein bisschen was mit mir zu tun hatte, mit meinem ersten Job, mit der Stadt Hamburg, mit der ich sehr verbunden bin. Natürlich wusste ich, dass das Programm eine gewisse Pay-TV- oder Streaming-Anmutung hat. Der Zuschauer wollte es auf der Plattform ZDF mit dieser Programmierung einfach nicht sehen.

"Es gibt keine Halbwertszeit für Schmerz."
Jan Kromschröder

Wie lange trägt man solche Misserfolge mit sich herum?

Oelze: Ich denke heute noch manchmal an Misserfolge aus meinen Anfangsjahren zurück, beispielsweise gab es mal ein Format namens "Star-Duell" bei RTL. Das lief damals gar nicht gut. Misserfolge prägen einen mehr als Erfolge.

Kromschröder: Es gibt keine Halbwertszeit für Schmerz. Ich habe unter Roger Schawinski die Serie "Unter den Linden" für Sat.1 gemacht, die lange liegen blieb und plötzlich mitten im Sommer am Vorabend gesendet wurde, obwohl man in der Serie nur Frauen mit Pelzmänteln zu sehen bekam. Das kommt immer mal hoch. Für die Zukunft muss man dann die richtigen Schlussfolgerungen treffen.

Sie gehen mit Bantry Bay und Seapoint derzeit neue Wege, indem Sie Online-Formate produzieren. Was hat es damit auf sich?

Oelze: Unser Seapoint-Team hat in diesem Jahr zwei selbstdrehende Formate umgesetzt, die man eher aus Online kennt: eines für Sixx, dort laufen wir gerade auch noch mit den "Fitness Diaries", und eines für RTL II. Das ist eine interessante Arbeit, weil die Formate in eine ganz andere Richtung gehen als wir das bisher kannten. Durch die Aufnahmen der Protagonisten entsteht das Gefühl, noch näher am Geschehen zu sein. Ganz grundsätzlich ist hier ja die Herausforderung, wie wir insbesondere im non-fiktionalen Bereich Talente in neuen Erzähl- und Drehformen ausbilden und dadurch Berufsbilder verändern. Da muss die Non-Fiction perspektivisch mit den Ausbildungsangeboten in der Fiction gleichziehen.

Gleichzeigt produziert Bantry Bay die Adaption der norwegischen Teen-Serie "Shame" für funk. Kann man in diesem Segment als Produzent überhaupt Geld verdienen?

Kromschröder: (überlegt) Als Produzent geht es auch ums Geldverdienen, aber nicht nur ums Geldverdienen. Natürlich stellt sich irgendwann diese Frage, aber jetzt ist es für Stefan, Nina Klink, Gerda Müller und mich zunächst eine strategische Entscheidung, in diesen Bereich reinzugehen. Mit der Bantry Bay haben wir vor drei Jahren als reine TV-Produktionsfirma begonnen, haben plötzlich mit "Wendy" aber auch Kino gemacht. Und jetzt machen wir zusätzlich auch Web – und das finde ich gut.

Was genau reizt Sie daran?

Kromschröder: Im Falle von "Shame" gab es zunächst eine produzentische Begeisterung für ein Format, das ganz wunderbar erzählt ist. Abgesehen davon macht das Arbeiten Spaß, weil uns gesagt wurde, dass die Sendelänge egal sei. Wir sollen gute Geschichten erzählen und diese so lang machen, wie es nötig ist. Wissen Sie, ich komme aus einer sehr streng formatierten fiktionalen Welt des Fernsehens, in der es um Sekunden geht und man oft genug in der Abnahme sitze und Szenen herausschneiden muss, die man eigentlich gerne behalten würde. Jetzt spüren wir eine neue Leidenschaft. Das ist eine spannende Herausforderung.

Herr Kromschröder, Herr Oelze, vielen Dank für das Gespräch.