Herr Schablitzki, in den vergangenen Jahren hat die Mediengruppe RTL Deutschland immer wieder betont, unabhängiger werden zu müssen von Hollywood und setzt immer stärker auf Eigenproduktionen. Wie passt jetzt Now US ins Bild?

Wir befinden uns bei US-Fiction im Moment mitten in einer Zeitenwende. Wir kommen aus einer Zeit, in der US-Fiction eine enorme Bedeutung für unsere großen Sender hatte. Das nimmt mehr und mehr ab bei RTL aber auch Vox, wo deutsche Produktionen an Bedeutung gewinnen, egal ob fiktional oder non-fiktional. Aber natürlich verschwinden Sehgewohnheiten und Fangruppen nicht einfach. Die Grundüberlegung war die: Wie gelingt es uns in dieser Phase des Fernsehens, wo sich also die großen Sender auf andere Schwerpunkte konzentrieren, wir aber natürlich wissen, dass es immer noch Fans von US-Fiction gibt, genau ihren Geschmack weiterhin als Mediengruppe RTL zu bedienen? Wir vergrößern die Auslage von dem, was wir haben. Das war die Grundüberlegung hinter Now US.



Einem neuen Sender, der allerdings nur über TV Now - die App der Mediengruppe RTL Deutschland - verfügbar ist.

Die Nutzer von TV Now haben jetzt einen neunten Sender im Angebot, der die Bandbreite mit US-Fiction bereichert. Die On Demand-Nutzung ist umsonst, die Nutzung des linearen Programms von Now US wird Teil des kostenpflichtigen Angebots, das trotz des neuen Senders unverändert 2,99 Euro technisches Zugangsentgelt kostet.

Mit TV Now bzw. Now US begibt sich RTL auch Schritt für Schritt ins Direct-to-Consumer-Geschäft, was derzeit viele Medienhäuser für sich entdecken, um so den Flaschenhals der Verbreitung zu umgehen.

Wir haben natürlich alle Optionen durchgespielt, aber haben dann entschieden mit Now US zunächst einmal über TV Now zu starten. Auf unserer eigenen Plattform ließ sich das in der Tat schneller umsetzen. Gespräche über die Verbreitung neuer Sender mit Partnern können erfahrungsgemäß lange dauern und wir wollten lieber starten, experimentieren und Erfahrungen sammeln. Das heißt nicht, dass wir mit Now US nicht noch möglicherweise auf andere Plattformen gehen, aber der Gedanke ist zunächst einmal hinten angestellt. Es ist auch leichter Now US zu verstehen, wenn es einmal gestartet ist. Deswegen war unser Ziel jetzt zunächst einmal ein attraktives Angebot für US-Fiction zu schaffen, das neben Zuschauern ja vielleicht auch mögliche Partner begeistert.

Welche Programme sollen den Zuschauer bzw. Partner begeistern?

Wir wollen mit Now US ein komplementäres Angebot zur Primetime unserer anderen Sender schaffen. Wir haben eine Vielzahl von starken Serien bei uns in der Sendergruppe, die aber leider zu schwach waren für RTL oder Vox. Die sollen dann aber nicht ungenutzt bleiben und so zeigt Now US jeden Abend eine Serie durchprogrammiert mit fünf Folgen für Bingewatching-gewöhnte Serienfans. Dabei wollen wir in der Regel Serien mit allen Staffeln zeigen können. Am Montag kommt etwa „Suits“ und zwar auch mit der Free-TV-Premiere der vierten Staffel. Diese Folgen sind in Deutschland noch nie frei empfangbar gelaufen.

Nun ja, frei empfangbar bei Now US über TV Now, wenn ich 2,99 Euro bezahle...

Wie bei allen anderen Infrastrukturbetreibern kostet der technische Zugang, wenn Sie es linear sozusagen live sehen wollen, ein Entgelt. Daür erhalten Sie den Livestream von mittlerweile neun Sendern, Multiscreen-Zugang und mehr. Aber der On Demand-Abruf ist auch kostenlos bei TV Now möglich. Dienstags, wenn ich die Woche mal durchgehe, zeigen wir „White Collar“, am Mittwochabend „Breaking Bad“ - unsere Hommage an die Serie, die Bingewatching en vogue gemacht hat. Am Donnerstag kommt „King & Maxwell“, am Freitag „Glee“, am Samstagabend „12 Monkeys“ mit der Free-TV-Premiere der zweiten Staffel und am Sonntag „Lizzie Borden – kills!“, eine Miniserie. Auf dem Platz wollen wir auch noch einigen anderen Event- und Miniserien Raum geben.

All diese Serien starten jeweils um 22 Uhr, nicht dem klassischen 20.15 Uhr. Warum? Sind Sie Freunde der Nacht?

Wir starten um 20.15 Uhr mit einem Sitcomblock. Seit ich für RTL Nitro verantwortlich bin, frage ich mich, warum so eine großartige Serie wie „Modern Family“ bei uns leider nicht das Publikum gefunden hat, das es verdient. Jetzt gibt es „Modern Family“ von Montag bis Freitag um 20.15 Uhr und wir zeigen dort die 7. und 8. Staffel sogar als Free-TV-Premiere. Dass wir die anderen Serien dann nachfolgend ab 22 Uhr ausstrahlen, gibt uns die Möglichkeit hier Serien weitestgehend ungeschnitten zu zeigen, zum Beispiel „Breaking Bad“.

Aber das lineare Programm von Now US ist doch eher als Schaufenster zu verstehen für den Content, den es dann im On Demand sogar kostenlos zu sehen gibt oder?

Also: Wir werden den Erfolg von Now US nicht daran messen wie viele Menschen den linearen Stream geschaut haben. Es geht aber auch nicht nur darum, hier die Mediathek von TV Now zu stärken. Wir sehen Now US als Versuchslabor, bei dem wir selbst sehr gespannt sind auf die Reaktionen. Es bietet das Beste aus beiden Welten: Kuratiertes Programm mit kommunizierten Startzeiten und die Möglichkeit es zeitsouverän zu schauen, wann immer man möchte.

"Selbst wenn man mal aus dem Blauen heraus von gut zwei Millionen Abonnenten ausgeht, dann ist das in einem Land mit mehr als 80 Millionen Einwohnern noch ein Nischenprodukt."

Oliver Schablitzki über den Erfolg von Netflix in Deutschland

Werden Sie für Now US auch aktiv Programme einkaufen? Oder geht es um die Verwertung des bestehenden Programmvermögens der Mediengruppe?

Wir greifen bei Now US auf einen Bestand an Inhalten zurück, der für die Verwertung innerhalb der Mediengruppe erworben worden ist. Im Zuge dessen investieren wir u.a. durch die Auswertung von First Runs bereits heute in das Angebot von Now US. Zudem konnten wir auf Grund der vorhandenen Rechte die Umsetzungsgeschwindigkeit einhalten und zusätzlich bekannten Marken eine erneute Exposure verleihen. Dass wir in der Zukunft darüber hinaus dezidiert in Now US investieren werden, ist dabei nicht ausgeschlossen.

Aber „Suits“ ist zum Beispiel auch bei Netflix verfügbar. Ist die Serie dann geeignet als Zugpferd für Now US?

„Suits“ läuft bei Netflix. Das ist richtig. Aber wie hoch die Nutzung von Netflix ist, weiß niemand so genau. Selbst wenn man mal aus dem Blauen heraus von gut zwei Millionen Abonnenten ausgeht, dann ist das in einem Land mit mehr als 80 Millionen Einwohnern noch ein Nischenprodukt. Now US werden wir mit der gesamten Marketing-Power der Mediengruppe RTL Deutschland einführen, können permanent Crosspromotion nutzen, und on demand ist „Suits“ wie alle anderen Serien bei uns - anders als bei Netflix - kostenlos.

Zu welchem Zeitpunkt wollen Sie sich mit Now US messen lassen? Wie viel Anlaufzeit geben sie diesem Experiment?

Bei unseren kleineren Sendern haben wir ja auch schon gelernt, dass es wenig Sinn macht jeden Tag auf die Quoten zu schauen und von Tag zu Tag neue Schlüsse daraus zu ziehen. Und hier starten wir auf einem noch einmal kleineren Level ein. Also würde ich sagen: Lassen Sie uns in einem halben Jahr nochmal treffen.

Herr Schablitzki, herzlichen Dank für das Gespräch