Wie haben Sie es geschafft, die Lebensgeschichte dieses Genies mit ihrer Kunst in die richtige Balance zu bringen, ohne dass eins von beiden überwiegt?

Ganz einfach: Kunst und Dasein dieses Menschen waren zu keiner Zeit seines Lebens, selbst als kleiner Junge irgendwie zu trennen. Seine Frauen waren Musen, seine Freunde waren Kollegen, sein Alltag war Malen. Es gab Jahre, in denen er mehr als 100 bedeutende Bilder gemalt hat. Alles, was er schuf, kam aus seinem Leben, und alles was er lebte, kam aus seinem Schaffen.

Wenn man sich den Protagonisten der ersten Genius-Staffel ansieht, gab es am Patentbeamten 3. Klasse Albert Einstein sehr gewöhnliche Seiten. Gab es an Picasso irgendetwas Durchschnittliches?

Ich glaube nicht, und falls doch, hab ich’s nicht entdeckt. Regeln jedenfalls haben für ihn auf keinem Feld gegolten.

Ging das bis in die alltäglichsten Verrichtungen hinein?

Na ja, er hat gegessen, geschlafen, geliebt – aber selbst das irgendwie anders als in der breiten Masse üblich.

Sind diese Alltäglichkeiten dennoch so belegbar wie die Fakten des Films?

Nein. Weil er kein Transskript seines Lebens hinterlassen hat, mussten wir beim Alltag und so manchem Dialog häufig mutmaßen oder schlussfolgern. Trotzdem haben wir uns nichts bloß ausgedacht, sondern daraus hergeleitet, was von ihm oder über ihn veröffentlicht wurde. Unser Ansatz war daher zwar journalistisch, aber weil wir keine Dokumentation gemacht haben, sind Dramatisierungen im Rahmen der belegten Wirklichkeit absolut statthaft. Außerdem verlief sein Leben ohnehin so filmreif, dass man sich dafür nicht allzu viel ausdenken musste.

Alles andere wäre bei einem Verlag wie National Geographic wohl auch schwierig…

In der Tat. Aber selbst dort gibt es Spielräume für Interpretation. Und unser Bestreben war zu jeder Zeit aufrichtig. Wissenschaftlich angreifbar sind daher allenfalls die Auslassungen. Aber um solch eine Figur zu porträtieren, kann man unmöglich jeden Aspekt ihres Lebens darstellen. Insofern gibt es doch etwas, nun ja – Bürgerliches an Picasso: er hat jeden Tag gearbeitet. Ihm dabei zuzusehen, wie die Farbe seiner Werke trocknet, ist fürs Fernsehen vielleicht doch ein bisschen zu langweilig.

Was hat es denn gekostet, die aufregenderen Seiten Picassos in Szene zu setzen.

Darf ich nicht verraten, Sie kennen das ja… Aber was ich sagen kann: Jede Episode kostet weniger als die Hälfte von The Crown. Ich liebe diese Serie, aber glauben Sie mir: Wir machen aus sehr viel weniger sehr, sehr viel.

Macht es einen nicht dennoch neidisch, wenn man hört, was beispielsweise Star Trek: Discovery kostet?

Oh ja! Als ich kürzlich mit David Semel, dem Regisseur der Pilotfolge, zu Mittag war, hat er mir die Größenordnung genannt, und da war ich sogar sehr neidisch. Umso stolzer bin ich darauf, was wir aus unserem Budget gemacht haben: Qualitativ hochwertiges Fernsehen mit cineastischem Appeal und hohem production value.

Haben Sie im neuen Kino namens TV-Serie Vorbilder, die Ihnen den Weg dorthin gewiesen haben?

Mehrere, aber um nur eines zu nennen: Steven Bochco. Mit Hill Street Blues [dt. Polizeirevier Hill Street] hat er Anfang der Achtziger das Medium revolutioniert, weil die Figuren darin so unfassbar real waren und gleichzeitig unterhaltsam. Ohne ihn wäre womöglich auch Genius undenkbar.

Wen werden Sie darin als nächstes porträtieren?

Eine Frau.

Und welche?

Das verrate ich Ihnen nicht.

Wenigstens Beruf und Herkunft?

Wenn ich Ihnen das sage, wissen Sie bescheid!

Also ist es Maria Callas.

Stop! [lacht] Was ich sagen kann: Die Liste ist bereits so kurz, dass man es fast nicht mehr Liste nennen kann. Und es wird definitiv keine Wissenschaftlerin sein.

National Geographic zeigt "Genius: Picasso" ab heute immer donnerstags um 21 Uhr - zum Start mit einer Doppelfolge.

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