Es läuft plötzlich außerordentlich gut beim Disney Channel. Was haben Sie auf einmal richtig gemacht?

Der Knoten ist geplatzt. Wir haben darauf intensiv hingearbeitet, daher ist es keine überraschende Entwicklung aber natürlich eine, über die wir uns freuen. Der Erfolg hat mehrere Faktoren. Wir haben zunächst einmal im vergangenen Herbst etliche Programme neu eingestartet, allen voran die Serie „Miraculous“, die einfach herausragend läuft oder auch „Rapunzel“. Das sind Signature-Formate für uns geworden, die den Erfolg tragen. Dazu haben handwerkliche Änderungen am Programmschema Wirkung gezeigt. Im vergangenen Herbst haben wir zum Beispiel Live-Action-Formate aus dem Mittagsprogramm genommen, um einen Bruch weniger im Audience Flow zu haben und setzen tagsüber durchgehend auf Animationsprogramme, nur am Vorabend noch etwas Live-Action.



Ist das Genre nicht mehr so gefragt?

Disney hat vor einigen Jahren mit unfassbar erfolgreichen Formaten wie „Hannah Montana“ und „Highschool Musical“ das Genre der Live-Action-Formate für Teenager besetzt und dieses auch immer wieder weiterentwickelt. Mit der Telenovela „Violetta“ gab es für uns kürzlich noch einmal einen sehr schönen Erfolg, an den auch die neuste Telenovela „Soy Luna“ nahtlos anschließen konnte. Wenn wir aber strategisch nach vorne schauen, ist die Frage wie viel eher älteren Kinder, die solche Formate schauen, zum Erfolg eines Kindersenders beitragen können. Die sind immer mobiler, offener für neue Angebote und werden auch von Angeboten umworben, die sich gar nicht konkret an Kids wenden.

Und deshalb eine Verjüngung des Disney Channel?

Deswegen haben wir uns in Richtung Animation bewegt, wo der Fokus mit den 6- bis 9-Jährigen deutlich jünger liegt. Das konnten wir nicht früher umsetzen, weil die Content-Pipeline aus den USA vor zwei drei Jahren nicht so viele Animationsprogramme beinhaltete. Aber dann kam „Rapunzel“ und bald die Neuauflage der „Ducktales“ und „Baymax“. 2018 ist noch ein Übergangsjahr aber für 2019 haben wir eine hervorragende Programmversorgung in der Animation. Die älteren Kids sind uns weiter herzlich willkommen, aber die wollen wir verstärkt mit digitalen Angeboten erreichen, weshalb wir auch konsequent einen Multiplattform-Ansatz verfolgen. So spielen z.B. Live-Action-Formate in unserer Disney Channel App eine größere Rolle, die übrigens inzwischen knapp 3,5 Millionen mal heruntergeladen wurde und rund 500.000 Unique User im Monat verzeichnet.

Wer ist schwerer zu erreichen: Jungen oder Mädchen?

Aus unserer Sicht: Jungs. Wir haben das Ziel gender-balanced zu sein und kommen von einem mädchen-lastigeren Verhältnis von 75:25. Das ist aber kein Sprint, vielmehr ein Marathon. Aktuell sind wir bei etwa 60:40. Die Marke Disney hat im Kindermarkt historisch ein eher mädchenaffines Image, dazu nur das Stichwort „Prinzessinnen“. Das Publikum unseres Quotenerfolgs „Miraculous“ ist interessanterweise 50:50, auch „Spider-Man“ ist ausgewogen. Wir achten bei neuen Content-Käufen auch gezielt darauf, dass wir eine Ausgewogenheit erreichen können. Wobei wir aus unserer Beobachtung sagen können: Mädels gucken gerne auch mal Programme für Jungs mit. Umgekehrt funktioniert das weniger.

Dank Marvel hat Disney einen spektakulären Erfolg mit Superhelden-Franchises im Kino. Kann der Disney Channel davon profitieren?

Sicherlich, aber nicht sehr stark. Wir sind sehr jung positioniert und müssen stets im Einzelfall prüfen, ob Marvel-Content zu dem passt, was wir unserer Zielgruppe sonst anbieten. „Spider-Man“ ist beispielsweise durch die Geschichte des Peter Parker näher an Jugendlichen dran als andere Superhelden, die durch eine gewaltige Inszenierung und harte Kämpfe dann kein Thema sind für ein Kinderprogramm wie den Disney Channel. Mit Hulk aus der „Avengers“ Serie würden wir sicher die Jüngsten eher verschrecken. Wenn Charaktere per se so wirken als hätten sie gerade einen ziemlich schlechten Tag und grummeln nur so über den Bildschirm, dann passt das nicht zum deutschen Disney Channel.

Vielleicht eine banale Frage, aber wie kauft man Programm für Kinder ein? Wenn man Erwachsenen-Programm einkauft, hat man das eigene Interesse als einen Indikator. Das dürfte bei Kinderprogrammen ja nicht der Fall sein…

Man muss den Kindern zuhören. Dazu gehört nicht nur, dass man aufgrund des Sehverhaltens Rückschlüsse ziehen kann, welche Themen oder Genres gerade beliebt sind, sondern auch ganz konkret bei einzelnen Formaten mit Preview-Veranstaltungen, also Test Screenings, das Feedback der Kids einholen. Das machen unsere Disney-Kollegen in den USA bei neuen Programmen, aber auch wir haben zum Beispiel „Die Beni Challenge“ mit Disney-Channel-Heimkehrer Benedikt Weber, die vor kurzem mit Marktanteilen von bis zu über 32 Prozent extrem erfolgreich gestartet ist, vorab im Kino gezeigt und darauf geachtet, wie und was ankommt.

Stichwort Eigenproduktionen: Wie sieht Ihre Strategie aus?

Wir planen Eigenproduktionen in zwei Bereichen. In der Daytime haben wir mit Eigenproduktionen das Ziel, mit unserer Zielgruppe in Kontakt zu kommen. Interaktion wie bei der „Beni Challenge“ ist wichtig, um Nähe zu den Kids herzustellen. In der Primetime haben wir anfangs zu früh zu viel gewollt. Große Shows, „Mission Freundlichkeit“ und andere Ideen waren nicht verkehrt, aber verpufften, weil der Sender noch nicht etabliert genug war. Mit den „Disney Magic Moments“ und Steven Gätjen haben wir ein Format gefunden, an dem wir große Freude haben und mit dem wir auch flexibel diverse Themen, zum Beispiel auch wichtige Disney-Kinostarts, thematisch begleiten können. Zusätzlich werden wir im Herbst unsere Daytime-Kochshow „An die Topfe, fertig, lecker!“ mit Promi-Specials in die Primetime bringen.

Sie sprachen vorhin davon, dass der Knoten geplatzt sei. Aber doch nicht nur, weil man Live-Action aus dem Mittagsprogramm genommen hat…

Nein, wir haben an vielen Ecken angesetzt. Auch in der Programm-Promotion haben wir Änderungen vorgenommen. Früher haben wir uns dabei auf neueste Formate und ihre Starttermine fokussiert, aber nicht immer haben wir dann im richtigen Umfeld für ein passendes Genre geworben. Also haben wir hier Einiges umgestellt und in dem Zuge auch überlegt, ob wir jeden Werbeblock brauchen. Dazu kommt auch, dass wir unsere Marketingaktivitäten noch zielgerichteter eingesetzt haben. In der Summe sind das viele Punkte, die wir jetzt vier Jahre nach dem Free-TV-Start mit gewonnenen Erkenntnissen optimiert haben.

Hat man so lange gebraucht, um Erkenntnisse zu gewinnen?

Wir sind im ersten Jahr mit über acht Prozent Marktanteil in den umkämpften Markt eingetreten und haben im zweiten Jahr auf mehr als neun Prozent zugelegt. Vielleicht hat die nachträgliche falsche Erwartungshaltung, dass das schon stetig so weiterwachsen würde, dann die Notwendigkeit überlagert, solche Fragen aufzuwerfen und anzupacken. 2017 lief für uns schlechter als das Jahr 2016 und es war abzusehen, dass wir unsere Ziele nicht erreichen werden. Dementsprechend mussten wir handeln und wurden sicher ein Stück weit zu unserem Glück gezwungen. Und jetzt, wo Vermarktung und Programmplanung enger zusammengerückt sind, gibt es auch keine natürlichen Barrieren mehr. Also keine Diskussionen darüber, wo ein Werbeblock nötig ist und wo nicht.

Sie meinen: Wenn der Vermarktungschef Senderchef wird…

(lacht) Wir haben das auch im Team verinnerlicht, weil es nicht darum geht, gegeneinander Territorien zu verteidigen. Wir sehen ja, wie wir davon profitieren, wenn wir mit Blick auf Programmgestaltung und eine bessere Integration von Werbeblöcken koordinierter planen. Das klappt schon ziemlich gut.

Sie sprachen davon, die Promotion fürs Programm zu verändern. Wie gelingt es eigentlich mit der Größe des Disney Channels im Konzert der Angebote gehört zu werden?

Wir müssen eben genau überlegen, wie wir gezielt Aufmerksamkeit für den Disney Channel bekommen können. Lohnt es sich für eine einzelne Produktion das große Rad zu drehen? Wir wollen eher Programmflächen zu passenden Anlässen promoten. Im Oktober, rund um Halloween haben wir den „Monstober“, zum Jahresende dann „24 Tage Weihnachtszauber“ und aktuell im Mai präsentieren wir zur Hochzeit von Meghan & Harry einen Schwerpunkt  zum Thema Liebe. Wir werden was zu Märchen machen oder z.B. den Abenteuer-Sommer inszenieren mit den „Fünf Freunden“ in der Primetime, weil in den Ferien der ein oder andere auch länger aufbleiben darf.

Wie sehen Sie den Disney Channel im Markt positioniert? Reicht es dem Weltkonzern Disney in Deutschland Nr. 3 hinter Super RTL und KiKa zu sein?

Den KiKa blenden wir in der Betrachtung immer aus, weil wir uns auf die kommerzielle Konkurrenz konzentrieren und da haben wir zunächst einmal Nickelodeon jetzt sehr deutlich hinter uns gelassen. Das war ein wichtiger Meilenstein. Unser nächstes Ziel ist klar: Den Kollegen in Köln noch stärker Konkurrenz machen.

Eine Kampfansage an Super RTL also?

Wir haben Super RTL zuletzt ja schon an einigen Tagen bzw. in bestimmten Zeitschienen die Marktführerschaft streitig gemacht. Natürlich ist das kein kurzfristig zu erreichendes Ziel, da müssen wir noch länger stricken. Aber wenn ich mir die Marktanteile von Super RTL allein anschaue und man deren Marktanteilskorridor mit 17 bis 22 Prozent bemisst, dann ist es schon das Ziel, dort heranzukommen. Ohne dass ich mich dabei auf eine Frist festlege.

Mit welchen Programmen soll das klappen? Können Sie da schon mal einen Ausblick geben?

Aktuell freuen wir uns über den Erfolg unserer lokalen Eigenproduktionen „Die Beni Challenge“ und „An die Töpfe, fertig, lecker!“, die wir auch in den nächsten Monaten im Programm haben werden. Darüber hinaus steht die dritte Staffel unserer Erfolgstelenovela „Soy Luna“ in den Startlöchern, deren Cast auch gerade auf einer sehr erfolgreichen europaweiten Konzerttour, u.a. auch in Deutschland, unterwegs war. Zur Fußball-WM wird es mit der argentinischen Serie „11“ auch im Disney Channel um das runde Leder gehen und dieses Jahr wird auch die Animationsserie „101 Dalmation Street“ starten, die von dem Disney Klassiker „101 Dalmatiner“ inspiriert wurde. Für unsere jüngsten Zuschauer haben wir z.B. mit den „Welpen Freunde“ die ideale Serie und darüber hinaus stehen dieses Jahr die bereits erwähnten brandneuen Formate „Baymax – Die Serie“ sowie die heiß ersehnte Neuauflage der „DuckTales“ auf dem Programm. Außerdem versprechen wir uns viel von den noch folgenden zwei lokalen Ko-Produktionen: „Die Psammy Show“ basierend auf dem Erfolgsroman „Five Children and It“ von Edith Nesbith sowie die auf Luc Bessons erfolgreicher Film-Trilogie beruhende und sehr aufwändig produzierte Serie „Arthur und die Minimoys“.

Lassen SIe uns mal über die Primetime reden. Den Bruch zwischen Kinderprogramm und Primetime teilen Sie mit den Kollegen von Super RTL. Der Disney Channel hat sogar zahlreiche Serien in Erstausstrahlung gezeigt. Lief aber nicht so….

Einige von uns in der Primetime gezeigte Serien von Freeform, ehemals ABC Family, waren tolle Produktionen, die wir teilweise sogar als Deutschland-Premiere zeigen konnten. Aber wir müssen dann doch realistisch sein und bedenken, dass wir mit unseren aktuell 1,2 Prozent Marktanteil YTD bei 14- bis 49-Jährigen auch ein Sender sind, der von Erwachsenen beim Zappen entdeckt wird. Und dann transportieren brandneue Serien, egal wie gut sie sind, nicht das, was man erwartet wenn in der Ecke das Disney Logo steht. Da sind beliebte Filme, Serien- und Sitcom-Klassiker beim Zappen schneller erkennbar und sammeln für uns Zuschauer ein. Wir können nicht gegen die Erwartungen an eine Marke wie Disney arbeiten. Aber wir haben uns trotzdem eine brandneue Serie gesichert…

Sie meinen die Neuauflage von „Roseanne“, die erfolgreichste neue Serie im US-Fernsehen dieses Jahr. Mit Verlaub: Wie ist das denn ausgerechnet bei Ihnen gelandet?

Nach jetzigem Stand werden wir „Roseanne“ im Herbst zur besten Sendezeit einstarten und ich bin mir sicher: Das wird funktionieren, weil die früheren Staffeln von „Roseanne“ bei uns im Programm laufen und die Serie damals auch in Deutschland schon ein großer Erfolg war. Da fangen wir nicht bei Null an.

In Einzel- oder Doppelfolgen?

Wir werden es in Einzelfolgen zeigen, zusammen mit passenden anderen Serien. Ich glaube, man verschenkt viel Potential wenn man kostbares Programm in Doppelfolgen raushaut, weil es immer eine gewisse Zeit dauert, bis manche Zuschauerinnen und Zuschauer mitbekommen, dass da etwas Neues auf dem Sender ist. Und es wäre ärgerlich, wenn wir dann schon mit der ersten Staffel durch wären.

Und jetzt haben Sie dafür so viel Geld ausgegeben, dass kein Geld mehr für weitere Einkäufe übrig geblieben ist?

(lacht) Nein, wir haben noch Budget. Wir bleiben bei unserer Strategie mit zwei Serien-Abenden und fünf Spielfilm-Abenden, wo Freitag und Samstag weiterhin die Disney-Lieblingsfilme gesetzt sind. Donnerstag ist es romantisch und die anderen beiden Spielfilmabende sind ohne Label frei für Filme aller Genres. Für diese Slots haben wir natürlich eingekauft. Aber das verraten wir dann im Juni bei den Screenforce Days.

Wie zufrieden sind Sie mit der Performance in der Primetime?

Die eigentliche Primetime läuft gut und im Vergleich zum Vorjahr sind wir gewachsen, aber am späten Abend wollen wir noch mehr zulegen und werden uns das auch schwerpunktmäßig anschauen. Das ist eines unserer Projekte für die nächsten 12 Monate.

Herr Braun, herzlichen Dank für das Gespräch.