Die neue Staffel „The Wall“ wurde in Warschau produziert. Wie kam es dazu?

Wir reden ja schon seit vielen Jahren über die Globalisierung des Fernsehmarktes, auch produktionsseitig. Der Trend zu Hubs spiegelt diese Entwicklung klar wieder. Ist ein erfolgreiches, aufwändiges Format erschaffen, sind Hubs die beste Produktionsform - wenn also mehrere Länder ihre Sendungen im gleichen Set produzieren. Hier können wir als internationaler Produzent von den Erfahrungen der verschiedenen Länder enorm profitieren. Bei „The Wall“ machen wir das. Die erste Staffel haben wir in Paris produziert, die zweite Staffel ist jetzt in Warschau entstanden. Das Set in Warschau war sogar ein technisches Update. So hatten wir jetzt einen digitalen Boden, wie es auch die Amerikaner haben, und eine andere Software, die weniger Unterbrechungen der Aufzeichnungen ermöglichte. Man muss sich das mal vorstellen: selbst die Australier nutzten das Set in Warschau für ihre Adaption des Formats.



Entscheidende Nachfrage: Ist die Wand denn genauso groß geblieben?

(lacht) Ja, die war genauso groß wie in Paris. Weiterhin ein 12-Meter Koloss. Die französische Wall war allerdings ein paar Zentimeter größer als die amerikanische und ich kann ihnen sagen: da haben die Franzosen keine Gelegenheit ausgelassen zu betonen, dass sie ein paar Zentimeter mehr haben als die Amis.

Wir sprachen gerade schon mal kurz über „Masterchef“. Gleiches Rezept wie in den ersten beiden Staffeln?

„MasterChef“ haben wir nach der ersten Staffel für Sky1 deutlich breiter aufgestellt. Kochen und das Wissen rund ums Kochen ist die DNA der Sendung. Wir wollten die Sendung öffnen für Menschen, die vielleicht gar nichts mit Kochen am Hut haben, aber die Dynamik zwischen Kandidaten spannend finden. Wir haben also etwas soapiger erzählt.

Ohne Storytelling geht nichts mehr oder?

Das ist ja keine neue Erkenntnis. Wir erleben seit vielen Jahren, dass selbst die stärksten TV-Formate neben der Formatmechanik, die echten Geschichten rund um die Protagonisten, aber auch der Jury in den Blick nehmen. Das machen wir auch bei "MasterChef" und so wird das Format breit und abwechslungsreich.

Mit „Sing mit mir“ machen Sie für RTL eine neue Musikshow, die keine Heldenreise erzählt, sondern nur Spaß machen will. Ist noch Platz für eine weitere Musikshow?

Genau deshalb! „Sing mit mir“ ist ein großes Konzert mit unheimlich viel Energie. Perfektes „Feelgood-Fernsehen“ für die ganze Familie. Klar, wir erzählen auch hier Geschichten um die Musiker und haben einen neuartige Inszenierung der Jury.

Aber „Sing mit mir“ lebt von 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die aus sich rausgehen müssen. Ist das nicht wieder undeutsch bzw. schwierig, glaubwürdig in Szene zu setzen?

Wenn ich an den Kölner Karneval denke, finde ich „mitsingen“ erst einmal richtig deutsch. Spaß beiseite, die „100“ sind ja nicht die Teilnehmer, sondern die Jury selbst, bestehend 100 Profimusikern. Also die größte Experten-Jury aller Zeiten. Da werden wir sicher tolle Musiker finden, die ganz natürlich aus sich herausgehen. Wenn es uns gelingt, dass die Atmosphäre im Studio voller Spaß und Freude ist, dann wird sich das auch auf den Zuschauer übertragen.
 
Weil wir gerade beim Storytelling waren: Selbst „Wer wird Millionär?“ setzt inzwischen darauf. Vor lauter Specials der Show und besonderen Geschichten der Kandidaten, droht fast die eigentliche Quizshow etwas unterzugehen…

Das sehe ich nicht so. Das Quiz bleibt Herzstück der Sendung, aber es ergeben sich durch die Dynamik zwischen Günther Jauch und seinen Kandidaten immer wieder große Fernsehmomente. Wenn das Casting stimmt, dann beweist Jauch, was aus einem Gespräch heraus alles entstehen kann. Eine der besten Quoten der letzten Monate hatten wir einer Kandidatin zu verdanken, die in einer ganz normalen „Wer wird Millionär“-Sendung einfach nicht aufhören wollte zu reden. Da läuft Günther Jauch zur Höchstform auf.

Produktionsfirmen sind immer so stolz auf ihre Formate. Aber bei „Wer wird Millionär?“ - das weltweit oft schon nach wenigen Staffeln degradiert oder abgesetzt wurde - gilt doch: Es liegt allein am Moderator Günther Jauch, dass es jetzt ins 20. Jahr geht, oder?

Günther Jauch hat es geschafft aus einer Quizshow ein Format zu machen, das kein Genre mehr hat. „Wer wird Millionär“ ist mal Comedy, mal ein Krimi, mal ist es ein einfaches Quiz. Wichtig ist, dass Jauch und die Spielmechanik dafür sorgen, dass das Publikum - egal wie unterhaltsam es zwischen den Fragen wird - den Wunsch nach Gerechtigkeit bedient bekommt. Am Ende wird nur Leistung belohnt.

In Großbritannien laufen Formate wie „Strictly Come Dancing“, „The Voice“ oder „All together now“ bei der BBC. ARD und ZDF scheuen vor Lizenzformaten und Shows abseits jener, bei denen man Unterhaltung noch mit Wissensvermittlung verkauft bekommt, zurück. Schade?

Es kommt vor, aber in der Tat seltener. Unsere Öffentlich-Rechtlichen sind, ohne das wertend zu meinen, ein Stück weit konservativer als die BBC. Das ist auch der Erwartungshaltung an ARD und ZDF geschuldet. Wir führen ja viel intensivere Debatten darüber, ob Unterhaltung überhaupt Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist. Das schlägt sich dann sicher auch in der Auswahl der Programme nieder. Ein gutes Beispiel hierfür ist „Deutschlands Superhirn“, ein Format, das im ZDF große Erfolge feierte, um die Welt reiste und gerade in Italien wieder aufdreht.

Wie viel Musik steckt in der Daytime? Viele Sender erklären, hier von Scripted wegkommen zu wollen - und überbieten sich mit der Anzahl von pilotierten Ideen. Da ist EndemolShine mit im Rennen?

Wir erleben gerade einen Umbruch im Daytime-Programm. Ich glaube nicht, dass es darum geht, Scripted komplett zu ersetzen, aber wieder mehr Programmvielfalt auf den Bildschirm zu bekommen. Ich denke wir werden sehr viel mehr Factual Entertainment in der Daytime erleben. Wir pilotieren ganz aktuell, da ist viel Bewegung drin.

"In der Unterhaltung ist die Gastgeberin einer großen Show noch eher die Ausnahme. Das muss sich ändern."

Ist es schwieriger das passende Format zu finden oder den richtigen Kopf dafür, der bzw. die es dann präsentiert?

Die Köpfe zu finden ist heute sicher schwieriger als Ideen zu entwickeln. Das Musikfernsehen als Quelle gibt es nicht mehr und aus dem Netz lassen sich nicht so erfahrene Moderatorinnen und Moderatoren rekrutieren. Nicht jeder erfolgreiche YouTuber kann auch moderieren. Es fehlt die Live-Erfahrung, weil ich bei der Selbstinszenierung von YouTube oder Instagram-Stories ja so oft produziere, bis es mir gefällt. Was nicht heißt, dass sich dort nicht auch große Talente finden lassen. Aber durch die Schule der Live-Moderation, die für das Leben vor der Kamera so wichtig ist, geht man nicht im heimischen Wohnzimmer. Deswegen brauchen wir wieder Flächen, wo sich Talente ausprobieren können.

In der großen TV-Unterhaltung dominieren moderationsseitig die Männer. Frauen sind oft wenn dann als Assistentin oder Backstage-Reporterin an der Seite. Warum ist die große Show so männerdominiert?

Stimmt, interessante Frage. Ich sehe in der Information viele erfolgreiche Frauen im deutschen Fernsehen. Aber in der Unterhaltung ist die Gastgeberin einer großen Show noch eher die Ausnahme. Das muss sich ändern. Die Erkenntnis und die Tatsache, dass man es benennt, ist hoffentlich der erste Schritt, zusammen mit den Sendern daran zu arbeiten.

Herr Tobias, herzlichen Dank für das Gespräch.