Frau Plenk, Sie sind Anfang des Jahres als KiKA-Chefin angetreten. Zeit für ein Zwischenfazit.

Astrid Plenk: Es waren turbulente und ereignisreiche acht Monate. Die Anfangszeit war davon gekennzeichnet, dass ich schnell ins Team gekommen bin und schnell gemeinsam mit den neuen Kollegen gearbeitet habe. Ich habe hier in Erfurt ein sehr motiviertes Team um mich herum, alle Mitarbeiter brennen dafür, ein starkes Kinderprogramm zu machen. Wir sind aus einer sehr guten Position heraus in das neue Jahr gestartet und waren zum Beispiel gleichauf mit Super RTL Marktführer, außerdem haben wir konstant hohe Imagewerte. Das ist eine gute Grundlage, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung, um diese Werte allesamt hoch zu halten und im Idealfall noch zu steigern.

Wie turbulent war denn die Anfangszeit? In den ersten Monaten des Jahres hatte sich ja insbesondere die "Bild" auf den KiKA eingeschossen und immer wieder einzelne Sendungen oder Online-Formate kritisiert. Das ging über Wochen hinweg, teilweise fiel auch das Wort "Kampagne". Wie haben Sie das wahrgenommen?

Das kam ohne Vorankündigung und hat mich schon überrascht, zumal es auch eine zeitliche Verzögerung zu den Inhalten gab. Ob das jetzt eine Kampagne war oder nicht, das ist immer spekulativ. Wir mussten damit umgehen, und in schwierigen Situationen liegt auch immer eine Chance. Ich selbst habe das Team dadurch noch schneller kennengelernt. Auf der anderen Seite hat es den Dialog intern gestärkt. Den Dialog über das, was wir tun, und den Dialog über Programme. Das ist das Positive, was ich daraus ziehe. Denn das Programm für die Kinder ist für uns das Wichtigste.

Gab es denn auch berechtigte Kritik? Haben Sie also über etwas diskutiert, das später geändert wurde?

Wir haben über die ganzen Kritikpunkte, die sachlich formuliert wurden, auch diskutiert und uns damit auseinandergesetzt, was wir immer tun. Wir sind hervorragend aufgestellt, haben eine exzellente Position, es ist also nicht so, dass sich dadurch automatisch etwas ändern muss. Aber wir haben Diskussionsanregungen mitgenommen und wollen künftig zum Beispiel Grundschüler stärker in den Fokus nehmen ohne die Vorschüler und Preteens zu vernachlässigen.

Wie wollen Sie diese Zielgruppe verstärkt ansprechen?

Die Grundschüler sind für uns spannend und herausfordernd, weil sie sich schon nach oben orientieren und gleichzeitig Inhalte haben wollen, die ihr Kindsein verstärken. Gleichzeitig entscheidet sich in dieser Zeit sehr viel: Der Wechsel von der Vor- in die Grundschule, dann der Wechsel in die weiterführende Schule. Und in dieser Zeit entscheiden sich auch viele Kinder, ob sie überhaupt noch linear gucken und wenn ja, was. Ziel ist es, die Inhalte passgenauer für die jeweiligen Zielgruppen zu produzieren und in unterschiedlichen Plattformen zu platzieren.

Super RTL hat zuletzt erklärt, dass das lineare TV nur noch einer von vielen Verbreitungswegen ist. Stattdessen setzt man stark auf Apps. Welche Bedeutung hat das lineare Fernsehen überhaupt noch für die Kinder?

Das lineare Fernsehen ist für die Kinder nach wie vor eine feste Bank. Und KiKA mit seinen Inhalten sowieso, aber natürlich sind wir vorwärtsgewandt und auch an uns geht die Digitalisierung nicht vorbei. Wir sind auf unterschiedlichen Plattformen aktiv und suchen uns sehr gezielt aus, wo wir unsere Inhalte platzieren möchten. Wir werfen nicht mal eben fünf Apps in den Markt und schauen, was funktioniert. Das kann man machen, aber wir haben da eine andere Herangehensweise. Wir schauen ganz genau, wie wir unsere eigenen Plattformen stärken können. Ende des letzten Jahres sind wir zum Beispiel mit der KiKANiNCHEN-App herausgegangen. Da geht es jetzt darum, diese beliebte App weiter erfolgreich zu halten und sich nicht auf verschiedenen Hochzeiten zu vertanzen.

"Wir werfen nicht mal eben fünf Apps in den Markt und schauen, was funktioniert."

Was heißt "erfolgreich" genau? Wie erfolgreich ist die App?

Seit dem Start am Nikolaustag wurde die App schon 447.000 Mal heruntergeladen, das ist ein toller Wert. Nun wollen wir Inhalte nachschieben und weiterhin attraktiv halten. Außerdem sind wir gerade dabei, unsere Mediathek auf mobile Füße zu stellen. Wir starten heute mit dem HbbTV-Angebot, das wir komplett überarbeitet haben. Im Herbst folgt der KiKA-Player, unsere Mediatheken-App, die in gängigen Stores verfügbar sein wird. Da wollen wir auch mit Produktionen wie "Schloss Einstein", "Jungs-WG" und "Mädchen-WG" punkten und diese entsprechend prominent und verlässlich anbieten. Wir haben nicht so viele Gefäße wie andere. Aber mit den Gefäßen, mit denen wir uns an die Kinder wenden, müssen wir verlässlich sein.

Die Mediatheken-App kommt relativ spät. Super RTL experimentiert da schon seit einiger Zeit und selbst Youtube hat bereits seit einem Jahr eine App nur für Kinder. Wieso zieht der KiKA jetzt erst nach?

Unsere Strategie ist, erst mit etwas herauszugehen, wenn wir damit zufrieden sind und der Content gut dargestellt wird. Wir wollen nicht mit unfertigen Dingen an den Start gehen. Das will ich auch niemand anderem unterstellen, aber wir brauchen da einfach eine bestimmte Entwicklungszeit und haben uns diese auch genommen. Wir haben zum Beispiel den Kontakt zu den Kindern gesucht und einen Usability-Test gemacht, um Nutzungsgewohnheiten und Nutzungsverläufe zu untersuchen. Dabei haben wir sehr viel gelernt und das wollen wir jetzt passgenau so umsetzen, sodass es für die Kinder einen Mehrwert bringt und Spaß macht.

Was sind denn die Key-Learnings aus der Studie?

Wir haben gemerkt, dass die Kinder durch die Bank weg digital sehr fit sind. Das heißt, sie finden sich schnell in eine neue App hinein. Gleichzeitig sind sie schnell weg, wenn etwas nicht funktioniert. Da bauen sie instinktiv eine Abwehrhaltung auf. Das war für uns ein wesentlicher Punkt, um zu sagen, dass wir absolut sicher sein wollen. Es gibt nie eine Garantie, aber deshalb haben wir uns so viel Zeit gelassen. Den Usability-Test wollen wir fortführen, um die App zukunftsfähig zu halten.

"Wir haben nicht so viele Gefäße wie andere. Aber mit den Gefäßen, mit denen wir uns an die Kinder wenden, müssen wir verlässlich sein."

Mal ganz grundsätzlich gefragt: Worauf kommt es heutzutage an, wenn man Kinderfernsehen macht?

Wir sind als KiKA ein verlässlicher Partner für die Kinder – sei es im Programm oder als Ansprechpartner. Ich freue mich sehr, dass wir hier bei uns in Erfurt täglich Kindergruppen haben, die uns besuchen und denen wir zeigen können, wie wir arbeiten und wie Programm entsteht. Wir wollen auf allen Ebenen Ansprechpartner für die Kinder sein und ihnen Verlässlichkeit bieten. Wichtig ist außerdem, den Kindern eine gewisse Vielfalt in den Genres anzubieten. Gleichzeitig wollen wir die Kinder herausfordern und dazu animieren, ein Teil des Programms zu werden. Ein ganz wesentlicher Punkt für mich ist: Wie schaffen wir es in unserem linearen Angebot, neben den vielen anderen Angeboten, die es auf allen möglichen Ausspielwegen gibt, so stark zu bleiben, wie wir derzeit sind?

Und was ist Ihre Antwort darauf?

Der Live-Aspekt ist für uns ganz wichtig. Davon gab es in den Anfangsjahren von KiKA mehr als in den vergangenen Jahren. Nun wollen wir unser Angebot in diesem Bereich ausbauen. Wir hatten im ersten Halbjahr unsere Spielshow "Dreamteam", bei der wir die Kinder direkt mitgenommen haben, indem sie live mitvoten konnten. Vom ZDF hatten wir das Live-Finale von "Dein Song" und wir werden in unserem kommenden Themenschwerpunkt unser Medienmagazin "Timster" an vier Tagen live ausstrahlen, um Kinder partizipieren zu lassen. Auch werden wir in diesem Jahr eine große Live-Weihnachtsshow produzieren.

Sind die verstärkten Investitionen in das lineare Live-Programm und der Ausbau der digitalen Angebote die größten Herausforderungen des KiKA? Wo gibt es noch Handlungsbedarf?

Wir haben eine gute Marktposition. Die Herausforderung wird sein, diese Ausgangslage zu halten und weiterhin den Content so zu stärken, dass wir eine Relevanz bei den Kindern haben - egal auf welchen Ausspielwegen.

Was sind denn die Programm-Highlights, die der KiKA seinen Zuschauer in der neuen TV-Saison bietet? Worauf können sich die Kinder freuen?

Wir haben wieder einen sehr starken Herbst mit vielen Premieren und starten da zunächst mit dem Themenschwerpunkt "Abenteuer digital", beginnend mit dem "Goldenen Tabaluga" vom ZDF ab 10.9. Zentral ist hier das Medienmagazin "Timster" platziert, dass die Wissensformate von ARD und ZDF täglich vertieft. Erfolgreich sind auch die Dokusoaps am Abend für die älteren Kinder. Der RBB steuert mit den "Twin Teams" ein neues Format bei, im Mittelpunkt stehen Zwillinge, die sich in außergewöhnlichen Challenges gegen konkurrierende Zwillingspärchen durchzusetzen müssen. Darüber hinaus bekommen wir die wunderbare Actionserie "Find me in Paris", bei der das ZDF als Ko-Produzent mit an Bord war. Darin geht es um ein junges Mädchen, das Ballett tanzt und aus dem Jahr 1905 plötzlich ins 21. Jahrhundert befördert wird. Diese Serie spricht eher die Pre-Teens an und wird daher auch nach 20 Uhr laufen. Und natürlich geht es auch mit "Die beste Klasse Deutschlands" und "Dein Song" weiter, da starten wir bereits jetzt mit der Castingphase. Ganz neu sind die "Sportmacher", die wir ab Ende September in den Abend holen.

Der Sport regiert auch das Kinderprogramm. Was ist das genau für ein Format?

Die "Sportmacher" ist ein neues ZDF-Magazin, das wir immer donnerstags um 19:25 Uhr zeigen werden. In dem moderierten Format geht es um die Vielfalt von Spiel und Bewegung, vom Breitensport über Urban Sports bis zu E-Sports. Ich freue mich sehr darüber, weil das eine Programmfarbe ist, die wir ausbauen können. Damit stärken wir unser Wissensportfolio, in diesem Bereich gibt es unter anderem mit "Wissen macht Ah!" vom WDR und dem "Checker" vom BR natürlich ebenfalls neue Folgen.

"Unser Programmbudget ist relativ stabil, damit können wir gut arbeiten und unseren Aufgaben gerecht werden."

Beim Themenschwerpunkt ging es in den vergangenen Jahren um gesellschaftspolitische Themen wie Integration und Umweltschutz. "Abenteuer digital" geht da ja in eine etwas andere Richtung, warum haben Sie sich das Thema ausgesucht?

Ich finde nicht, dass es in eine andere Richtung geht. Das große Überthema ist ja immer "Respekt für meine Rechte". Digitalisierung ist ein gesellschaftlich relevantes Thema, das Kinder besonders betrifft. Es geht schon mit der Frage los, ob man ein Smartphone in der Schule nutzen darf. Auch der ganze Bereich des Datenschutzes und die Frage der Rechte, die Kinder im Internet haben, fallen darunter.

Bei ihrem Amtsantritt haben Sie mögliche Kooperationen mit Funk angekündigt. Wie ist da der Status Quo? Mit der "Wohngemeinschaft" gab es ja schon ein entsprechendes Projekt.

Genau, die "Wohngemeinschaft" vom ZDF hat sich aus einer starken Marke heraus entwickelt. Mit unseren Sendungen "Jungs-WG" und "Mädchen-WG" sind wir sehr zufrieden, da geht es bei KiKA natürlich auch weiter. Wir befinden uns mit funk im kollegialen Austausch, konkrete weitere Ansätze gibt es derzeit nicht, aber natürlich halten wir die Augen offen und schauen, bei welchen Marken eine Zusammenarbeit sinnvoll wäre.

Als Senderchefin haben Sie ja nicht nur mit dem Programm zu tun, sondern beschäftigen sich verstärkt mit administrativen Dingen. Als öffentlich-rechtlicher Sender geht es vermutlich auch beim KiKA um Spar- und Strukturmaßnahmen. Wo steht der KiKA in diesem ganzen Prozess?

Der Kinderkanal von ARD und ZDF ist ein wesentlicher Punkt im Angebotsportfolio des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, das muss man vorausschicken. Was man bei den Kindern sät, wird man irgendwann mal ernten. Kinder mit starken Angeboten zu füttern, ist ganz wesentlich, und das ist überhaupt ein Auftrag für die gesamte Gesellschaft: Wie gehen wir mit Kindern um und welchen Stellenwert haben sie in der Gesellschaft? Wir versuchen mit unserem Programm Ansprechpartner zu sein und wollen zeigen, wie relevant Kinder in unserer Gesellschaft sind. Unser Programmbudget ist relativ stabil, damit können wir unseren Aufgaben gerecht werden und unter anderem in die digitalen Herausforderungen investieren. 

Es gibt also keinen verstärkten Spardruck beim KiKA?

Natürlich gibt es inzwischen mehr Ausspielwege als früher. Wir müssen ganz genau abwägen, wo wir überall vertreten sein wollen, wobei das nicht nur eine Budgetfrage ist. Es geht darum, zu schauen, wo es am meisten Sinn macht, finanzielle Aufwendungen zu platzieren, um Kinder bestmöglich zu erreichen. Das auszutarieren und immer die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist eine Herausforderung. 

Frau Plenk, vielen Dank für das Gespräch!