Herr Abdallah, wie wurde aus einem Rugbyspieler der Wissensvermittler von ProSieben?

Aus dem Rugbyspieler wurde zunächst ein Mensch des Fernsehens an sich und erst später ein Mensch des Wissensfernsehens. Während meiner Uni-Zeit habe ich als Kabelträger gearbeitet und über mein Studium den Weg in die Regie gefunden. Danach bin ich über den Job des Cutters in eine Sportredaktion gekommen. Dann habe ich als moderierender Redakteur den Schritt vor die Kamera gemacht. 1998 wurde ich dann von ProSieben zum Casting für "Galileo" eingeladen – rückblickend betrachtet ein sehr glücklicher Tag für mich.

Was war das für eine Zeit, in der "Galileo" Premiere feierte?

Die Sendung war damals ohne Werbung kaum länger als 17 Minuten. In der öffentlichen Wahrnehmung hatten wir es damals schwer, weil einige Menschen der Meinung waren, ein Wissensmagazin passe nicht so recht zum Spielfilm- und Seriensender ProSieben. Im Laufe der Jahre haben wir glücklicherweise bewiesen, dass das Gegenteil der Fall ist, auch wenn das Geschäft seither wesentlich härter geworden ist. 

Was meinen Sie damit?

Als "Galileo" startete, spielte das Internet kaum eine Rolle. Es gab keine YouTube-Channels, auf denen Wissen vermittelt wurde. So gesehen besaßen wir ein Alleinstellungsmerkmal, das es in dieser Form nicht mehr gibt. Deshalb geht es uns inzwischen auch sehr stark darum, die Menschen über die Themen zu informieren, die aktuell wichtig sind – nicht im Stile der Nachrichten, sondern in unserer ganz eigenen Art, in der Sprache, die unsere Zuschauer sprechen. Dabei hilft uns unter anderem unser Block mit tagesaktuellen Themen gleich zu Beginn der Sendung. Denn so wie sich die Gesellschaft und ihre Themen verändern, verändert sich auch "Galileo".

Welche Themen würden Sie heute nicht mehr bei "Galileo" machen?

Wir haben uns mal an einer Wissenssoap versucht, das würde es so heute auf keinen Fall mehr geben. Bei allen anderen Themen bin ich der Meinung, dass man sie noch immer machen kann. Man muss sich nur überlegen, wie man sie heute umsetzt, wie man die Fragen neu und zeitgemäß beantworten kann.

"Wenn es uns gelingt, das Interesse der Zuschauer an den Themen zu wecken, dann haben wir gewonnen."
Aiman Abdallah

Was hat sich konkret gewandelt?

Das betrifft viele unterschiedliche Faktoren. In den ersten Jahren waren zum Beispiel Grafiken noch unbezahlbar und technisch nur sehr schwer umsetzbar, deshalb war es ein riesiger Schritt für uns, als wir in unserer Sendung vermehrt Grafiken einsetzen konnten. Ein anderes Beispiel: In den letzten Jahren haben wir Drohnen beim Dreh eingesetzt. Wir sind also immer bemüht, die Bildsprache und die Art, wie wir Geschichten erzählen, anzupassen. Und wir sind noch mehr als früher in der ganzen Welt unterwegs. Wir drehen inzwischen alles selbst und sind dadurch in der Lage, die Beiträge mit unserer eigenen Handschrift zu versehen.

Zum Start hatten Sie sehr wenig Zeit. Müsste dieses Konzept in Wirklichkeit nicht viel besser zum Fernsehverhalten der jetzigen Generation passen als die mitunter langen Stücke, die "Galileo" heute zeigt?

Kurz und knapp ist gut, aber in diesen Tagen spielen auch Relevanz und Glaubwürdigkeit eine immer größere Rolle – auch, weil die jungen Menschen politischer geworden sind. Das kann man meistens nicht in einem kurzen Beitrag darstellen. Mit der Zeit kam daher der Wunsch auf, verstärkt in die Tiefe zu gehen. Natürlich kann man danach keine Doktorarbeit über das Thema schreiben, aber wenn es uns gelingt, das Interesse der Zuschauer an den Themen zu wecken, dann haben wir gewonnen.

Heute sendet "Galileo" an fast jedem Tag im Jahr. Wie oft muss man sich da wiederholen – und wie oft darf man sich wiederholen?

Man muss sich tatsächlich teilweise inhaltlich wiederholen, weil nicht jeder Zuschauer jeden Tag einschaltet und bestimmte Fragen auch immer wieder relevant werden. Wir finden dabei immer wieder neue Ansätze, um Antworten zu geben. Unabhängig davon haben wir den Wiederholungsanteil im Vergleich zu früheren Jahren sehr stark zurückgefahren. Auch da hören wir sehr genau auf das Feedback der Zuschauer.

Aiman Abdallah, Funda Vanroy, Stefan Gödde© ProSieben/Benedikt Müller

Aiman Abdallah mit seinen "Galileo"-Moderationskollegen Funda Vanroy und Stefan Gödde

Sie sprachen vorhin bereits die Konkurrenz aus dem Internet an. Wie kann sich "Galileo" dagegen wappnen. 

Natürlich ist lineares Fernsehen das Mutterschiff, für das wir in hoher Qualität unsere Inhalte erstellen. Für die Zukunft der Marke ist es allerdings extrem wichtig, nicht nur thematisch, sondern auch technisch auf dem neuesten Stand zu sein. Wir haben schon sehr früh damit begonnen, unsere Inhalte zum Abruf bereitzustellen. Inzwischen bespielen wir nicht nur eine Website, sondern haben auch Podcasts und eine App, sind mit einem Skill auf der Alexa vertreten. Die Sehnsucht nach Antworten wird immer da sein – nur wo man sich die Antworten holt, wird sich in den nächsten Jahren von dem unterscheiden, was wir bisher kannten. Wir hoffen, dass die Zuschauer aber auch dann immer auf "Galileo" treffen werden.

Ist in all den Jahren ein Zweifel gekommen, dass "Galileo" am Ende seines Lebenszyklus angekommen sein könnte?

Natürlich erlebt man Zyklen, gerade in unserer Branche. Wenn etwas von den Zuschauern nicht angenommen wird, muss man sich die Frage stellen, was schiefgelaufen ist und was wir ändern müssen. Wir hatten beispielsweise eine sehr lange und erfolgreiche Zeit mit Produktionsberichten oder Berichten über Großtransporte. Das war aber irgendwann ausgelutscht und dann haben wir neue Bereiche in den Fokus genommen. Um herauszufinden, was die Zuschauer sehen wollen, braucht es einen ständigen Austausch mit ihnen. Stillstand bedeutet für uns immer Rückschritt, deshalb überlegen wir heute schon, was wir nächstes Jahr machen können.

Im Zweifel gibt es noch den Sport, so wie jüngst bei ProSieben Maxx.

Ich war für ProSieben Maxx bei den WM-Qualifikationsspielen der deutschen Rugby-Nationalmannschaft als Moderator mit dabei. Das war die Erfüllung eines Jugendtraums, weil ich meine Leidenschaft für Rugby und das Fernsehen zusammenbringen konnte. Hätten Sie mir das in meinen Jugendjahren erzählt, hätte ich Sie für verrückt erklärt.

Welchen Traum haben Sie mit Blick auf "Galileo"?

Zum 20. Geburtstag wünsche ich mir, dass wir mit "Galileo" auch den 25. Geburtstag feiern können.

Herr Abdallah, vielen Dank für das Gespräch.