Was war anstrengender: Eine zweite Staffel nach dem großen Erfolg der ersten - oder tagelang alle 15 Minuten einem anderen Journalisten vermutlich ähnliche Fragen zu ihrer Serie zu beantworten?

Amy Sherman-Palladino: (lacht) Also diese Interviews sind schon auf ihre Art anstrengend, weil man sich selbst oft die gleichen Dinge sagen hört, aber auch nicht wie eine Maschine klingen will. Aber sehen Sie: Ich genieße Monate nach den Dreharbeiten für die zweite Staffel die Gelegenheit mit unserem wunderbaren Cast unterwegs zu sein und wir sind lange genug in Mailand und hatten abends auch schon Gelegenheit gemeinsam essen zu gehen.

Daniel Palladino: Wir sind es ehrlich gesagt auch gar nicht so gewöhnt, dass sich die Presse so sehr für uns interessiert. Das ist auch das erste Mal, dass wir mit so vielen internationalen Journalistinnen und Journalisten sprechen. Die Frage sind einfach…

Amy: …anders. Die Fragen sind anders. Ich finde das total spannend.



Was ist denn so anders an den Fragen der nicht-amerikanischen Presse?

Amy: Sie sind anders, ich weiß auch nicht. Man merkt zum Beispiel, dass diese Zeit der späten 50er Jahre in denen wir erzählen, rund um die Welt anders wahrgenommen wird. Wir erzählen eine stilisierte Welt eines gediegenen New York, während Europa sich beispielsweise zu der Zeit noch vom zweiten Weltkrieg erholte. Also kommen Fragen wie „Glauben Sie, dass sich unsere Zuschauerinnen und Zuschauer mit der Geschichte identifizieren können?“ und sowas. Ich habe in diesen beiden Tagen ganz neue Sichtweisen auf unsere Serie gewonnen.

Daniel: Zu Ihrer Frage nach dem Druck der zweiten Staffel: Amazon hat ganz am Anfang in unsere Vision für die Serie investiert und der Druck, zu liefern was wir ihnen versprochen haben, war bei der zweiten Staffel kein anderer als bei der ersten, was auch daran liegt, dass direkt zwei Staffeln bestellt wurden und wir ja auch schon 4000 Jahre in diesem Business sind. Die Auszeichnungen? Die waren natürlich fantastisch. Es ist wirklich schön von so vielen Seiten so unmittelbar Anerkennung zu erfahren. Das war neu für uns.

Amy: (lacht) Wie wahr.

Amy Sherman-Palladino© Amazon
Sie spielen auf „Gilmore Girls“ an? Die Serie hat zwar viele Fans gewonnen, aber nie einen der großen Preise gewinnen können. Da war „The Marvelous Mrs. Maisel“ eine ganz andere Erfahrung jetzt…


Amy: Das ist genau das Ding. Bei den "Gilmore Girls" hatten wir eine stille Armee leidenschaftlicher Fans, aber die wahr vergleichsweise klein. Fast zehn Jahre nach der letzten Staffel hat Netflix die Serie online genommen und dann wurde es auf einmal eine große Sache. All die Jahre als die Serie damals im Fernsehen lief, hat der tolle Cast - sei es Lauren Graham oder Kelly Bishop - nie die Anerkennung bekommen, die sie verdient gehabt hätten. Und selbst die Serie an sich bekam eigentlich lange nach der letzten Erstausstrahlung erst eine größere Aufmerksamkeit. Und dann ging die erste Staffel von „The Marvelous Mrs. Maisel“ online und als wir am gleichen Tag schon so viel positives Feedback bekamen war ich ganz ungläubig: „Was, die haben das alles schon gesehen?“ Keine sechs Wochen später kamen dann die Golden Globes.

Wann hatten Sie denn zum ersten Mal das Gefühl: Mensch, diese Serie könnte was werden; das funktioniert?

Daniel: Eigentlich waren wir schon beim Dreh der Pilotfolge ziemlich zuversichtlich, dass die Idee der Serie aufgeht.

Amy: …und das ist ja eigentlich auch schon alles, was man von kreativer Seite aus beeinflussen kann.

Daniel: Wir haben beim Schreiben dann auch schnell gemerkt, dass wir keinerlei Probleme damit haben, neue Geschichten in dieser Welt aufs Papier zu bringen. Das ist ein unglaublich befriedigendes Gefühl, wenn es einfach läuft und man im Schreibfluss ist. Letztlich ist das Gefühl, dass das was wir hier gerade machen, gut funktioniert, eine schleichend wachsende Erkenntnis. Aber wie Amy schon sagt: Ob das dann auch ankommt? Wie oft fällt im Wald ein Baum um und niemand hört es? Bei fast 500 Serien im Jahr auf dem US-Markt ist die Zeit und Lust des Publikums limitiert und durchzudringen, das große Mysterium.

Und wie hat „The Marvelous Mrs. Maisel“ es geschafft?

Daniel: Ich glaube, dass „The Marvelous Mrs. Maisel“ anders genug war um aufzufallen und denen die es angeschaut haben, hat es sehr gut gefallen. In der Sache waren wir uns sicher: Wer es erst einmal schaut, wird sich verlieben. Und davon erzählt man Anderen. Das ging dann sehr schnell, weil die Serie einfach für jeden ist. Jedes Geschlecht, jedes Alter.

"Das hatte was von Theatercamp in den Sommerferien. Nur länger - und mit ein bisschen mehr Budget."

Amy Sherman-Palladino über die kompakten Arbeiten an gleich zwei Staffeln am Stück

Traditionell ist die zweite Staffel das schwierigste, was man produzieren kann. Plötzlich hat jeder eine Meinung und alle eine Erwartung. Wie erging es Ihnen?

Amy: Es hat uns in der Hinsicht sehr geholfen, dass wir gleich an der zweiten Staffel gearbeitet haben. Wir waren durchgängig in unserem Maisel-Kokon und zwei Tage vor den Emmys alles fertig im Kasten hatten. Wir waren wirklich Samstagmorgen um 4.30 Uhr morgens fertig, sind sonntags nach Los Angeles geflogen und Montag waren die Emmys. Natürlich hat jeder Fan einer Serie eine Meinung, das ist wunderbar. Das spielt aber keine große Rolle. Und in unserem Umfeld, auch von Amazon kam jetzt keine Einflussnahme. Da kam niemand und sagte „Okay, die erste Staffel haben wir Euch ja mal machen lassen, aber jetzt machen wir die Ansagen und ‚Marvelous Mrs. Maisel‘ braucht einen sprechenden Hund. Wir brauchen einen sprechenden Hund. Und irgendjemand kann plötzlich fliegen.“

Daniel: Warten Sie ab. Folge 8, da kommt der sprechenende Hund. Ich sag’s Ihnen (lacht).

Amy: Wir haben einfach weitergemacht wie schon bei der ersten Staffel. Das war sehr schön und die Produktion von zwei Staffeln so kurz hintereinander hat uns alle als Team auch eng zusammengebracht. Das hatte was von Theatercamp in den Sommerferien. Nur länger - und mit ein bisschen mehr Budget (lacht).

Ich erinnere mich an Ihre Aussage im Media Center nach dem Emmy-Sieg als sie den Unterschied von Amazon zu klassischen Sendern mit den Worten „Amazon schreibt Schecks wie verrückt“ umschrieben.

Amy: Ja, das tun sie. Sie weinen sehr leise und schreiben tapfer weiter Schecks.

Für die zweite Staffel noch ein bisschen mehr als vorher, so scheint es mir. Sie sind nach Paris gereist, haben in den Catskills gedreht...

Amy: Wissen Sie, es fühlt sich vielleicht so an, aber wir hatten kein größeres Budget. Also im Sinne das es diesmal zehn statt acht Folgen sind, schon. Aber ansonsten hat der Erfolg und all die Anerkennung keine Auswirkungen auf unsere Pläne und das Budget gehabt. Die Szenen in den Catskills (150km nördlich von New York City, Anm. d. Red.) waren kostspielig, weil wir dort oben länger gedreht haben und die ganze Crew vor Ort unterbringen mussten. Aber das war im Budget. Das war schon in der ersten Staffel sehr großzügig bemessen.

Daniel Palladino© Amazon
Sprechen wir inhaltlich über die zweite Staffel, die nach Sichtung der ersten fünf Folgen die Welt rund um Midge Maisel öffnet: Wir lernen mehr über die Menschen um sie herum. Ist das das Ziel der zweiten Staffel?

Amy: Ja.

Daniel: Ein bisschen. Ich weiß allerdings nicht, ob die zweite Staffel in der Hinsicht anders ist. „Mrs. Maisel" sollte immer eine Familienserie sein, es ging nie darum eine Serie über eine junge Frau zu machen, die sich als StandUp-Comedian probiert. Damit hätten wir uns sehr limitiert. Natürlich geht es bei uns ums Showbiz, was immer ein risikoreiches Thema für eine Serie ist, weil sich damit nicht jeder identifizierne kann und sich die Branche manchmal zu sehr um sich selbst dreht. Wir wollen anhand der überraschenden Karriere von Midge die Geschichte einer Familie zwischen gesellschaftlichen Erwartungen jener Zeit und persönlichen Zielen erzählen. Das haben wir auch schon in der ersten Staffel getan.

Amy: Staffel 2 ist Tsnuami-Saison bei „The Marvelous Mrs. Maisel“. Es wird viel durcheinandergewirbelt durch das, was Midge durch ihre Entscheidungen für eine Standup-Karriere ausgelöst hat. Sehen Sie, damit eine Serie länger überlebt, braucht es genügend Schauplätze zu denen man wechseln kann, damit sich mehr entfalten kann. Hätten wir eine weitere Staffel mit so starkem Fokus auf Midge gemacht, dann hätte es sich möglicherweise irgendwie wiederholt. Dann wäre die zweite Staffel vielleicht die letzte geworden. Wissen Sie, es liegt nicht an Rachel (Brosnahan): Ich könnt ihr Stunden dabei zuschauen, wie sie das Telefonbuch vorliest. Aber wir haben einen derart hochkarätigen Cast, dass wir nichts verschenken wollen. Mit der ersten Staffel haben wir der Welt die wunderbare Mrs. Maisel vorgestellt und jetzt stellen wir die Welt der Mrs. Maisel vor.

Midge ist ein ungewöhnlich positiver Charakter. Egal ob Erfolg oder Scheitern - sie kann allem etwas Positives abgewinnen und glaubt unbeirrbar an sich. Ist dieser Optimismus das Geheimnis der Serie?

Amy: Ganz bestimmt. Midge ist eine sehr selbstbewusste Frau, die dem Leben immer zuerst das Positive abgewinnt. Das war unser erklärtes Ziel: Sich dank Midge in die Serie verlieben, die für eine Stunde trotz dramatischer Entwicklungen letztlich ein Lächeln ins Gesicht zaubert. „Marvelous Mrs. Maisel“ ist wie ein gutes Glas Rotwein vor dem Schlafengehen. Das war immer unsere Vorstellung für die Tonalität der Serie.

Daniel: Wir Drehbuchautoren haben manchmal das Problem, dass wir in einem Drama nur zu gerne den Konflikten verfallen und vergessen, auch die schöne Momente auszuarbeiten. Hier sorgen wir also mal dafür, dass diese Momente klar zu erkennen sind. Die Qualität einer Serie macht sich nicht an ihrer Schwere fest.

Amy, Sie haben auf der Pressekonferenz zur Premiere der zweiten Staffel durchklingen lassen: Es geht nach der zweiten Staffel weiter?

Amy: Oh ja, wir starten im Januar. Der Writers Room ist schon verabredet.

Amy, Daniel, herzlichen Dank für das Gespräch.

Die zehnteilige zweite Staffel von "The Marvelous Mrs. Maisel" ist seit heute im englischen Original bei Amazon Prime Video abrufbar. Die deutsche Synchronfassung folgt Anfang 2019.