Frau Bilke, als DWDL.de im Frühjahr vorab über Ihre neue Aufgabe als Senderchefin bei ZDFneo berichtete, fragten sich viele in der Branche: Wer ist Nadine Bilke? Ich gebe die Frage einfach mal direkt weiter…

Ich war beim ZDF zuvor in der Hauptredaktion Neue Medien und habe als Journalistin bei den Online-Nachrichten angefangen; ich habe ja auch eine klassische Ausbildung, also Volontariat bei der Zeitung und ein Journalistikstudium. Über die Veränderungen der Medienbranche, auf die das ZDF früh mit der Mediathek reagiert hat, bin ich genau dort gelandet. Bei der Mediathek stand, wie auch bei ZDFneo, die Zielgruppe der 25- bis 49-Jährigen im Fokus. Die fiktionalen Programme des Hauses waren bei uns online sehr gefragt, aber auch das „Neo Magazin Royale“ läuft stark in der Mediathek, also kenne ich manche Neo-Programme schon sehr gut aus diesem zweiten deutschen Internet. Die Mediatheken-Jahre haben mich dann der Vielfalt der Fernsehgenres näher gebracht.



Wenn Sie jahrelang für die Mediathek verantwortlich waren, dann verraten Sie mir doch bitte: Welchen praktischen Mehrwert hat dann noch ein lineares Programm wie ZDFneo?

Also: Die Mediathek liegt mir sehr stark am Herzen und ist auch für Neo sehr wichtig. Ich bringe die Expertise, wie man im Netz eine jüngere Zielgruppe an unsere Programmvielfalt heranführt, mit ins lineare Fernsehen, wo ich natürlich auch noch viel dazulerne. Ich bin da aber auch nicht dogmatisch. Mir ist es egal, wo und wie jemand ein ZDFneo-Programm schaut und freue mich gerade zum Beispiel sehr über die Strategie bei „Parfum“: Zuerst bei ZDFneo und zum Bingewatching in der Mediathek, dann im Januar auch im Hauptprogramm.

Sie sagten, es sei Ihnen egal ob jemand linear oder on demand schaut?

Grundsätzlich ja. Mir ist das egal. Noch allerdings erreichen wir linear mehr Menschen als über die Mediathek, wobei es auch einfach unterschiedliche Nutzer sind. Linear sind wir die familieneigene Alternative zum Hauptprogramm und bekommen Zuschauer von dort, während zeitsouveräne Fernsehnutzer die alles on demand machen, unter Umständen gar keinen Zugriff auf lineare Programme haben und diese Aufbereitung auch gar nicht suchen.

Ein schwieriger Spagat: Einst sollte ZDFneo die Experimentierfläche sein, aber profitiert nun am meisten bei Übernahmen bekannter Inhalte aus dem Hauptprogramm…

Natürlich hat ZDFneo Zuschauer, die über das ZDF kommen und dann Zuschauer, die gezielt nur uns einschalten und dem Hauptprogramm gar nicht so verbunden sind. ZDFneo ist ja als synergetisches Projekt geplant und gestartet. „Bares für Rares“ zum Beispiel erreicht bei ZDFneo auch ein sehr junges Publikum, durchaus schon mal 5 Prozent Marktanteil in dieser Zielgruppe. Aber wir haben auch coole Lizenzprogramme und natürlich die exklusiven ZDFneo-Produktionen aus Entertainment, Factual und Fiction. Und der Reiz eines linearen Programms, um die Frage nochmal aufzugreifen, liegt darin, Zuschauerinnen und Zuschauer eines linearen Programms im Anschluss mit Programmen zu überraschen, die sie vielleicht nicht bewusst ausgewählt hätten. Einen Mix herzustellen und Menschen heranzuführen an Inhalte, das ist ein Reiz des Linearen.

Wenn selbst „Das Parfum“ sowohl bei ZDFneo als auch im ZDF läuft - wo ist da die programmliche Unterscheidung zum Hauptprogramm?

Wir schauen bei ZDFneo bei allen Stoffen drauf, ob es die Marke Neo tragen kann. Bei bestimmten Stoffen hat ZDFneo eine bestimmte Schnittmengen mit Formaten aus dem Hauptprogramm, weil auch das Hauptprogramm ja neue Wege geht, wenn man zum Beispiel an „Bad Banks“ oder vor einiger Zeit schon „Blochin“ denkt. Aber es wird nie eine komplette Deckung sein, dafür machen wir ja zahlreiche Programme, die ganz originär und exklusiv für ZDFneo gedacht sind. Wenn sich dann zeigt, dass zum Beispiel „Kessler ist…“ oder Jan Böhmermann bzw. „Prism is a dancer“ gut im ZDF funktioniert, ist das toll. Aber Sie können sicher sein: Entwickelt hat sich das alles erst einmal bewusst bei ZDFneo, da hat man am Anfang sicher nicht daran gedacht, dass das auch mal beim ZDF laufen könnte. Und unser Factual-Highlight „No more boys and girls“ ist vom Genre her zwar sicher auch dem ZDF sehr nahe, aber in Aufbereitung und Sendeplatz ganz Neo.

Früher war die Quote am nächsten Morgen ein finales Urteil. Die Branche bzw. AGF hält auch weiterhin an diesen Zahlen fest, aber wann sollte Ihrer Meinung nach eine Produktion heute bewertet werden, um die veränderte Mediennutzung vernünftig abzubilden?

Es muss definitiv eine kombinierte Betrachtung von linearer Fernsehnutzung und On-Demand-Nutzung sein und natürlich sammeln Produktionen wie „Das Parfum“ aber auch unsere internationale Koproduktion „Greyzone“ nach Wochen noch Sichtungen ein. Ein vorläufiges und gut vergleichbares Fazit würde sich aber sicher 7 Tage nach Erstausstrahlung ziehen lassen. Ich freue mich auch sehr, dass im Frühjahr beispielsweise „Bad Banks“ basierend auf der Perfomance in der Mediathek fortgesetzt wurde.

Wir sprachen schon über fiktionale Programme von ZDFneo. Da hat schon Simone Emmelius das Tempo und die Dosierung erhöht. Auf dem Kurs bleiben Sie?

Wir werden definitiv weitermachen mit ZDFneo-Fiction, unseren Neoriginals. Der Erfolg der europäischen Koproduktion „Greyzone“ mit rund drei Millionen Abrufen in der Mediathek hat uns darin noch einmal bestärkt. Aber auch mit den Auftragsproduktionen geht es weiter: Die nächsten Stoffe wurden schon angestoßen.