Herr Parente, Katastrophen-Serien und Filme aus Deutschland waren zuletzt oft so katastrophal, dass es eigentlich keine mehr davon gab. In der Sky-Serie "8 Tage" lassen Sie einen Asteroiden auf Europa stürzen. Worin lag für Sie der Reiz an dem Stoff?

Rafael Parente: Alle unsere Projekte zeichnen sich durch etwas Einzigartiges aus. Wir wollen mit allem, was wir machen, neue Wege beschreiten. "8 Tage" ist keine klassische Katastrophen-Serie mit vielen Special-Effects, tatsächlich ist der Asteroid in der Serie nur ganz am Ende der Staffel für drei Sekunden zu sehen. Davor geht es um die zwischenmenschlichen Geschichten, die in einem banalen Leben eines ganz normalen Menschen stattfinden. Wir blicken in verschiedene Richtungen, da geht es um Hedonismus und Altruismus und um Menschen, die kurz vor dem Ende nach dem Sinn des Lebens suchen und sich dem Glauben zuwenden. Diese ganzen Aspekte gehen wir auf verschiedenen Ebenen an. Ich glaube, dass wir uns mit unseren Projekten auch immer weit aus dem Fenster lehnen und uns damit nicht immer nur Freunde machen.

Wie meinen Sie das?

Alles, was versucht ganz anders zu sein, wird erst einmal sehr skeptisch gesehen. Das habe ich damals schon bei "Blockbustaz" gemerkt, als wir eine Sitcom in einem Hartz-IV-Milieu gemacht haben. Das betrifft auch bestimmte Genres, deshalb ist eine Grundskepsis bei "8 Tage" sehr wahrscheinlich. Zum Start hatte Sky ja auch eine Kampagne entwickelt, bei der ein Asteroiden-Einschlag bei diversen Tageszeitungen auf der Titelseite stand. Das war eine kleine Hommage an Orson Welles "Krieg der Welten", hat aber natürlich nicht jedem gefallen. Wir wollten, dass die Menschen nachempfinden, wie sich das anfühlen muss, wenn eine so einschneidende Nachricht kommt.

Können Sie die Skepsis mancher Kritiker nachvollziehen?

Ich finde, dass da mit zweierlei Maß gemessen wird. Bei einer amerikanischen Produktion kann es tausend Plot Holes geben oder Dinge, die einfach unrealistisch sind. Das wird nicht so sehr wahrgenommen, während bei deutschen Produktionen sehr genau auf sowas geschaut wird. Auch wenn hierzulande über Stereotypen geschimpft wird muss ich immer ein wenig schmunzeln. Da empfehle ich gerne eine Analyse von "Breaking Bad" bis "Modern Family". Alle guten Serien arbeiten mit Archetypen, so wie auch ich sie nennen würde. Es geht darum eine Figur auf den ersten Blick sehr klar zu zeichnen und sie erst im Laufe der Geschichte zu brechen und ihr Widersprüche zu geben. So entsteht in meinen Augen viel mehr Tiefe als wenn schon am Anfang alles nebulös ist. Aber die Auseinandersetzung mit unseren Formaten ist auch nicht schlecht, wir haben uns ja selber dazu entschieden diesen Weg zu gehen. Wir wollten auf die Kacke hauen und eine Diskussion anstoßen. Und das ist uns mit 8 Tage scheinbar wieder gelungen. Das freut mich natürlich.

"Wir wollten auf die Kacke hauen und eine Diskussion anstoßen."

Wo steht "8 Tage" verglichen mit anderen großen High-End-Serien?

Für Deutschland hatten wir sicher ein gutes Budget. Wenn man uns mit den großen internationalen Dramaserien vergleicht, sind wir im Vergleich dazu mit "8 Tage" aber eine Low-Budget-Produktion. Wenn man die Welt untergehen lassen will, schränkt einen das natürlich ein. Wir haben trotzdem versucht, so detailreich wie möglich zu erzählen. Was uns wichtig war, sind realistische Figuren in einer surrealen Welt. Bei uns gibt es keine Helden. Alle Figuren sind normale Menschen. Auch bricht nicht sofort der Dritte Weltkrieg aus. Weil ich fest daran glaube, dass die meisten Menschen in so einer Situation erst mal verdrängen und prokrastinieren. Das hat ja auch unsere Zeitungskampagne gezeigt. Da hat sich keiner ausgezogen und nackt im Regen getanzt. Man liest so eine Schlagzeile und sagt sich, soll ich jetzt mein Leben aufgeben oder warte ich erst mal ab? Aber im Laufe der Serie, wenn die Figuren merken, dass es wirklich keinen Ausweg gibt und sie die Katastrophe nicht verhindern können, wird es sehr charaktergetrieben, psychologisch und dann gehen wir echt ans Limit. Und über allem schwebt immer die Frage, was man an den letzten acht Tagen seines Lebens machen will.

Darüber haben Sie sich wahrscheinlich auch Gedanken gemacht. Was ist Ihre Antwort darauf?

Ich habe da tatsächlich viel drüber nachgedacht, genauso übrigens die Schauspieler. Es ist interessant, wie schwer man diese Frage beantworten kann. Weil es einfach so unvorstellbar ist. Das ist gleichzeitig aber auch das Tolle daran. Ich glaube, ich würde es sportlich sehen und versuchen irgendwie zu überleben. Wir haben im Zuge der Recherche auch mit einem Menschen gesprochen, der ein Sterbehospiz leitet. Der hat uns erzählt, wie sich Menschen fühlen, die dem Tod ins Auge blicken. 90 Prozent dieser Leute sagen, sie hätten zu viel gearbeitet und hätten sich lieber mehr mit Menschen umgeben, die sie wirklich lieben. Das ist eine klassische Weisheit, die in jedem Hollywood-Film erzählt wird. Sie kommt aber nicht von ungefähr.

Stimmt es, dass Sie vor acht Jahren mit den Arbeiten zur Serie begonnen haben?

Ja, das ist ein lustiger Zufall. Damals waren wir noch ganz klein und nur zu dritt. Simon (Amberger, Anm.), Korbinian (Dufter, Anm.) und ich haben damals zum ersten Mal über das Konzept nachgedacht, weil es uns begeistert hat. Wir waren damals fasziniert von Echtzeit-Serien wie "24".

"Es war irre schwer mit dem Stoff."

Aber acht Jahre sind selbst für ein Fiction-Projekt sehr lang. War es schwer, den Stoff zu verkaufen oder mussten Sie erst einmal wachsen, um die Serie überhaupt stemmen zu können?

Es war irre schwer mit dem Stoff. Wir haben vor der großen Dramawelle mit der Entwicklung begonnen, wir sind da also nicht auf einen Zug aufgesprungen. Auch "Hindafing" ist zu einer Zeit entstanden, in der sowas noch nicht en vogue war. Jetzt macht es ja jeder. Zu dem Zeitpunkt damals waren wir, zum Glück, sehr naiv und haben Sachen am Markt vorbei entwickelt. Jetzt hat uns die Zeit gewissermaßen eingeholt, da hatten wir eine gehörige Portion Glück. Aber wir wollten eben immer schon das machen, was nicht den klassischen deutschen Fernsehformaten und dessen Konventionen entspricht.

Durch den Einschlag des Asteroiden gibt es ja ein natürliches Ende bzw. eine abgeschlossene Handlung. Eine zweite Staffel ist da eigentlich nicht eingeplant, oder?

Es stimmt, wir erzählen das sehr konsequent zu Ende. Es gibt kein großes Happy End. Die Frage einer möglichen Fortsetzung ist interessant. Wir haben viel recherchiert und mit einem Wissenschaftler der ESA gesprochen. Der forscht mit seinem Team ausschließlich an Möglichkeiten, ein solches Szenario zu verhindern. Das hört sich zwar alles wie ein Hollywood-Plot an, aber es ist schon tausend Mal passiert und es wird wieder passieren. Ich habe den Wissenschaftler gefragt, was dann geschehen würde.  Der Einschlag eines Asteroiden wäre demnach eine globale Katastrophe, jedes Land wäre betroffen. Aber wir Menschen sind nicht wie die Dinosaurier, wir können Strom erzeugen, Bunker bauen und Lebensmittel konservieren. Es würde also Menschen geben, die diesen Impact überleben. Die Frage ist dann nur, ob man das will. Und das ist ja im Prinzip eine Steilvorlage für eine zweite Staffel. Das wird sich zeigen. Ich wäre auch zufrieden, wenn es bei der Miniserie bleibt. Aber es gibt durchaus Optionen für eine Fortsetzung.

Auf Seite zwei spricht Rafael Parente über die Verschiebung der Serie durch Sky, neue Projekte und den Geschäftsbereich Werbung.