Frau Maitz, Sie feiern mit Studio.TV.Film in diesen Tagen Geburtstag. Seit einem halben Jahrhundert ist die Produktionsfirma am Markt und produziert neben Kinder-Klassikern wie "Siebenstein", "Löwenzahn" und "KiKANiNCHEN" verstärkt auch Fiction-Inhalte für Erwachsene. Wie erleben Sie das Jubiläum?

Milena Maitz: Es gibt Studio.TV.Film jetzt schon seit 50 Jahren und in dieser Zeit haben wir viel hochklassiges Kinderprogramm produziert. Und trotzdem sind wir lange unter dem Radar der besonderen Wahrnehmung geflogen. Wir wussten zwar immer, dass wir gutes Programm machen, aber hatten nie diese Außenwahrnehmung. Seitdem wir verstärkt Inhalte für Erwachsene produzieren, bekommen wir mehr Aufmerksamkeit.

 

Woher kommt dieser Unterschied?

Wenn man hochwertiges Kinderprogramm macht, wird man von der Zielgruppe, aber nicht wirklich innerhalb der Branche wahrgenommen. Das hat uns nie besonders gestört, aber es fällt halt auf. Gerade dann, wenn man beginnt, auch verstärkt Inhalte für Erwachsene zu produzieren. Ich glaube, dass Kinderprogramme ein unterschätztes Feld sind. Die Sorgfalt und die Intensität, mit denen wir diese Programme herstellen, ist genauso hoch wie bei anderen Produktionen. Da gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen, gerade auch in der Branche. Im Bereich Kinder-Kinofilm hat sich das schon etwas gewandelt, aber im Fernsehen ist es nach wie vor so. 

Wie schwer ist es, etablierte Kinder-Formate, die schon so lange laufen, immer wieder frisch zu halten und den nachwachsenden Generationen schmackhaft zu machen?

Wir erfinden uns nie komplett neu, aber justieren die Programme natürlich immer wieder nach und stellen uns auf die neuen Sehgewohnheiten und Erwartungen der jungen Zuschauer ein. Dabei wollen wir uns nicht an jeden aktuellen Trend ran hängen. Es geht ja auch darum, eine gewisse Verlässlichkeit für die Eltern der Kinder zu bieten. Also darum, starke Marken zu pflegen.

Wie sehen denn die Erwartungen der Kinder heute aus und wie haben die sich in den letzten Jahren verändert?

Die Bildungsvermittlung wird verstärkt in unterhaltende Formen gegossen. Bei "Löwenzahn" geht es nach wie vor viel um Wissen, gleichzeitig ist das Format aber spannender und erzählerischer geworden und es gibt neue technische und soziale Themen. Dadurch, dass die Kinder auch andere Programme sehen, verändern sich Sehgewohnheiten. Da geht es um Schnittfrequenzen, Schnelligkeit und Erzähltempo.

Die Ideen für Fritz Fuchs und Frau Siebenstein werden Ihnen auf absehbare Zeit also nicht ausgehen?

Nein, natürlich nicht! Es macht großen Spaß, diese Formate immer wieder neu zu denken - inhaltlich, dramaturgisch und mit dem Blick auf sich verändernde technische Möglichkeiten.

Beschreiben Sie doch mal, wie sich Studio.TV.Film in den letzten Jahren verändert hat.

Wir haben uns für Fiction und andere Non-Fiction-Inhalte geöffnet, das war in den letzten zehn Jahren ein fließender Prozess. Ich habe viel akquiriert, aber bis sich das durchgesetzt hat, brauchte es einfach ein paar Jahre. Im Bereich Non-Fiction sind wir mit unseren Dokus sehr stabil, für 3sat machen wir jetzt bald außerdem die 50. Sendung von "Pufpaffs Happy Hour". Das Geschäft neben der Kinderprogramme hat gerade in den vergangenen Jahren an Fahrt aufgenommen.

"Selbst mit einem Film wie 'Toni Erdmann' kann man in Deutschland kein Geld mehr verdienen, das ist sehr traurig."

Seit 2015 sind Sie Geschäftsführerin, seitdem ist auch der Bereich Fiction sehr gewachsen.

Ja, auf Basis unserer Kinderformate konnte wir uns auch hier erweitern. Ich habe dann angefangen, Kinofilme zu produzieren und hatte das Glück, mit "Zeit der Kannibalen" gleich zum Start die bronzene Lola zu gewinnen. Das hat der Firma ein extremes Spotlight beschert, die Wahrnehmung ist gewachsen. Auf dieser Basis konnten wir aufbauen. Für den RBB haben wir dann einen "Tatort" gemacht und die "Tonio & Julia"-Reihe für das ZDF entwickelt.

Wie ist das Verhältnis zwischen TV- und Kinoproduktionen?

Das Kino ist, das wissen wir ja alle, derzeit ein schwieriges Geschäft. Ich bemühe mich, alle zwei Jahre einen Film zu produzieren. Aber selbst mit einem Film wie "Toni Erdmann" kann man in Deutschland kein Geld mehr verdienen, das ist sehr traurig. Deswegen bleibt für uns der Kinofilm die Praline, die wir uns ab und zu leisten werden. In Summe machen wir mehr für das Fernsehen, das wird auch so bleiben.

Dann kommen wir zu den Fernseh-Produktionen. Wie sind Sie denn eigentlich auf die Idee gekommen, dem ZDF eine Reihe anzubieten, die kein Krimi ist? Stichwort "Tonio & Julia".

Das ZDF hat ja eine klare Ausrichtung an allen Tagen und ursprünglich sollte "Tonio & Julia" eine Reihe für den Sonntag werden. So sind die ersten beiden Folgen auch noch produziert worden. Das ZDF wollte dann aber den Donnerstag mit seiner Berg-Farbe stärken. Dort sind wir sehr glücklich, weil man dort auf andere Weise Konflikte und Unterhaltung vermischen kann.

… und weil es keinen "Tatort" im Gegenprogramm gibt.

(lacht) genau. Das ist eine andere Konkurrenz. Aber auch donnerstags zeigt die ARD Krimis.

Was macht "Tonio & Julia" aus Ihrer Sicht so besonders?

Wir erzählen eine katholische Beratungsstelle, in der zwei starke Protagonisten arbeiten. Der eine ist ein katholischer Priester und die andere ist eine Familientherapeutin. Sie haben sehr unterschiedliche Lösungsansätze für Probleme, die im Leben so auftauchen. Wir versuchen dabei immer, die unterschiedlichen Ansätze ernst zu nehmen und uns mit den Standpunkten der beiden auseinanderzusetzen. Dabei wollen wir die Unterhaltung aber nie aus den Augen verlieren. Dabei hilft uns die Konstellation: Hinter den beiden steht eine große Liebe, durch ihr ständiges Katz-und-Maus-Spiel kann man aber auch eine Menge Humor ziehen. Wir erzählen die Geschichte in Bad Tölz, anders als bei den anderen ZDF-Formaten am Donnerstag sind die Berge bei uns jedoch nicht der dritte Hauptdarsteller.

Die ZDF Enterprises ist, wie auch Eikon Media, Gesellschafter bei Studio.TV.Film. Liegt es da nahe, dass Sie besonders viele Formate für das ZDF machen?

Das ergibt sich so. Ich habe gute Kontakte zum ZDF, schließe aber nichts aus. Ich mache auch einiges für die ARD.

"Ich finde jede Art von Quote schwierig, man muss sich aber trotzdem immer bewusst sein, dass es hier ein Problem gibt, das Lösungen erfordert."

Und wie sieht es mit den Privaten aus? Die investieren ja wieder verstärkt in die Fiction.

Das ist natürlich interessant. Und wie jede andere Produktionsfirma suchen wir auch gerade verstärkt den Weg hin zu den neuen Playern wie Netflix und Amazon und führen erste Gespräche. Man muss sich als mittelgroße Firma aber auch einfach seine Kapazitäten ansehen. Wo lege ich meinen Schwerpunkt und was kann ich gut erfüllen? Mehr Programme dürften nicht auf Kosten der Qualität der bestehenden Formate gehen. Wir wollen uns nicht verzetteln.

Welche neuen Projekte stehen denn 2019 noch an?

Wir bereiten eine Vorabendserie für das ZDF vor, mehr kann ich dazu aber noch nicht sagen. Auch beim "Tatort" laufen die Gespräche für einen möglichen weiteren Fall. Außerdem bereite ich gerade einen Kino-Dokumentarfilm vor, bei dem es um Psychoanalyse und Wunderheilung gehen wird.

Sie arbeiten als Geschäftsführerin in einer Schlüsselposition in der TV-Branche. Zuletzt hieß es oft, Frauen seien in solchen Positionen unterrepräsentiert, viele Unternehmen versuchen auch etwas dagegen zu unternehmen. Sind Sie in Ihrer Position eine Exotin?

Die Außenwahrnehmung ist ganz sicher so. Ich begegne oft Leuten, die sagen, dass das etwas Besonderes sei. Ich selbst fühle mich nicht als etwas Besonderes. Meinen Werdegang würde ich als sehr stringenten Weg bezeichnen.

Aber dennoch ist es in den letzten zwei Jahren ein großes Thema in der Branche geworden.

Ja, das betrifft auch viele kreative Berufe und ARD und ZDF versuchen da zu Recht etwas zu verändern. Die ARD macht zum Beispiel ein Speed-Dating für Regisseurinnen. Ich finde es wunderbar, dass Aufmerksamkeit auf diese Minderbeschäftigung von Frauen gelenkt wird. Ich finde jede Art von Quote schwierig, man muss sich aber trotzdem immer bewusst sein, dass es hier ein Problem gibt, das Lösungen erfordert. Durch die vielen Initiativen ist das Bewusstsein der Branche für dieses Thema stark gestiegen. Es tut sich was.

Frau Maitz, vielen Dank für das Gespräch!