Frau Millowitsch, seit zehn Jahren verkörpern Sie "Marie Brand" im ZDF. Jetzt läuft ihr 25. Fall. Was bedeuten Ihnen solche Jubiläen?

Eigentlich bedeuten mir Jubiläen nicht sonderlich viel. Natürlich denkt man mal darüber nach, was wir in all den Jahren gemacht haben. Aber um ehrlich zu sein: Ich bekomme es gar nicht mehr zusammen.

Keine Spur von Amtsmüdigkeit?

Nein, ans Aufhören denke ich nicht, weil es mit Hinnerk immer großen Spaß macht und die Bücher sehr sorgfältig ausgewählt sind. Gleichzeitig freue ich mich über die Besetzungen, weil bei uns oft Kollegen mitspielen, die großartig sind.

Sie haben die Figuren in Ihren Serien in aller Regel immer sehr lange gespielt – aber keine über einen so langen Zeitraum wie Marie Brand. Worin liegt die Besonderheit?

Wir drehen "Marie Brand" nicht so häufig wie damals "Girl friends" oder "Nikola". Diese Folgenzahl werden wir mit unserer Krimireihe auch kaum erreichen. Dadurch entsteht kein großer Abnutzungseffekt, den man ja auch bei langlaufenden Serien möglichst vermeiden will.

Warum sind Sie Ihren Serienfiguren stets so lange treu?

Weil das Format stimmt, ganz einfach. Warum soll ich eine Produktion verlassen, die mir Spaß macht? Anders als viele meiner Kolleginnen und Kollegen habe ich keine Berührungsängste mit Reihen oder Serien. Es gibt davon ja momentan mehr denn je – gerade wenn man sich anschaut, was bei den Streamingdiensten passiert. Da gibt es viele innovative Stoffe mit spannenden Erzählformen. Würde man mir dort eine vielversprechende Rolle anbieten, wäre ich sofort dabei.

Früher galt das Kino unter vielen Schauspielerinnen und Schauspielern als Königsklasse und das Fernsehen wurde oft belächelt. Haben Sie den Eindruck, dass sich da etwas verändert?

Das Kino ist überhaupt nicht die Königsklasse. HBO hat doch schon vor Jahren damit begonnen, hochwertige Serien wie die "Sopranos" und "Six Feet Under" zu produzieren, die einer Kinoproduktion in nichts nachstehen. Natürlich ist in den USA viel mehr Geld im Spiel, aber zuletzt waren auch deutsche Produktionen wie "Babylon Berlin" oder "4 Blocks" großartig. Nein, mir ist das völlig egal, ob ich im Kino oder Fernsehen zu sehen bin. Und kriegen Sie mal sieben oder acht Millionen Zuschauer ins Kino! Das ist die absolute Ausnahme.

"Wären unsere Fälle kompletter Unsinn, hätten wir nicht diese Zuschauerzahlen."
Mariele Millowitsch

Sind es auch die hohen Reichweiten, die für Sie den Reiz des Fernsehens ausmachen?

Natürlich ist es toll, viele Menschen auf einen Schlag zu erreichen. Wenn man es denn richtig macht.

Wie macht man es denn richtig?

Wir versuchen es richtig zu machen. Zunächst einmal braucht es interessante Charaktere und eine glaubwürdige Geschichte. Wären unsere Fälle kompletter Unsinn, hätten wir nicht diese Zuschauerzahlen. Die Zuschauer sind nämlich nicht so dumm wie gerne gedacht wird.

Gleichzeitig gibt es im deutschen Fernsehen so viele Krimis wie noch nie. Haben Sie nicht die Sorge, dass sich das Publikum daran satt sehen könnte?

Sie haben völlig Recht. Es gibt zu viele Krimis und ich persönlich schaue sie auch nicht so oft. Ich habe stattdessen ein Faible für amerikanische Anwaltsserien wie "The Good Wife" oder "The Good Fight".

Kommen wir zurück zu Marie Brand. Wenn man eine solche Figur derart lange spielt: Wie nah kommt man ihr?

Die Frau Brand ist schon anders als ich, weshalb ich keine sonderlich große Nähe zu ihr habe. Sie geht beispielsweise viel analytischer vor. Ich will nicht sagen, dass sie emotionslos ist, aber die Emotionen sind bei ihr wesentlich versteckter, weil sie sich über die Jahre ein Stück weit zugebaut hat. Dennoch gibt es einen versteckten Humor, was mir wiederum gefällt. Und ich freue mich darüber, wenn sie Fehler machen darf. Darum bitte ich auch explizit, denn erst dadurch wird es wirklich interessant.

Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann© ZDF/Marius Becker
Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann

Sie kommen aus einer Theaterfamilie. Wann wurde Ihnen klar, dass das Theater nicht Ihre Heimat ist?

Theater war immer Heimat für mich, aber mir war früh klar, dass ich aus dieser Millowitsch-Dynastie raus muss. Deswegen habe ich damit begonnen, Tiermedizin zu studieren, und später dann Fernsehen zu machen. Ich habe Klinken geputzt, Bewerbungsbriefe geschrieben und hatte das große Glück, für Katharina Trebitsch einen Kinofilm machen zu können. Sie meinte dann, dass ich das Zeug dazu habe, eine Serie zu “stemmen“. Das war 1994. Ich hatte einfach Riesenglück in meinem Leben.

Aber Sie haben auch das Talent.

Das mag sein, aber das haben andere auch. Man muss eben das Glück haben, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein.

Sie haben den Schritt raus aus der Theaterwelt nie bereut?

Null. Das war das Beste, das mir je passiert ist.

Also auch keine Wehmut, dass die Zeit des Millowitsch-Theaters inzwischen vorbei ist?

Nein, ich verspüre keine Wehmut. Dafür ist es einfach zu lange her. Man sagt, die Zeit heile alle Wunden – und das tut sie in der Tat. Ich erinnere mich dennoch gerne an die Zeit in den 60er Jahren, an das Eingangstor oder an den Geruch des Theaters, der früher intensiver war als heute.

Wie riecht Theater?

Theater hat eine Mischung aus Mottenkugeln durch die Kleider und den Muff, der vom Keller hochstieg, wo sich die Requisiten befanden. Dazu der Staub und die Feuchtigkeit, die in der Luft lag. Ganz zu schweigen von den Ratten, die manchmal vorbeikamen. Köln ist eben eine Rattenstadt.

Und wie riecht dagegen das Fernsehen?

Fernsehen riecht gar nicht. Ein Studio ist ein Studio.

Frau Millowitsch, vielen Dank für das Gespräch.

"Marie Brand und das Spiel mit dem Glück" läuft am Samstag um 20:15 Uhr im ZDF.