Wie ist Story House denn aufgestellt, um das vielleicht mal aufzuklären…

Carsten Obländer: Unsere Standorte sind Washington, D.C. - das ist unser Headquarter in den USA - und dann das deutsche Pendant in Berlin, dazu eine Produktionsstätte in München - zugeschnitten auf ProSieben - und Büros in Köln und Hamburg. Dazu gibt es noch einen Standort in Kanada und in den USA werden wir im Rahmen der fiktionalen Erweiterung ab Anfang kommenden Jahres auch ein Büro in Los Angeles haben. Man muss einfach vor Ort sein, das ist für uns die wichtigste Erkenntnis aus den vergangenen zwanzig Jahren. Diese Strategie hat uns immer gut getan. Aber so etwas funktioniert auch nur, wenn man, wie wir, den Lebensmittelpunkt in den USA hat. Die Familien von Andreas und mir leben drüben und wir beide pendeln. Man wird in den USA nur ernst genommen, wenn man Präsenz zeigt. Und damals bei unserer Gründung, saßen die für uns relevanten Sender noch in Washington.

Und die neuen Büros in Hamburg und Köln sind für den NDR bzw. RTL und WDR entstanden?

Carsten Obländer: Natürlich. Ich verstehe die Erwartungshaltung der Sender auch total: Es ist eine andere Art der Zusammenarbeit ob man alle Jubeljahre mal von Angesicht zu Angesicht mit einem Produzenten sprechen, oder sich eben spontan auf ein Käffchen treffen kann.

Wie viele Mitarbeiter hat Story House denn derzeit? Um da mal einen Eindruck zu bekommen…

Carsten Obländer: Es oszilliert immer rund um 100 Mitarbeiter mit denen wir in diesem Jahr 165 Stunden Programm produzieren.

Andreas Gutzeit: 76 Prozent unseres Umsatzes kommen dabei aus Returning Series, also Formaten und Programmmarken, die wir schon in den Vorjahren produziert bzw. bestückt haben. Und dazu kommen neu eben die erste Drama-Serie "Dignity", sechs bis sieben neue Formate bzw. Reihen, eine Kino-Doku und ein Kino-Spielfilm.

Das Spektrum hat sich also erweitert. Eben auch um ein Erfolgsformat wie die "Trucker Babes". Können Sie mir die Faszination der Sendung erklären?

Andreas Gutzeit: Das kann ich ganz klar und deutlich beantworten: Character, Character, Character. Wir haben da Frauen gefunden, mit denen man einfach gerne Zeit verbringt und gerne mal ein Bier trinken würde - und zwar auf Augenhöhe. Es ist herzlich und kein Vorführen der Protagonistinnen. Der Titel "Trucker Babes" ist ja eher ein Marketing-Gag, weil alle an die Kalender denken. Das ist bis zu einem gewissen Teil auch legitim, aber die Sendung ist weit mehr, inklusive der gewissen Romantik von Weite, Freiheit und Abenteuer der Landstraßen. Es ist Entertainment, aber es ist nicht over the top. Die Charaktere der Sendung gibt es ja wirklich.

Carsten Obländer: Der Umgang mit den Personen, die man portraitiert ist enorm wichtig. Jedem, der bei uns anfängt, geben wir mit auf den Weg: Behandele die Protagonisten deines Films so, dass du sie am Tag nach der Ausstrahlung anrufen und guten Gewissens mit ihnen sprechen kannst. Wir filmen lieber mit als über Menschen. Auch deshalb heben sich die "Trucker Babes" von anderen Sendungen so ab.

Andreas Gutzeit: Natürlich löst es hin und wieder ein Lachen aus, wenn ich erwähne, dass wir die "Trucker Babes" produzieren. Aber ich stehe hinter dem Format genauso wie hinter Highend-Fiction mit Devid Striesow, weil es auf das saubere Handwerk ankommt, egal in welchem Genre.

Carsten Oberländer

Carsten Obländer, Chief Executive Officer und General Manager Story House Productions

Sie sprachen eben schon die Dokus an. Erleben wir eine Renaissance der klassischen Dokumentation? Selbst bei Netflix und Co. wird inzwischen über Dokus gesprochen…

Carsten Obländer: Wir haben es immer schon für Quatsch gehalten, dass man mit gut gemachten Informationsprogrammen keine jungen Zuschauerinnen und Zuschauer erreichen kann. Wenn Sendungen Relevanz haben, werden sie geguckt. Wir hatten neulich "Verlorenes Wissen" mit Harald Lesch im Rahmen von "Terra X" und haben damit beim ZDF bei den Unter-30-Jährigen 7,5 Prozent Marktanteil geholt.

Andreas Gutzeit: Das Gleiche gilt ja auch für die "ZDFzeit"-Produktionen mit Nelson Müller. Auch die funktionieren über die Relevanz für den Zuschauer.

Carsten Obländer: Und wir entwickeln die Nelson-Serie gerade weiter hin zum Thema Nachhaltigkeit. Wo kommt das Essen her? Wie wird es produziert? Aspekte wie Tierhaltung etc. sind gerade jetzt sehr relevante Themen.

Andreas Gutzeit: Wir produzieren seit Jahren die Sonntagsausgabe von "Galileo" auf ProSieben und auch für "Terra X" im ZDF, da zum Beispiel auch die Reihe "Ein Tag in…", wo wir jeweils einen Tag in einer bestimmten Epoche zeigen und da erinnere ich mich immer noch an die Folge über das Römische Reich, wo nebenbei erwähnt wurde, dass sich die Römer früher mit Marmorstaub die Zähne geputzt haben. Solche Dinge bleiben hängen und erreichen ihr Publikum, weil sie gut erzählt vermittelt werden. Ob jetzt eine klassische 90er-Dokumentation mit vielen Sit Down-Interviews im Vergleich noch zeitgemäß ist, das glaube ich zum Beispiel nicht.

Aber Sie haben gerade mit "War of Art" eine Dokumentation ins Kino gebracht…

Carsten Obländer: Richtig, wir hatten am 6. Juni gerade den Kinostart des Dokumentarfilms "War of Art" über Nordkorea - ein durchaus eklektisches Thema. 10 westliche, moderne Künstler reisen nach Nordkorea, um dort mit örtlichen Künstlern zu arbeiten. Natürlich geht es darunterliegend nicht nur um die Kunst sondern das große Thema Freiheit. Es ist aber keine Nordkorea-Dokumentation mit klassischer politischer Perspektive sondern erzählt über die Künstler, also vom Storytelling her werden die großen Themen aus Sicht der Reisenden erzählt. War auch ein Riesenerfolg auf Festivals, aber würde es am Dienstagabend um 20.15 Uhr beim ZDF funktionieren? Sicherlich nicht. Aber glücklicherweise suchen Sender ja inzwischen nicht mehr nur für die Primetime. Ich glaube auch, dass durch z.B. die Mediathek es heute nicht mehr so relevant ist wie früher, wann ein Programm jetzt seine Premiere feiert. Da wurde lange über Sendeplätze und späte Uhrzeiten diskutiert. Wichtig ist es heute, dass es dort verfügbar ist, wo die Menschen im Zweifelsfall danach suchen und das ist die Mediathek.

Andreas Gutzeit: Wir sind aufgefordert von einem maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Sender, einen programmbegleitenden YouTube-Kanal aufzustellen mit Dokumentationen, um die jungen Leute auch dort zu erreichen. Es ist ja grundsätzlich glücklicherweise so, dass wertiger Content derzeit so viel nachgefragt wird, wie nie zuvor. Die Auffindbarkeit ist es, die man noch verbessern kann.

Letzte Frage an zwei Geschäftsführer die zwischen den USA und Deutschland pendeln: Gibt es etwas, was wir uns in Deutschland von den Amerikanern abschauen könnten bzw. umgekehrt?

Andreas Gutzeit: In Deutschland könnte man immer noch mehr Mut gebrauchen, aber es geht langsam in die richtige Richtung angesichts vieler Initiativen und neuer Angebote im Markt. Aber da geht noch mehr: Die Amerikaner zögern weniger und probieren lieber. In den USA wiederum werden inzwischen viele Programmentscheidungen in Gremien getroffen. Es gibt einen immer weniger direkten Entscheidungsweg. Das frustriert mitunter. Da ist der deutsche Markt bzw. Sind die Sender noch immer schneller zugänglich.

Herr Gutzeit, Herr Obländer, herzlichen Dank fürs Gespräch.