Und der andere Grund?

Frauen kämpfen – auch wenn sie mittlerweile ein bisschen weiter sind – weiter um Gleichberechtigung. Trotz MeToo diskutieren wir an den gleichen kleinkarierten Befindlichkeiten wie damals herum. Deshalb würde ich gern noch zwei Staffeln drehen: in Dessau und in Amerika. Zwischen den drei Episoden des Bauhauses liegt ja noch das Grauen des Nationalsozialismus mitsamt der entarteten Kunst und dem Erstarken von Hollywood, das es ohne die Emigration verfolgter Filmemacher aus Deutschland wohl überhaupt nicht gegeben hätte.

Haben Sie als Regisseur grundsätzlich den Impuls, etwas in den Köpfen der Menschen auslösen zu wollen?

Na klar.

Um Haltungen zu erzeugen?

Eher, um sie zu unterfüttern. Weil ich mich auch selber viel mit Geschichte beschäftige, mache ich solche Filme und rede darüber. Das Fernsehen könnte da aus meiner Sicht – übrigens ebenso wie das Kino – noch viel mehr Inhalt als Ausstattung vertragen. Deshalb finde ich es toll, dass ich fürs Zweite etwas über so etwas Mainstreamfernes wie Kunstgeschichte erzählen kann.

Haben Sie den ARD-Film zum Jubiläum gesehen?

"Lotte am Bauhaus", ja.

Während das Thema Liebe dort voll im Zentrum steht, findet sie bei Ihnen zwar nur am Rande statt, scheint aber doch unerlässlich zu sein. Ist das ein Kompromiss, den man im öffentlich-rechtlichen Hauptprogramm eingehen muss?

In diesem Fall nicht, weil die Weimarer Zeit als romantische Phase des Bauhaus beschrieben wird. Der rote Faden dieser Staffel darf also durchaus eine Liebesgeschichte sein – auch wenn er vorwiegend tragische Züge hat. In einer zweiten Staffel um Hannes Meyer dagegen, Walter Gropius‘ kommunistischen Nachfolger am Bauhaus Dessau, gäbe es zwar auch einige Liebesgeschichten zu erzählen, aber noch viel mehr den Kampf der Ideologien. Natürlich mache ich Zugeständnisse an Zuschauergewohnheiten, sie übernehmen aber weder ästhetisch noch dramaturgisch je die Hoheit über den Wesenskern der Geschichte.

Das Ergebnis dieses Kompromisses ist eine ziemlich eigensinnige Gestaltung, in der ganze Passagen in Sepiafarben gedreht sind und tradierte Verhaltensmuster brechen. Was war zuerst da: der experimentelle Ansatz oder die späte Sendezeit nach 22 Uhr?

Gute Frage, aber auf dem gleichen Sendeplatz ist ja auch „Bad Banks“ gelaufen, was ebenso gut in die Primetime gepasst hätte. Ich glaube, ARD und ZDF sind sich noch nicht so ganz darüber im Klaren, wie sie mit dem Riesenthema Serie umgehen sollen. Ihr Boom spielt sich schließlich vor allem online ab, also in den Mediatheken, während große Mehrteiler wie „Adlon“ vor allem um 20.15 Uhr im Regelprogramm erfolgreich sind.

Und wie ist man mit Ihrer Serie umgegangen?

Es war jedenfalls nicht so, dass es hieß, ich solle mich mal austoben, "Die neue Zeit" läuft eh nur nachts.

Das ZDF hat also nicht das fertige Konzept gesehen und sich für 22:15 Uhr entschieden?

Nee, die haben das fertige Produkt gesehen und sich dann für 22:15 Uhr entschieden (lacht). Ich habe aber ohnehin nie richtig verstanden, warum sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen ohne Not derart dem Quotendruck unterwirft. Meiner Meinung – und dem Rundfunkstaatvertrag – nach könnten die viel, viel mutiger und freier sein. Wenn die nach der "Tagesschau" für was Sperriges mal zwei statt fünf Millionen Zuschauer haben, ist das doch immer noch wahnsinnig viel.

Gerade verglichen mit dem Kino.

Wo aus Deutschland höchstens mal "Fack Ju Göhte" in solche Dimensionen vorstößt. Andererseits finde ich es ganz gut, dass die Komplexität von "Die neue Zeit" nicht dem ungeheuren Erfolgsdruck der Primetime unterliegt. So kann man inhaltlich und visuell schon ein bisschen mehr wagen.

Sie haben Ihre Laufbahn als Fotograf begonnen, nicht als Filmemacher. Merkt man der Serie das an?

Sagen Sie’s mir! Es ist jedenfalls eine langanhaltende Diskussion zwischen mir und meinem Kameramann, wie man was fotografieren muss. Es gibt allerdings viele tolle Regisseure, die ein viel komplexeres fotografisches Vokabular bedienen als ich; meine Filme sind nicht auf Bildern aufgebaut, sondern auf Storys.

Also form follows function?

Immer form follows function.

Das ZDF zeigt die sechs Teile von "Die neue Zeit" am Sonntag, Montag und Dienstagabend jeweils ab 22:15 Uhr in Doppelfolgen. Alle Folgen waren auch schon bei Arte zu sehen und stehen in der Mediathek bereits zum Abruf bereit.