Warum ist die Branche so behäbig?

Lamby: Das liegt am vorherrschenden Prinzip der Auftragsproduktion. Es hat zur Folge, dass sich viele Firmen nur auf das Tagesgeschäft konzentrieren. Sie müssen schauen, wie sie über die Runden kommen. Aber sie entwickeln nicht Formate über den Tag hinaus, weil sie das nicht als ihre Aufgabe ansehen. Wir als Branche, sowohl die Produktionsfirmen als auch die Sender, sollten diese Herausforderung beherzter annehmen. 



Produktionen von Eco Media sind zuletzt mit vielen Preisen ausgezeichnet worden. Finden Sie dennoch, dass Doku-Produzenten im Speziellen und Dokus im Allgemeinen zu wenig Aufmerksamkeit erhalten? 

Schuhbauer: Ja, das ist so. Es gibt eine gewisse Struktur in der Auftragsproduktion, die zur Folge hat, dass man immer wieder mit Sendern konfrontiert ist, die nur Inhalte für bestehende Formate suchen. Wenn eine Idee mal nicht in das vorhandene Gefäß passt, ist dafür oft kein Platz. Vielen Sendern fehlt es an dieser Stelle an Experimentierfreudigkeit. Es gibt immer wieder unerschrockene Redakteure, die sich etwas trauen. Das findet aber zu selten statt. Von daher ist die Doku-Branche, und da schließe ich die Sender mit ein, auch ein bisschen selbst schuld daran, dass sie zu wenig Aufmerksamkeit findet. Es wird zu wenig Neues gewagt. 

Lamby: Wir sollten uns nichts vormachen. Fernsehen ist eine riesige Unterhaltungsmaschine. Und da gibt es halt eine Randerscheinung namens Doku. Und dennoch gibt es Anlass zur Hoffnung: Die ARD, hier und da auch das ZDF, senden relevante und aktuelle Dokumentationen seit einiger Zeit auch zur Primetime. Ich fordere das seit langem. Und freue mich über jeden geglückten Versuch. Weil politische Zeiten eben politische Filme brauchen. Aber wenn man sich das Gesamtangebot des Fernsehens ansieht, noch mehr bei den Privaten, sprechen wir weiterhin über eine riesige Unterhaltungsmaschine. 

Hat sich der Anspruch beim Privatfernsehen in den letzten Jahren verändert? Oder schließen Sie eine Zusammenarbeit hier kategorisch aus?

Schuhbauer: Wir liegen außerhalb des Beuteschemas der Privatsender. Das gilt auch umgekehrt. Ich war vor einiger Zeit an einer Produktion für Vox beteiligt, die sehr angenehm war. Ich kann da nur Positives sagen. Es gibt also schon Berührungspunkte, aber das, was mehrheitlich auf den Sendern läuft, ist uns eher fremd. Wir sehen uns als Journalisten und nicht als diejenigen, die Factual Entertainment in Form von Scripted Reality machen. Darin wären wir auch nicht besonders gut. Das schließt aber nicht aus, dass wir vereinzelt gut zusammenarbeiten. 

Lamby: 2012 haben wir mit uns mit zwei anderen Produktionsfirmen für ein Fensterprogramm bei RTL beworben und eine Sublizenz erhalten. Fünf Jahre haben wir dann Inhalte produziert, die bei RTL ausgestrahlt wurden. Das ist aber in redaktioneller Eigenständigkeit und Unabhängigkeit geschehen. So etwas ist immer möglich. Und sollte man bei RTL, Sat.1, ProSieben, Kabel Eins, RTLzwei, Vox und so weiter dieses Interview lesen und plötzlich Interesse bekommen an 60-minütigen politischen Dokus, hochwertig für die Primetime produziert - voilá, Sie wissen, wie Sie uns erreichen können. Aber ich befürchte, die Kolleginnen und Kollegen sind auf einem anderen Dampfer unterwegs als wir. Interessanter wird für uns künftig wohl die Zusammenarbeit mit Streamingdiensten sein. Das sind Anbieter, die wir genau beobachten. 

"Es wird zu wenig Neues gewagt."
Thomas Schuhbauer

Stehen Sie mit den Streamingdiensten in Kontakt und reden schon konkret über einzelne Projekte? 

Lamby: Es gibt Kontakte, aber nichts, was jetzt spruchreif wäre. Immerhin, der Markt bewegt sich. Gerade habe ich mit "Brüder Kühn" einen 90-minütigen Jazz-Film produziert. Der wurde von ZDF/3sat beauftragt, zur Preview in Berlin kamen sogar der Bundespräsident und der ZDF-Intendant. Eine tolle Zusammenarbeit. Und für 3sat eine Art Event-Doku. Ich kann mir durchaus vorstellen, solche Special-Interest-Produktionen im Kulturbereich auch für Streamingdienste anzubieten, in welcher Kombination auch immer. 

Wenn Sie jetzt auf Ihre Produktionen der vergangenen 22 Jahre zurückblicken. Welche sticht heute für Sie heraus?

Lamby: Immer die, an der ich gerade arbeite, derzeit also "Die Notregierung". Ich weiß, es klingt ein wenig pathetisch, aber ich meine es ernst: Im empfinde es als Ehre, für die ARD die Große Koalition über einen so langen Zeitraum beobachten zu können. Ergebnisoffen. Mit Zugängen zu vielen Spitzenpolitikern. In den 20 Monaten habe ich auch mit dem Youtuber Rezo und Schülern von Fridays for Future gedreht. Der Charakter des Films hat sich während der Dreharbeiten also wesentlich verändert. Es freut mich sehr, dass die ARD schon seit Jahren solche Produktionen von uns will. Oder nehmen Sie unsere investigative Doku "Bimbes – Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl", die Produktion hat sich der SWR viel kosten lassen, ohne zu wissen, was bei der Recherche herauskommt. Und ich glaube, wir haben den SWR und die ARD nicht enttäuscht. So vertrauensvoll und mutig wünsche ich mir die Zusammenarbeit zwischen Produktionsfirmen und Sendern. 

Herr Lamby, Herr Schuhbauer. Vielen Dank für das Gespräch!