Herr Meyer-Burckhardt, vor 25 Jahren haben Sie bei ProSieben "River Café" moderiert, eine Talkshow direkt aus New York. Wie verrückt erscheint das im Rückblick?

Eigentlich ist es gar nicht verrückt. Wir gehen doch alle in die Berufe, weil wir die besondere Herausforderung suchen. Manchmal gelingt es, manchmal gelingt es nicht – und das ist damals gründlich daneben gegangen. Das lag nicht nur daran, dass die Sendung so aussah, wie sie aussah, sondern auch an völlig unrealistischen Quoten-Erwartungen des Senders. Aber ich bereue nicht eine Sekunde, die ich mit diesem Projekt verbracht habe. Andere scheitern in München oder Nürnberg, ich scheitere in New York. Dann doch lieber in New York. (lacht)

Wie kam diese Idee überhaupt zustande?

So genau weiß ich das gar nicht mehr. Ich saß damals mit Stefan Reichenberger zusammen. Wir waren ja ein erfolgreiches Duo, hatten "How much" mit großem Erfolg in der ARD gemacht und mit der "Sonntagsshow" einen Grimme-Preis gewonnen. Irgendwann wurde Georg Kofler auf uns aufmerksam und wir haben alle zusammen groß gedacht. Wir waren aber nicht stark genug gegenüber dem Sender, weil wir eine journalistisch saubere Sendung wollten, eine Art "NDR Talk Show" aus New York – mit Gästen, die aus Deutschland stammen und in New York leben. ProSieben brauchte allerdings mehr Show und deshalb haben wir es akzeptiert, in einen solchen Show-Anzug gepresst zu werden. Dadurch konnte überhaupt erst die Idee entstehen, aus dem "River Café" zu senden, also nicht aus einem klassischen Studio. Die Bedingungen waren sicher nicht so, wie wir sie benötigt hätten. Deshalb war dann auch nach drei Folgen schon wieder Schluss.

War es denn schwer, an Gäste zu kommen?

Schwer war es nicht. Wir hatten unter anderem Hannelore Elsner, Ottfried Fischer, Mickey Rourke und Armin Mueller-Stahl. Nein, an Gästen für weitere Sendungen hätte es uns nicht gemangelt.

Und Sie selbst sollten einmal pro Woche nach New York fliegen?

Das war Wahnsinn. Ich habe Kofler damals gesagt: Wenn du das einmal pro Woche willst, dann nimm einen anderen. Mein Plan war es ja nicht nur zu moderieren, sondern auch weiterhin zu produzieren. Stattdessen habe ich ihm Cherno Jobatay als Moderator vorgeschlagen, der jedoch nicht wirklich heiß auf den Job war. Rückblickend verständlich: Wenn Sie einmal in der Woche in New York sind, dann haben Sie permanent Jetlag. Und mit einem permanenten Jetlag haben Sie Erinnerungsschwierigkeiten. Ich stand vor Leuten, mit denen ich befreundet war, und hatte Probleme, mir Ihren Namen zu merken. 

Das ging also schon nach kurzer Zeit an die Substanz?

Das ging ziemlich an die Substanz, klar. Und wir standen ja die ganze Zeit im Fokus der Presse. Als wir untergingen, haben sich alle auf uns gestürzt. Sie müssen wissen, dass Reinhold Beckmann parallel zu uns mit "No Sports" auf die Nase fiel und Roger Willemsen – Gott hab' ihn selig – hatte mit seiner neuen Sendung im ZDF ebenfalls Probleme. Das war ein gefundenes Fressen: Drei Moderatoren überschätzen sich. Ich habe nie so viel Häme erfahren wir vor 25 Jahren. Völlig unabhängig davon war es aber eine scharfe Zeit, weil wir etwas probiert haben. Daher kann ich auch nur alle Fernsehmacher dazu ermutigen, Risiken in Kauf zu nehmen. Es macht sogar Spaß.

Hat Sie die Kritik damals getroffen?

Selbstverständlich hat mich die Kritik getroffen, alles andere wäre gelogen. Die Sendung ist aber ein schönes Beispiel dafür, dass man eine Niederlage in einen Sieg ummünzen kann. Ich habe mich danach wahnsinnig auf das Produzieren konzentriert und nur wenige Jahre später drei wunderbaren Filme mit Oliver Hirschbiegel gemacht, für die wir gefühlt alle Preise der Welt bekommen haben. Insofern war das "River Café" eine verdammt gute Lektion für mich.

River Café

Hubertus Meyer-Burckhardt interviewt Armin Mueller-Stahl 1994 im "River Café"

Worauf führten Sie die Häme in der Presse zurück?

Wenn Sie mit einer wöchentlichen Sendung aus New York scheitern, dann ist das für Journalisten eine feine Sache. Dazu kommt, dass die Presse vor 25 Jahren eine noch viel größere Wirkung besaß als heute. Wenn der "Spiegel" damals negativ schrieb, dann bist du drei Wochen nicht aus dem Haus gegangen. Gleichzeitig fehlte uns die Rückendeckung vom Sender. Ich erinnere mich an einen handfesten Streit mit Kofler in einem Raum, der später lustigerweise mein Büro wurde, als ich Vorstandsmitglied bei ProSiebenSat.1 wurde. So schloss sich der Kreis. (lacht) 

Welche Faszination strahlte das noch junge Privatfernsehen damals auf Sie aus?

Die Faszination war dieselbe wie beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ich habe das Privatfernsehen nicht für das Ende des Abendlandes gehalten. Für uns Produzenten war es damals das, was die Streamingdienste heute sind – ein weiterer Auftraggeber. Etwas Besseres als der Start von Sat.1, ProSieben oder RTL konnte uns aus dieser Sicht nicht passieren. Neue Player sind immer gut fürs Geschäft und verringern die Abhängigkeit von einigen wenigen.

Vor 25 Jahren haben Sie außerdem mit der "NDR Talk Show" begonnen, die Sie – mit einer Unterbrechung – bis heute moderieren. Weshalb halten Sie dieser Sendung so lange die Treue?

Ich habe sechs Jahre lang erfolgreich mit Alida Gundlach moderiert und danach eine Pause eingelegt. Dann kam Thomas Schreiber vom NDR und fragte mich, ob ich zurückkehren will – zusammen mit Barbara Schöneberger. Die Anfrage erhielt ich am Flughafen Brüssel und ich hätte ihn dafür am liebsten durchs Telefon geküsst. Damals war Barbara noch nicht der Star, der sie heute ist, aber wir kannten uns schon ein bisschen. Und dann ist das passiert, was selten passiert: Dass man sich am Arbeitsplatz befreundet. Barbara, die Redaktion und ich sind eine Großfamilie geworden. Das ist etwas sehr Schönes.

Inzwischen läuft die "NDR Talk Show" auch im Ersten. Hilft das oder kann das auf Dauer eher schaden?

Diese Programmierung war mutig. Aber der Mut hat sich gelohnt, denn insbesondere unsere erste Quote war fantastisch. Für die jungen Kolleginnen aus Berlin lief es noch nicht so gut, aber wie soll es auch anders sein, wenn man neu dabei ist? Daher kann ich auch die Verrisse der ersten Sendung der beiden Kolleginnen nicht so recht nachvollziehen. Ich habe Kritiken gelesen, nach denen ich die Journalisten am liebsten gefragt hätte, ob sie denn kein schlechtes Gewissen haben. Da rate ich zur Geduld und zum Weitermachen. 

Sie sind heute also gelassener als zu Zeiten Ihrer ProSieben-Show?

Ich sehe das heute spielerisch. Es geschehen gerade Dinge in meinem Leben, die ich mit großer Dankbarkeit und strahlendem Gesicht annehme. Der Unterschied zum "River Café" liegt darin, dass ich es damals mir, aber natürlich auch Anderen beweisen wollte. Nach 25 Jahren, 30 Filmen, guten Jobs in den Vorständen von Springer und ProSieben und einer guten Zeit bei der Polyphon bin ich dankbar dafür, noch dabei sein zu dürfen. Das nehme ich mit Demut und Heiterkeit an.

Waren Sie seit der Einstellung noch einmal am Ort des Geschehens, also im "River Café"?

Ich war vor etwa zehn Jahren noch einmal mit einer Freundin da und erfuhr ausgerechnet dort im Restaurant von einem Sender, dass ich eine Serie produzieren kann. Da dachte ich mir im Stillen: Junge, so ändern sich die Zeiten. (lacht)

Herr Meyer-Burckhardt, vielen Dank für das Gespräch.