Wie haben sich Senderchef Blasberg und Künstler Liechtenstein eigentlich kennengelernt?

Kai Blasberg: Wir haben uns kennengelernt 2013 bei unserem Herrenausstatter. Da war er schon, der er war, und dann habe ich natürlich noch viel mehr von ihm gesehen, weil mich interessierte, wie er sich darstellt und was er veröffentlicht. Damals waren wir bei Tele 5 in dieser von Philip Walulis ausgelösten ersten Phase der Euphorie mit Lust auf Eigenproduktionen.

Friedrich Liechtenstein: Da wart ihr schön großzügig, da konnte ich schöne Sachen machen. Vertikale Filme zum Beispiel.

Kai Blasberg: (lacht) Da wurde ich neulich noch gefragt, ob das eigentlich Absicht gewesen sei oder ein Versehen…

Friedrich Liechtenstein: Das kann halt nur wertschätzen, wer es mal ausprobiert und sich aufs Sofa legt. Es bräuchte viel mehr vertikale Programme. Wieso sollte ich sitzen wollen, wenn ich liegen kann? Schon witzig, dass das damals noch fast eine Provokation war.

Warum ausgerechnet Bad Gastein, dieser sehr eigenwillige Ort?

Friedrich Liechtenstein: Die Schäbigkeit des Ortes hat mich sofort angesprochen. Als ich mal in Baden-Baden war und gefragt wurde, was ich als Nächstes mache, sagte ich, dass ich ein Konzeptalbum über Bad Gastein rausbringen wurde und alle haben sich totgelacht. „Bad Gastein? Das ist doch total heruntergekommen!“ Hier stand vor einigen Jahren in der Tat viel leer, der Ort war fast abgründig.

Kai Blasberg: Was hier hässlich ist, ist ja das Neue. Alles was schon immer hier war, ist sogar im Verfall schön. Das beste, was den Häusern hier passieren konnte ist, dass sie nicht in den 90er Jahren renoviert wurden.

Friedrich Liechtenstein: Ich finde es sehr spannend, viel spannender als ein gut funktionierender Kurort.

…oder wie Sie auf dem besagten Album singen: „Bad Gastein, der G-Punkt deines Lebens“

Friedrich Liechtenstein: (lacht) Im übertragenen Sinne, ja. Dieser Ort ist ein Schatz, der gefunden werden will. Seit 10 Jahren bin ich immer wieder hier, zwei oder drei Mal im Jahr. Habe mir hier in dieser Atmosphäre schon Einiges ausgedacht. Für mich ist das hier ein Korallenriff in dem ich immer wieder tauchen möchte. Kostbar, versteckt und immer wieder wird der Reiz ausgelöst, es entdecken zu wollen. Und dann dieser unglaubliche Wasserfall mitten im Ort, der dann unten einen Hochzeit feiert mit dem Wasser das aus den Tiefen der Berge kommt. Eine absolute Inspiration. Hier ist auch die Idee zu den vertikalen Filmen und dem vertikalen Filmfestival geboren, weil man in diesem am Hang gelegenen Ort nur vertikal denken kann.

Was hat Sie denn vor zehn Jahren ursprünglich nach Bad Gastein getrieben?

Friedrich Liechtenstein: Die Hoteliers Olaf Krohne und Jason Houzer sind die Innovativen hier im Ort und haben aus aller Welt Gäste eingeladen zur Eröffnung des Miramonte und wollten hören, was die so sagen. Ich war damals mit der Chefin der Bartausend zusammen und das war damals einfach die wichtigste Bar in Deutschland, für Berlin sowieso. Deswegen waren wir eingeladen und bin nach der Ankunft nicht mehr aus dem Staunen rausgekommen. Ich habe dann einzelne Themen meines Lebens hier wiedererkannt und dann ist mein Vater gestorben in dieser Zeit. Da ist man dann ja auch ein bisschen esoterischer drauf und da hat es mich hier einfach erwischt. Es war dann Liebe und konnte nicht mehr fernbleiben.

Die ganze Crew war jetzt schon merhfach in Bad Gastein, zuletzt im August. Eine Frage an den Regisseur: Wie viele Geschichten des Festivals der Liebe sind denn inzwischen gedreht?

Tobias Klose: Wir haben zuletzt vier Tage lang gedreht und dabei täglich zwischen 10 und 15 kleine  Geschichten gefilmt. Das hängt immer davon ab, wie die Geschichten gestaltet sind. Es gibt Sachen, die wurden geskriptet und dann ergibt sich bei uns aus dem Skript heraus beim Dreh ganz oft die Idee, das noch zu variieren. Und schon entsteht mehr als gedacht. Mit relativ geringem Aufwand einen relativ großen Output zu bekommen, geht, weil es uns überlassen ist, zu entscheiden was uns gefällt. Insgesamt gibt es jetzt schon mehr als 150 Geschichten des Festivals der Liebe, in der Länge variierend zwischen drei Minuten und fünf Sekunden.

Herr Liechtenstein und Herr Blasberg hatten eine Idee. Sie sollten diese dann umsetzen. Wie schwer war das?

Tobias Klose: Stellen Sie sich vor, sie bekommen ein komplett neues Musikinstrument in die Hand gedrückt, dann wissen Sie auch erstmal nicht, was sie damit überhaupt alles machen können. Man erarbeitet es sich, man probiert aus und lernt so, was gefällig ist und was nicht. Genau so haben wir beim „Festival der Liebe“ unser eigenen Möglichkeiten von Dreh zu Dreh ein bisschen mehr entdeckt und verstanden. Man macht sich diese Idee, die erst einmal vor einem steht, zu Eigen.

Was unterscheidet die späteren Drehs von den ersten Aufnahmen?

Tobias Klose: Wir produzieren weniger Holz, weil wir wissen, was wir wollen. Und weil wir ausbrechen aus den Regeln, die am Anfang Orientierung gaben. Was ist dieses „Festival der Liebe“? Da hält man sich anfangs fest an Definitionen, die man kennt. Und jetzt hat sich dieses Projekt verselbstständigt.

Friedrich Liechtenstein: Wir haben zum Beispiel die Lust entwickelt, mehr Menschen in einer Szene zu haben. Also nicht nur zu zweit ein Bauchladen-Theater veranstalten, sondern das Leben in unserem Hotel noch besser vermittelt wird, wenn auch mal Menschen durchs Bild laufen. Und Tele 5 macht dem Publikum immer mal wieder einen Spalt die Tür auf zu unserem Hotel. Sie bekommen einen ganz kurzen Moment mit und wollen idealerweise danach noch einmal Gast bei uns sein, noch einmal reinschauen. Mir gefällt die Idee, dass sich die Menschen wieder auf die Werbepause freuen, weil sie von uns vielleicht eine Geschichte erzählt bekommen, die sie noch nicht kannten.

Festival der Liebe

Wer die besagte Tür zum Festival der Liebe einen Spalt weit aufmacht, wird auch sofort die prägnante Musik bemerken. Eine Frage an den Komponisten: Wie lässt sich der Sound beschreiben?

Malakoff Kowalski: Ich kannte Bad Gastein nicht, aber wusste dass die Lichtgestalt Liechtenstein hier herumflirrt und hier irgendwas sein muss, sein sollte. Der Name Bad Gastein hatte für mich so schon eine gewisse Aura bevor ich überhaupt das erste Mal hier war. Meine musikalische Welt endet eigentlich 1975, weil ich die Dinge danach wirklich schwierig finde.

Wieso?

Malakoff Kowalski: Das ist alles hochaufgelöst und glasklar. Die Aufnahme-Ästhetik ist nicht mehr schön heutzutage. Der ästhetische Klang von Aufnahmen klassischer Musik aus den 40er, 50er und 60er Jahren spricht zu mir. Auch der Jazz in alten Filmmusiken. Die Rock’n’Roll-Musik. Da fühlt man Wärme, man fühlt auch Schmutz, wenn die Aussage Sinn macht. Als Kai mich fragte, wusste ich zumindest, dass in einem Ort wie Bad Gastein nicht die elektronische Musik zuhause ist sondern meine musikalische Welt sich hier gut einfügt. Die Musik ist inspiriert von vergangenen Tagen ohne alt sein zu wollen. Wir drehen ja auch keinen 60er Jahre Film sondern im Hier und Jetzt - vor einer besonderen Kulisse. Und das Episodenhafte, die Miniaturen liegen mir auch sehr; musikalisch in kurzer Zeit einen dramaturgischen Bogen zu spannen. Das gibt es in der Pop-Musik nicht, auch nicht in der Klassik. Beim Film, auch in der Werbung, oder auf der Bühne gibt es diese Freiheit, ein kleines Motiv zu setzen und auszuarbeiten.

Herr Liechtenstein, eine Frage noch: Sind Sie nach über 150 Episoden zufrieden mit dem Ergebnis des verfilmten „Festival der Liebe“?

Friedrich Liechtenstein: Ich bin sehr zufrieden. Wenn Kai zufrieden ist, bin ich es auch. Eigentlich fehlt mir schon geradezu das Desaster, weil ich Desaster geradezu liebe. Ich sage auch immer gerne zu allen, die mit mir arbeiten: Ich empfehle meine Auftritte wie einen Film zu sehen, nicht wie einen Auftritt. Denn wenn es ein Scheißauftritt wird, aus verschiedenen Gründen, dann ist es kein Scheißauftritt sondern ein sehr präziser Film über einen Scheißauftritt. Das hat mir schon sehr oft den Arsch gerettet. Dann stell ich mich wie Alexis Sorbas daneben und sage: „Ich habe noch nie etwas so Großes so großartig zusammenstürzen sehen.“ So gelingen sehr viele Sachen.

Herzlichen Dank für das Gespräch an die Runde.