Herr Horta, durch den Start neuer Streamingdienste befindet sich der TV-Markt weiter im Umbruch. Wie erachten Sie diese Entwicklung?

Was wir mit dem Boom der Streamingdienste gerade erleben, ist die Konsequenz aus einem klassischen Dreiklang. Am Anfang steht die technische Innovation, aus der zuerst ein Kundenbedürfnis entsteht und schließlich neue Businessmodelle. Ich betrachte diese Entwicklung als Teil unseres Geschäftes, denn wir leben die Transformation bei Discovery schon seit vielen Jahren. Wir haben den Vorteil, unsere Inhalte selbst zu produzieren und sie auf allen Wegen ausspielen können. Globale Rechte zu besitzen, ist einer der wesentlichen Wettbewerbsvorteile in der aktuellen Zeit.

Sie sind Teil eines internationalen Konzerns, betreiben hierzulande zusammen mit ProSiebenSat.1 aber auch die lokale Plattform Joyn. Wie gelingt dieser Spagat?

Das ist kein Widerspruch. Der Satz "Think global, act local" gilt für uns vermutlich so sehr wie für kein anderes Medienunternehmen in Deutschland. Wir sind ein internationaler Konzern, ja, aber wir haben gewachsene lokale Strukturen und Strategien. Diese Verbindung aus global und lokal zu nutzen, ist unser Ansatz für den deutschen Markt. Das war schon immer so. Denken sie an 2006, als wir im Bereich der Männersender in Deutschland eine Nische ausgemacht und daraufhin DMAX gestartet haben – mit internationalen und lokalen Produktionen. Genauso verhält es sich jetzt mit dem Streamingbereich, wo wir zusammen mit ProSiebenSat.1 ein starkes Angebot gestartet haben, mit dem wir auf die Bedürfnisse des hiesigen Marktes reagieren können.

Bislang ist Joyn sehr geprägt von Fiction. Braucht es da noch etwas mehr die Handschrift von Discovery?

Wir arbeiten daran, das Thema Factual, für das Discovery mit seinen Sendern in besonderem Maße steht, auf Joyn noch einmal anders zu erzählen als das bisher der Fall gewesen ist. Diesbezüglich werden im kommenden Jahr noch spannende Geschichten zu erwarten sein.

Ihre Sendemarken, die Sie über viele Jahre hinweg aufgebaut haben, spielen bei Joyn allerdings eine untergeordnete Rolle. Wird das auf Dauer nicht zum Problem?

Wir betrachten Joyn als Aggregationsplattform, auf der über 50 verschiedene Anbieter ihre Inhalte platzieren und werden hier auch zusätzliche, neue Inhalte präsentieren. schon heute sehen wir, wie gut unsere Content- und Sendermarken hier, aber auch schon länger auf anderen Plattformen funktionieren. So gesehen sind die Marken wichtiger als jemals zuvor. Vielleicht brauchen wir in der Branche eine neue Definition der Zuschauer. 

Wie meinen Sie das?

Der Zuschauer, der den Discovery Channel linear über Sky konsumiert, ist gegebenenfalls ein anderer als der, der sich diese Inhalte über Amazon Channels oder Joyn ansieht. Umso wichtiger ist es, die potenziellen Kunden über möglichst viele Wege individuell anzusprechen.

Bei Joyn fehlt Ihnen mit RTL eine der großen Sendergruppen. Schmerzt Sie das?

Joyn ist gut gestartet, daher sind wir mit dem aktuellen Stand äußerst zufrieden. Wir haben an RTL die Einladung ausgesprochen, bei Joyn dabei zu sein. Wir befinden uns am Anfang einer neuen Zeit und sind weiterhin offen für neue Partner – und das meint nicht nur RTL.

"Das Thema Sport ist gerade für den OTT-Bereich nach wie vor sehr spannend." 
Alberto Horta

Neu ist, dass Sendergruppen mit ihren Streamingdiensten erstmals direkt an die Zuschauer herantreten, um ihnen Abos zu verkaufen. Inwiefern verändert das ein Unternehmen wie Discovery?

Den Kunden direkt anzusprechen, ist Teil der erwähnten Transformation. Allerdings ist das für uns kein Neuland, immerhin haben wir den Eurosport Player bereits vor zehn Jahren gestartet und seither zahlreiche Erfahrungen auf dem OTT-Gebiet sammeln können. Für Joyn haben wir gemeinsam mit ProSiebenSat.1 sehr früh entschieden, ein eigenes Management-Team zu installieren. Denn aus unseren Erfahrungen wissen wir, dass es für ein Projekt dieser Art Mitarbeiter mit neuen, spezifischen Skills braucht wie Datenanalysten oder Content-Spezialisten – aber genauso wichtig ist es auch, dass Joyn eine eigene DNA entwickelt.

Beim Eurosport Player ist Ihnen jüngst die Bundesliga abhandengekommen. Hat dieser Rechte-Verlust Auswirkungen auf Ihre weitere Strategie?

Die Strategie hat sich nicht verändert, das Thema Sport ist gerade für den OTT-Bereich nach wie vor sehr spannend. Wir schauen uns daher weiterhin lokal relevante Sportrechte an und wollen auch wie bisher unsere lokale Produktionen fortsetzen, beispielsweise mit Boris Becker oder Sven Hannawald. Wo wir diese Rechte dann jeweils ausspielen, überlegen wir strategisch sehr genau. 

Diese Integration ist ja bereits vor einiger Zeit angekündigt worden. Gibt es diesbezüglich schon einen Zeithorizont, bis wann der Eurosport Player integriert sein wird?

Feste Termine zu nennen, habe ich mir abgewöhnt, weil hinter einem solchen Projekt komplexe technische Prozesse stehen. Daher kann ich diesbezüglich noch kein fixes Datum nennen. Als nächsten Schritt werden wir bei Joyn unser Premium-Modell Joyn Plus einführen.

Dass parallel dazu Player wie Apple oder Disney mit ihren Streamingdiensten auf den Markt drängen, stört Sie nicht?

Ich sehe das überhaupt nicht als Problem, weil dadurch zusätzliche Aufmerksamkeit auf das Thema Streaming gelenkt wird. Jeder Wettbewerb ist förderlich für eine Marktentwicklung in Deutschland. Wenn Sie sich überlegen, dass es noch vor wenigen Jahren hieß, dass die Deutschen nicht zahlungsbereit seien, dann hat sich diesbezüglich schon heute sehr viel getan. Um sich in Zukunft behaupten zu können, wird die Kuratierung von Inhalten in meinen Augen immer wichtiger werden, verbunden mit einem klaren Messaging an den Kunden. Da sehen wir uns mit Joyn und unserem Portfolio auf einem guten Weg.

Herr Horta, vielen Dank für das Gespräch.