Herr González, vor ziemlich genau zehn Jahren waren Sie zum ersten Mal im deutschen Fernsehen zu sehen. Müssen Sie sich da manchmal kneifen?

Natürlich hätte ich es damals niemals für möglich gehalten, auch nach zehn Jahren noch im Fernsehen zu sein. Ich genieße das noch immer. Das ist ein großes Geschenk.

Angefangen hat alles mit "Germany's next Topmodel". Wie sind Sie damals an den Job gekommen?

Das war keine Anfrage, sondern proaktiv. Ein deutscher Designer, der in New York lebt, rief mich an, weil er einen Agenten benötigte, um ihn zum Casting der Produktionsfirma zu bringen, die nach einem Casting-Direktor oder Catwalk-Trainer suchte. Die wussten damals selbst nicht so recht, was sie eigentlich wollen. (lacht) Ich hatte ja schon damals meine Agentur Sundance und kümmerte mich deshalb selbst mit um das bürokratische Verfahren. Nachdem er beim Casting nicht durchkam, entschied ich, meine eigene Biografie und Fotos zu schicken. Plötzlich ging alles ganz schnell und ich hatte eine Woche später einen Vertrag für "Topmodel".

War es denn so, wie Sie sich das vorgestellt haben?

Wenn ich die Wahrheit sagen soll: Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet. Ich bin damals direkt nach L.A. in die Model-Villa geflogen und fragte, was ich überhaupt machen soll. Daraufhin wurde mir gesagt: Überleg dir doch was! (lacht) Das gefiel mir natürlich.

Was gab den Ausschlag dafür, dass Ihre Zeit bei "Germany's next Topmodel" endete?

Nach drei Jahren habe ich gemerkt, dass ich etwas anderes machen wollte. Ich bin ein Mensch, der Herausforderungen liebt, und spürte, dass ich noch einen weiteren Schritt gehen muss. Also habe ich mir angeschaut, was in der deutschen Fernsehlandschaft noch so läuft und was davon zu mir passt – und habe "Let's Dance" entdeckt. Auch hier sind wir auf RTL zugegangen und haben mich als Juror vorgeschlagen.

Inzwischen machen Sie in der achten Staffel mit. Was ist aus Ihrer Sicht an der Show so besonders, dass Sie dort viel länger dabei sind als bei den "Topmodels"?

Ich liebe live! Und ich liebe die Spontaneität. Das ist eine ehrliche Familiensendung mit einem Hauch Glamour und Spaß, in der es am Ende auf Leistung ankommt. Natürlich genießen einige Kandidaten etwas mehr Sympathie bei den Zuschauern als andere, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem auch bei den Zuschauern die Leistung zählt. Diese Mischung begeistert mich bis heute sehr.

Innerhalb der Jury gibt’s desöfteren Reibung. Das sieht nicht immer nach Spaß aus.

Wir schätzen und mögen uns. Uns eint die Liebe zum Tanzen und zur Show, aber wir sind verschiedene Persönlichkeiten. Es gibt weltweit keine Jury in einem TV-Format, die so lange zusammengehalten hat wie wir. Die Zuschauer merken, dass das kein Spiel ist. Wir vertreten unsere Meinung und haben keine Angst vor Kontroversen. Da muss man durch, es ist wie in einer guten Familie. Außerdem kannst du in dieser Show nichts vorbereiten. Es kommen Situationen, in denen du einfach schlagfertig reagieren musst. Entweder du hast das oder du hast das nicht. 

Im Fernsehen wird häufig in Schubladen gedacht. Herr Llambi ist der strenge Juror, Sie werden oft als der lustige Spaßvogel beschrieben. Wird Ihnen das gerecht?

Ach, wir leben in einem demokratischen Land, in dem jeder das Recht hat, seine Meinung zu sagen. Ich höre diese Meinungen, aber am Ende entscheide ich selbst, wie Jorge wirklich ist. Ich bin ein Mensch, der viel gekämpft hat, um mein Leben so zu leben wie ich will. Nur so kann man in dieser Welt bestehen.

Woher nehmen Sie dieses Selbstbewusstsein?

Viele Leute kennen mich nur vom Fernsehen und wissen vermutlich gar nicht, dass ich in meinem Leben viel durchgemacht habe. Ich war mit verschiedenen Gesellschaften konfrontiert, habe in Kuba gelebt, in der Slowakei studiert und mein Diplom gemacht und habe gelernt, dass wir uns selbst lieben müssen. Im Alter von neun Jahren hat mir meine Großmutter gesagt: Du bist gut so wie du bist. Das habe ich nie vergessen. Da habe ich angefangen, mich selbst zu akzeptieren. Wir können vielleicht nicht die ganze Welt retten, aber wir können versuchen, glücklich zu sein.

Sie haben zwischenzeitlich auch im amerikanischen Fernsehen mitgewirkt. Welche Erinnerung haben Sie daran?

Das war eine grandiose Erfahrung, weil ich in der Show "The World's Best" Menschen aus der gesamten Welt kennenlernen durfte. Daraus sind viele Freundschaften entstanden, die bis heute halten. Und wahrscheinlich war ich der erste Mensch, der die kubanische Fahne im amerikanischen Fernsehen geschwungen hat. (lacht) Und wann hat man schon einmal Gelegenheit in einer Sendung zu jurieren, die von James Corden moderiert wird und in den die US-Kollegen Faith Hill, Ru Paul und Drew Barrimore heißen? Das war ein echtes Highlight.

Gab's Unterschiede zu Shows in Deutschland?

Da gibt es sehr große Unterschiede. Die Amerikaner legen viel Wert auf die Show an sich – the big show! (lacht) In Deutschland ist alles etwas ernster und familiärer.

Wie gut, dass Sie dieses Entertainment-Gen ins deutsche Fernsehen bringen.

Jedes Volk hat eine andere Mentalität. Wir Kubaner sind laut, expressiv und kommunikativ, wir wollen immer lachen. Die Menschen in Deutschland sind dagegen viel zurückhaltender. Da muss ich manchmal daran erinnern, dass wir eine Unterhaltungsshow machen. Wenn die Leute von ihrer Arbeit nach Hause kommen und den Fernseher einschalten, dann wollen sie auch mal von ihren Problemen abgelenkt werden – momentan wahrscheinlich mehr denn je. 

Eigentlich sollte gerade in Düsseldorf Ihre Ausstellung "Proyecto Habana" stattfinden. Was hätte die Besucher erwartet – und besteht die Chance auf einen Nachholtermin?

Ich hatte das große Glück, dass Starfotograf Anatol Kotte mit mir und meinem Designer und Freund José Bénédí nach Havanna geflogen ist, um mich mit Menschen und an besonderen Orten Kubas in meinen Couture Kreationen z. B. von Let’s Dance zu fotografieren. Die Idee war, den heutigen bunten und schillernden Jorge González in seiner heimatlichen Kulisse zu zeigen. Da entstanden sehr kontrast- und facettenreiche Bilder einer Ausstellung. Anatol Kotte fotografiert sonst eher viele politische Berühmtheiten wie u. a. auch Angela Merkel für das New Yorker Timing Magazine, er hat nicht diese typische Fashion-Bildsprache. Ihm sind da fast epische Bilder gelungen – und das sage ich nicht, weil ich in den meisten zu sehen bin. Sie zeigen auch ein sehr ehrliches Bild des heutigen Kuba, wo es vielen Menschen nicht besonders gut geht. Die Ausstellung war bis Ende Mai 2020 geplant, sie wird im Rahmen der Richtlinien Düsseldorfs wieder eröffnet und voraussichtlich dann etwas länger in der Galerie bleiben als gedacht.

Herr González, vielen Dank für das Gespräch.