Herr Valente, Herr Wesseler. Eigentlich wollten wir über die neuen Crime-Serien in Sat.1 und "Marco Schreyl" bei RTL sprechen. Jetzt hat das Coronavirus Deutschland und die Branche fest im Griff. In Köln sind Dreharbeiten im öffentlichen Raum verboten worden. Wie sehr trifft Sie das?

Felix Wesseler: Am letzten Montag haben wir reagiert und alle Produktionen, also nicht nur in Köln, sondern auch in Hürth und Berlin, erstmal gestoppt. Einfach auch um zu schauen, wie wir die Sicherheitsmaßnahmen wie den empfohlenen Sicherheitsabstand einhalten können. Derzeit sind immer noch alle Dreharbeiten bis auf unseren Talk "Marco Schreyl", wo wir im Studio eben zum Beispiel Mindestabstände einhalten können, unterbrochen. Unsere bundesweiten Castings haben wir schon  Freitag vor einer Woche eingestellt, das gilt bis nach Ostern. Bei unseren Soaps schauen wir uns nun an, wann und in welcher Form wir die Dreharbeiten in verantwortungsvoller Weise fortsetzen können. Grundsätzlich drehen wir ja bei allen Formaten sehr viel on location, und diese Außenmotive, wie etwa Clubs, sind schlicht alle geschlossen. Wie wir zum Beispiel kontaktlos in den WGs drehen können, prüfen und erarbeiten wir gerade.

Sie scheinen ziemlich entspannt. Wie fangen Sie das auf, sprechen Sie mit den Sendern?

Vittorio Valente: Natürlich stimmen wir uns mit den Sendern ab. Ich habe mit allen Geschäftsführern der Sender gesprochen, für die wir produzieren. Wir sind da täglich im Austausch und müssen das zusammen beschließen. Als großer Arbeitgeber haben wir allerdings vor allem eine Pflicht gegenüber unseren Mitarbeitern, wir müssen die Corona-Krise so gut wie möglich händeln. Die Gesundheit der Mitarbeiter steht über allem.

Wesseler: Panik und Angst bringen gar nichts, das ist das Wichtigste. Wir haben uns mit vielen Produzenten ausgetauscht und ich habe das Gefühl, alle in der Branche sehen das so. Wir alle müssen besonnen handeln und ruhig bleiben. Aber uns bei Filmpool trifft das mit voller Härte. Nochmal, derzeit stehen all unsere Dreharbeiten bis auf eine.

"Marco Schreyl" ist die einzige Sendung von Filmpool, die produziert wird. Derzeit sogar live und länger als üblich. Ist die Sendung ein Gewinner der Krise und was haben Sie aus der vergangenen, sehr speziellen Woche mitgenommen?

Valente: Wir versuchen in enger Absprache mit RTL auf die Krise einzugehen und dem Publikum die maximale Information weiterzugeben. Wir haben tolle Experten im Studio und Marco Schreyl hat sich als genialer Talker entpuppt, der in der Lage ist, Verbindungen zwischen unterschiedlichsten Gästen im Studio und Experten zu schaffen. Dass das bislang gut angenommen wurde, ist schön. In Zeiten wie diesen sind Quoten aber nicht ganz so wichtig. Am Ende schielen wir zumindest momentan nicht auf die Quoten, sondern versuchen eine gute Sendung für die Zuschauer zu machen. Das wird auch in den nächsten Tagen so sein. Auch dann wird RTL "Marco Schreyl" täglich live senden und uns mehr Sendezeit zur Verfügung stellen, um über Corona zu sprechen.

Wesseler: Ernst und Unterhaltung sind kein Widerspruch, den Beweis treten wir gerade täglich an. In diesen Zeiten haben wir eine systemrelevante Funktion. Übrigens nicht nur Sendungen, die Informationen liefern, sondern auch Unterhaltungsformate. Stichwort Eskapismus. Auch diese Produktionen sind aktuell ganz wichtig für die Moral in der Bevölkerung, denke ich. Insofern haben wir gemeinsam als Branche eine große Verantwortung, und auch wir versuchen unseren Teil beizutragen.

"In Zeiten wie diesen sind Quoten nicht ganz so wichtig."
Vittorio Valente

Was haben Sie denn grundsätzlich aus den ersten fünf Wochen "Marco Schreyl" mitgenommen? Also fernab von Corona. Was läuft gut? Was weniger?

Valente: Wie immer muss man bei täglichen Formaten mindestens sechs bis acht Wochen abwarten, um seriöse Aussagen treffen zu können. Dass wir mit den Quoten nicht zufrieden sind, ist ja klar. Wir analysieren das und schrauben kontinuierlich am Programm. Eine Talkshow, wie wir sie machen, hat eine große Chance zu reüssieren. Weil sie breit gefächert ist und viele Themen abdeckt. Unsere große Vision ist es ja, die Sendung auch künftig live zu machen, um das abzudecken, was den Menschen wichtig ist. In der Krise haben die Zuschauer ein Bedürfnis nach Informationen, nach der Krise gibt es andere Themen. Grundsätzlich gilt: Themen, die nah bei den Menschen sind, funktionieren gut. Es muss immer authentisch sein. Lassen Sie mich an der Stelle unserem "Marco Schreyl"-Team danken, die Kolleginnen und Kollegen arbeiten momentan rund um die Uhr und machen einen fantastischen Job.

Wie geht es Filmpool denn sonst?

Valente: Grundsätzlich geht es uns sehr gut, allerdings unabhängig von der Krise, von der wir ja noch nicht wissen wie lange sie andauern und welche Auswirkungen sie haben wird. Wir haben so viele Aufträge wie noch nie und auch so viele Kunden wie noch nie. Wir haben gerade Joyn als Kunden hinzugewonnen und dort unsere True-Crime-Reihe "Mördermann" gestartet. Außerdem befinden wir uns in guten Gesprächen mit TVNow, daneben gibt es natürlich auch Gespräche mit den TV-Sendern, mit denen wir seit Jahren gut zusammenarbeiten.

Wesseler: Demnächst zeigt RTLzwei "Im Namen des Volkes" in der Primetime, ein Hybridformat zwischen Sozial-Experiment und True Crime. Hinzu kommt noch "Auf Achse" bei Vox. Das alles ist das Ergebnis der Bemühungen, uns wieder breiter aufzustellen und uns dabei auf unsere Stärken zu besinnen. Weil manche Sender Scripted nun nicht mehr wollen, haben wir uns angesehen, was der eigentliche Kern davon ist. Neben starken Geschichten sind das Inszenierungen mit Cast, also Reenactments, die wir sehr gut beherrschen. Diese Stärke spielen wir auch in den neuen Formaten von Joyn und RTLzwei aus.

Valente: Auch die Scripted-Programme in Sat.1 erzielen derzeit starke Quoten und bilden für den Sender eine wichtige Säule. Scripted Entertainment ist immer noch sehr erfolgreich, dennoch sind wir heute breiter aufgestellt als noch vor weniger Jahren.

"Ernst und Unterhaltung sind kein Widerspruch, den Beweis treten wir gerade täglich an."
Felix Wesseler

Sich auf Stärken besinnen heißt ja auch, dass man andere Dinge, die man nicht so gut kann, sein lässt. Was lässt Filmpool sein?

Wesseler: Was wir sein lassen haben sind Sendungen wie "Familien im Brennpunkt", die ihre Zeit hatten. Stattdessen füllen wir die Sendeplätze derzeit recht erfolgreich mit anderen Formaten, um 16 Uhr bei RTL etwa mit "Marco Schreyl". In dem Falle Infotainment statt Scripted also. Besinnen heißt aber nicht, dass wir etwas komplett sein lassen. Scripted ist nach wie vor eine starke Farbe und wird das auch in Zukunft sein. Aber eben eine von mehreren, die wir können. Immer gilt: Filmpool ist Mainstream. Wir sind da nicht kompliziert, sondern ehrlich gesagt sehr stolz darauf, den Geschmack der Massen zu erkennen und zu bedienen. Wir machen alles, außer vielleicht die klassische Showtreppe.

Valente: Was uns viele bis vor einiger Zeit nicht zugetraut haben, eben weil wir lange auf Scripted gesetzt haben, waren zum Beispiel Live-Sendungen. Nun lief "Marco Schreyl" die ganze Woche 90 Minuten lang live zum Thema Corona. Das heißt auch die journalistische Kompetenz ist seit Gründung durch die Journalistin Gisela Marx 1974 in der DNA der Filmpool verankert - und derzeit reaktivieren wir das.

Auf Seite zwei geht es um die neuen Crime-Serien in Sat.1, Neuerungen bei "Berlin - Tag & Nacht" und "Köln 50667" und die Zukunft von The Fiction Syndicate.