Wie wichtig ist der Bereich Factual inzwischen eigentlich für Filmpool?

Valente: Factual ist für uns extrem wichtig und wir werden diesen Bereich weiter ausbauen. Gleichzeitig hegen und pflegen wir Scripted natürlich. Perspektivisch kann es natürlich schon so sein, dass wir auf ein Verhältnis von 50:50 kommen. Es ist aber immer schwer, das so pauschal zu sagen. Wir wollen maßgeschneiderte Inhalte für die Sender produzieren und gerade bei Sat.1 sieht man, dass das mit Scripted sehr gut funktioniert. Demnächst gibt es zusätzlich zu unseren bestehenden Programmen ja auch unsere beiden neuen Serien "Grünberg und Kuhnt" und "Richter und Sindera - Ein Team für harte Fälle".

Die Serien sollten eigentlich am heutigen Montag starten. Wegen der Corona-Liveshow von Luke Mockridge hat Sat.1 die Serien erst einmal verschoben. Welche Auswirkungen hat die Verschiebung? Wie bewerten Sie das?

Valente: Wir haben vollstes Verständnis für die Entscheidung, den Live-Anteil in der Programmierung aktuell zu erhöhen. Unsere Sendungen werden sicher bald zum Einsatz kommen.

Wie überrascht waren sie eigentlich, als Sat.1 erstmals auf Sie zugekommen ist wegen der Crime-Serien? Die Zeit von "Niedrig & Kuhnt" & Co. schien ja schon vorbei.

Valente: Bei Sat.1 Gold läuft "Niedrig & Kuhnt" seit Jahren stark über Senderschnitt. Dieser Retro-Gedanke macht sich im linearen Fernsehen sehr breit, es gibt eben doch noch sehr viele Zuschauer, die gerne klassisch TV schauen. Die Serien können eine Chance sein, wieder vermehrt ältere Zuschauer ins Boot zu holen, aber natürlich auch Jüngere.

Wesseler: Übrigens nicht nur in Sat.1 und bei Sat.1 Gold. Bei RTLplus laufen unsere Gerichtsshows ja auch schon seit vielen Jahren sehr gut und sind eine wichtige Stütze für den Sender.

Valente: Für uns ist jetzt sehr spannend, ob diese Nostalgie in Form einer Neuauflage funktioniert. Neben Bernie Kuhnt haben wir noch einige andere Darsteller aus dem alten "Niedrig & Kuhnt – Kommissare ermitteln" für die neue Sendung gewinnen können. Wir hoffen, dass wir mit "Grünberg und Kuhnt" sowohl die alten Fans als auch neue Zuschauer ansprechen können.

Wo liegt der Unterschied in den beiden neuen Formaten im Vergleich zu "Auf Streife" & Co.?

Valente: In "Grünberg und Kuhnt" und "Richter und Sindera" stehen die Ermittler im Fokus. Außerdem sind die beiden Serien etwas fiktionaler als "Auf Streife".

Wesseler: Bei "Auf Streife" folgen wir den Polizisten und dem, was sie täglich auf der Straße, eben auf Streife, erleben. "Grünberg & Kuhnt" kümmern sich auch um Kapitalverbrechen.

"Wir planen gerade die größte Rückholaktion der Geschichte der Serie."
Vittorio Valente über "Berlin - Tag & Nacht"

Sie haben bereits die neue Vox-Sendung "Mein Leben auf Achse" erwähnt. Sie begleiten darin "starke Frauen", die wahlweise Busse, LKWs, Boote oder auch Taxis fahren. Wie sehr ist das an den "Trucker Babes" von Kabel Eins angelehnt?

Valente: Die "Trucker Babes" sind ein starkes Programm und ich schaue das sehr gerne, ich glaube Felix Wesseler auch.

Wesseler: Ja, aber ich finde Schiffe cooler als Trucks (lacht).

Valente: Der Grundgedanke war, 24 Stunden unterwegs zu sein und starke Frauen zu zeigen, die auf der einen Seite hart arbeiten und sich gleichzeitig auch um Kinder, Familie usw. kümmern müssen. Wir schauen die "Trucker Babes" gerne, aber unsere Sendung wird sich sehr deutlich davon unterscheiden. Das ist dann unsere erste Factual-Weekly. Unser großer Traum ist es natürlich, bald auch unser erstes tägliches Factual-Format zu produzieren.

Wie sieht es denn bei "Berlin - Tag & Nacht" und "Köln 50667" aus? Vor allem erstgenannte Serie liegt inzwischen immer mal wieder unter dem Senderschnitt von RTLzwei. Woran liegt das und was tun Sie dagegen?

Valente: Bei "Berlin - Tag & Nacht" wird viel passieren, wir sind da in einem guten Kontakt mit RTLzwei. Wir planen gerade die größte Rückholaktion der Geschichte der Serie. Viele bekannte und beliebte Figuren der Serie werden zurückkehren. Insofern ist die Quote vielleicht auch darauf zurückzuführen, dass wir viele starke und bekannte Protagonisten in beiden Serien verloren haben. Die Zuschauer haben sich dann ein Stück weit neu orientiert, wobei ich auch ganz klar sagen möchte, dass beide Formate digital große Hits sind. Wir haben bei Youtube unglaublich viele Klickzahlen. Bei TVNow sind die Zahlen auf einem guten Niveau. Es ist fast schon pervers: Im Fernsehen gehen die Quoten zurück, aber bei Youtube laufen sie stark wie nie. Das sind natürlich besonders die jungen Zuschauer, die online schauen. Jetzt versuchen wir deshalb den Spagat. Wir holen Lieblinge zurück und erzählen etwas mehr aus den WGs, so wie noch vor ein paar Jahren, halten aber dennoch junge Neuzugänge in der Serie – und versuchen so, sowohl die ganz jungen als auch die etwas älteren Zuschauer anzusprechen.

Und bei "Köln 50667"?

Valente: Da hat uns der plötzliche Tod unseres Hauptdarstellers Ingo Kantorek in vielerlei Hinsicht sehr schwer getroffen. Menschlich, erzählerisch, aber auch produktionell. Das kriegen wir erzählerisch inzwischen wieder langsam in den Griff, indem wir viele neue Darsteller eingebaut haben. Aber auch hier werden wir einige bekannte Gesichter zurückholen, allen voran wird "Berlin - Tag & Nacht"- und "Köln 50667"-Star Meike alias Pia Tillmann zurückkehren. Dass wir die lineare Quote wieder steigern können, haben wir im Verlauf der Zeit bei beiden Serien schon bewiesen. Das wollen wir auch jetzt schaffen.

Im vergangenen Jahr haben Sie die Firma The Fiction Syndicate (TFS) gegründet, als ersten Auftrag wurde die RTL-Daily "Herz über Kopf" produziert. Die ist nun schon wieder Geschichte, wie geht es bei TFS weiter?

Valente: Natürlich ist es schade, dass die Serie nicht so funktioniert hat wie wir uns das erhofft haben. Gleichzeitig haben wir uns gut geschlagen. Mit dem Production Value, das wir hergestellt haben, waren alle zufrieden. Durch Corona sind wir hier jetzt in einer Situation, in der beispielsweise alleine in der letzten Woche zwei Pitches vorerst abgesagt wurden. Wir haben grundsätzlich aber einige Projekte, die hoffentlich bald spruchreif sind. Die DNA von TFS ist, Geschichten zu erzählen, die in der Welt passieren. Gerade auch mit jungen Personen. Wir arbeiten beispielsweise an einer Serie, in der eine Youtuberin eine sehr große Rolle spielt. Aus Themen der realen Welt wollen wir fiktionale Serien machen.

Herr Valente, Herr Wesseler - vielen Dank für das Gespräch!