Herr Lau, "Betonrausch" wirkt auf den ersten Blick wie das deutsche "Wolf of Wall Street". Fühlen Sie sich mittlerweile wie der deutsche Leonardo Di Caprio?

Danke für die Blumen, aber überhaupt nicht. Er ist ein fantastischer Schauspieler und es wäre ganz schön vermessen, wenn ich mich mit ihm vergleiche. Da kommt man einfach schwer ran. Ich fühle mich im Endeffekt gerne wie Frederick Lau, der so gut abliefert, wie es geht. 

Vergleiche finden in der Medienwelt gerne und oft statt. Was halten Sie als Künstler davon, neue Dinge alte Dingen gegenüberzustellen?

Das sollte man nicht tun. Jede Serie, jeder Film und jeder Mensch ist ein Unikat und egal wie ähnlich sich gewisse Dinge sind, wird es nie zu hundert Prozent die gleiche Sache sein. Es ist auch einfach unfair, wenn man etwas schlechter bewertet, nur weil man noch ein ganz anderes Projekt im Kopf hat, das anders an die Sache gegangen ist. 

Das sagt sich so leicht. Wie schaffen Sie es, dass Sie sich nicht mit anderen Schauspielern vergleichen?

Ich bin wirklich der festen Überzeugung, dass jeder für sich selbst stehen muss. Ich mach’ mein Ding und das hat bis heute ganz gut funktioniert. Ich wüsste auch nicht, wieso ich auf andere Schauspieler achten sollte. Das hat mir noch nie etwas gegeben. Ganz im Gegenteil: Wenn man andere kopieren möchte, verfälscht man seinen eigenen Wert. Jeder von uns sollte sich intensiv mit seiner eigenen Person auseinandersetzen, damit man so schnell wie möglich erkennt, wer man eigentlich ist und in welche Richtung man gehen möchte.

Das ist eines meiner größten Probleme, weil ich dann am ganzen Körper zittere.

Sie haben einst gesagt, dass Klaus Kinski einer ihrer Lieblingsschauspieler ist. Lassen Sie sich immerhin bei ihm derart inspirieren, dass Sie den Wunsch haben, auch mal solch eine verrückte Rolle zu spielen, wie er?

Auf jeden Fall! Darauf hätte ich riesige Lust. Was mein Benehmen am Set angeht, sind wir aber schon noch unterschiedlich. Auch wenn es den ein oder anderen angespannten Moment gab, bin ich generell drauf bedacht, dass die Stimmung locker und freundlich ist. Wenn die Stimmung tot ist, kann ich nicht spielen. Das ist eines meiner größten Probleme, weil ich dann am ganzen Körper zittere.

Wurde Ihnen schon mal gesagt, dass Sie mit ihrer Physiognomie dafür prädestiniert sind, Schauspieler zu sein?

Tatsächlich nicht. Es war jedenfalls nicht so, dass ich am Anfang meiner Karriere von der Straße weggecastet wurde, weil ich das perfekte Gesicht für einen Schauspieler hätte. Ich habe damals einfach angefangen und irgendwie hat sich alles ergeben. Wenn die Frage aber so explizit aufkommt, muss ich schon sagen, dass da natürlich was dran sein kann. 

Wie viel Arbeit muss dann noch zusätzlich in die Performance gesteckt werden, damit das Ganze am Ende so aussieht, wie es aussieht?

Für mich hat das auch viel damit zu tun, wie die Umstände am Set aussehen. Wenn man dieses Gefühl hat, dass man hier gerade ein richtiges Brett dreht, dann geht man auch mit einer gewissen Energie in seine Szenen. Gleiches Spiel mit dem Team drumherum: Wenn da etwas nicht stimmt und man schon genervt am Catering rumläuft, zeigt sich das auch zu einem gewissen Grad im Schauspiel. Ansonsten ist es mir natürlich wichtig professionell zu sein und so viel Leidenschaft in meine Charaktere zu stecken, wie möglich. 

Zu "Victoria" haben Sie einst gesagt, dass Sie nach Drehende nach Hause gegangen sind und dachten, "Fuck, wir haben Filmgeschichte geschrieben"- kam dieser Höhepunkt nicht etwas früh in ihrer Karriere?

Zu früh? Überhaupt nicht. Ich mache das Ganze seit über 20 Jahren und habe mir alles, was derzeit in meinem Leben vor sich geht, aufgebaut. Es kommt immer alles so, wie es kommen soll. Nur, weil so ein Riesending passiert ist, als ich gerade mal 25 Jahre alt war, heißt das nicht, dass ich unmotiviert an andere Projekte herangehe. Ganz im Gegenteil. Ich wusste dadurch relativ früh im Leben, was filmtechnisch alles möglich ist und dass ich so etwas nochmal schaffen möchte.

Betonrausch

Sie spielen in "Betonrausch" mal wieder einen härteren Millieu-Typen mit einer sensiblen Seite - haben Sie die Rolle mittlerweile nicht perfektioniert?

Selbst innerhalb dieser Typenart gibt es ganz viele Facetten, die ich noch nicht alle ergründet habe. Ich würde also nicht behaupten, dass ich in "Betonrausch" eine Figur kopiere, die es in einem meiner anderen Filme schon einmal gab, auch wenn es gewisse Ähnlichkeiten gibt. Mein wichtigstes Kredo ist sowieso: Solange mir etwas Spaß macht, habe ich damit noch nicht abgeschlossen. 

Ihre Figur ist ein Hochstapler ohne Skrupel. In solch eine Rolle kann man sich wohl besser hineinversetzen, wenn man schon einmal Erfahrung mit solch einem Schlag Mensch gemacht hat. Wurden Sie schon mal beschissen?

Wer nicht? Auch ich bin schon mal beklaut worden. Ich finde es aber auch gar nicht schlecht, dass das passiert ist. So etwas prägt den Charakter und man lernt etwas aus solchen Situationen. Für die Zukunft können solche Scheißmomente richtig wichtig sein. 

"Licht aus, Ton laut machen, Klappe halten und nicht am Handy hängen."

- Frederick Lau darüber, wie man richtig Netflix schaut

Ist es Ihnen eigentlich wichtig, ob der Film nun bei Netflix läuft, oder im Kino?

Ich sag’s wie es ist: Ich bin großer Kino-Fan. Ich liebe die große Leinwand einfach. Ich gucke aber auch ganz viele Sachen auf Netflix, weil die Qualität da einfach stimmt. Hinzu kommt die Reichweite, die man generieren kann. Das wäre mit einem deutschen Kinostart eher weniger möglich gewesen. Jetzt können auch Leute aus Indien sehen, was wir auf die Beine gestellt haben. Für das richtige Feeling sollte man sich zu Hause bei Netflix aber genauso verhalten, wie im Kino. Also: Licht aus, Ton laut machen, Klappe halten und nicht am Handy hängen. 

Welchen aktuellen Film- oder Serientipp können Sie gegen die Corona-Langeweile geben?

Aus Schauspieler-Sicht finde ich es echt bemerkenswert, wie die Darsteller bei der Netflix-Serie "I Am Not Okay With This" performen. Sowieso muss ich sagen, dass ich weitestgehend Produktionen schaue, die bei Streamingdiensten zu sehen sind. Der klassische Fernseher ist für mich so gut wie tot. 

Kreative Menschen haben es jobtechnisch momentan nicht leicht, vor allem diejenigen nicht, die keinen festen Vertrag haben. Reagiert die Branche ihrer Meinung nach richtig auf die Umstände durch das Coronavirus?

Erstmal ist es natürlich der richtige Weg, alle Produktionen zu stoppen und abzuwarten, bis keine Gefahren für die Gesundheit mehr herrschen. Was die Vertragsregelungen angeht bin ich kein Experte, aber ich habe die Hoffnung, dass jetzt gut mit allen umgegangen wird. Diese Zeit wird nämlich irgendwann enden und wenn man davor gezeigt hat, was für einen scheiß Charakter man hat, wird das auch nach Corona noch weh tun. Kreativ gesehen glaube ich, dass da einiges passieren wird. Gerade Musiker, die jetzt zu Hause eingeschlossen sind, haben ganz viel Zeit neue tolle Songs zu schreiben. 

Frederick Lau, vielen Dank fürs Gespräch!