Herr Schönfelder, Sie haben den letzten Film mit Hannelore Elsner produziert. Wann haben Sie von Ihrer schweren Erkrankung erfahren?

Die Dreharbeiten für "Lang lebe die Königin" begannen voriges Jahr im März und Hannelore Elsner erfreute sich aus meiner Sicht bester Gesundheit. Schon bei der Drehbuchlesung riss sie die Situation komplett an sich. Da waren 15 Schauspieler, aber eigentlich drehte sich alles nur um sie. Auch bei der Kostümprobe erschien sie quietschfidel. Hannelore Elsner pflegte mit solchen Dingen einen besonderen Umgang, weil sie die Kostüme immer so probierte, wie sie im Film getragen wurden. Wenn sie also einen Schlafanzug trug, hat sie sich damit hingelegt. Sie hat direkt die Szene gesehen und nicht nur das Kostüm. Zum Dreh selbst erschien sie sehr aufgeräumt. Es war nichts zu sehen von einer Erkrankung, auch wenn sie etwas zerbrechlicher wirkte als die Jahre zuvor. Das habe ich aber nicht im Zusammenhang mit einer Krankheit gesehen, sondern mit dem fortschreitenden Alter.


Dennoch konnten die Dreharbeiten nicht beenden werden.

Eines Tages wollte sie der Fahrer morgens zum Dreh abholen. Da sagte sie ihm, dass sie krank sei und eine Krankschreibung schicken würde. Wir haben daraufhin erst einmal geschaut, welche Szenen wir ohne sie drehen können. In einem solchen Falle setzt man die Dreharbeiten auf Standby, schließlich gingen wir davon aus, nach zwei Wochen weitermachen zu können. 

Geht das denn so einfach, schließlich dürfte es ja viele Anschlusstermine gegeben haben?

Eine Drehunterbrechung bedeutet einen großen Mehraufwand, weil man erst mal sicherstellen muss, den Film mit einem Team zu Ende bringen zu können. Das ist eine logistische Aufgabe. Natürlich wäre der eine oder andere mit Anschlussterminen ausgefallen, aber die Darsteller hatten Zeit. Dann teilte uns jedoch der Arzt mit, dass Hannelore Elsner nicht mehr ans Set zurückkehren würde. Entsprechend groß war der Schock.

Wie haben Sie reagiert?

Als klar war, dass es mit ihr nicht weitergehen würde, haben wir erst mal alle entlassen, um in Ruhe überlegen zu können, wie es weitergeht. Im Schnitt stellte sich heraus, wie toll das gedrehte Material geworden ist. In diesem Moment war uns klar, dass wir das Projekt auch ihr zu Ehren zu Ende bringen zu müssen. Daher kam es für uns nicht in Frage, alles wegzuschmeißen und mit einer anderen Darstellerin neu zu drehen. Das wiederum kam auch der Versicherung sehr entgegen, weil der Totalausfall der größte anzunehmende Unfall gewesen wäre.

Lang lebe die Königin

Hannelore Elsner und Günther Maria Halmer (Foto: BR/ARD Degeto/ORF/Neue Schönhauser Filmproduktion GmbH/Marco Nagel)

Sie haben hochkarätigen Ersatz gefunden und die Dreharbeiten wieder aufgenommen. Nach welchen Kriterien haben Sie die Rolle besetzt?

Zunächst einmal haben wir in einem kleiner Zirkel, bestehend aus Regisseur, Drehbuchautorin, Redakteurin und mir, überlegt, wie sich der Film zu Ende bringen lässt. Gerlinde Wolf hatte schließlich die Idee, eine Hommage für Hannelore Elsner zu machen, indem man die fünf übrig geblieben Szenen von unterschiedlichen Darstellerinnen spielen lässt. Das hat uns sehr schnell überzeugt. Wir haben daraufhin versucht, jeder Szene eine passende Schauspielerin zuzuordnen – sie musste natürlich prominent sein, weil nur dann die Idee einer Hommage wirklich aufgeht. Nun hoffen wir, dass wir das einigermaßen gut gemacht haben.

Was hat das mit dem Film letztlich gemacht?

Da kann man verschiedener Meinung sein. Wenn man gar nicht darauf vorbereitet ist, stellt es eine Irritation dar, wenn Hannelore Elsner in einer Szene in ein Auto einsteigt und am Ende der Fahrt Gisela Schneeberger aussteigt. Das muss man verdauen, weil es geradezu surreal ist. Weil sich aber die meisten Zuschauer im Vorfeld informieren und es sicherlich auch Berichte darüber geben wird, haben wir es gewagt. Ich halte es nicht für eine schlimme Zumutung. Wenn der Zuschauer es einmal begriffen hat, geht er mit. Und wenn er mitgeht, haben wir die Hoffnung, dass so etwas wie ein zusätzlicher Gedanke entsteht.

Was meinen Sie?

Die Tatsache, dass es sechs Schauspielerinnen sind, die diese Mutter spielen, sorgt für eine zusätzliche Ebene – dass es diese Art Mutter aus dieser Generation häufiger gab. Es ist eben nicht nur eine individuelle Geschichte. Da gibt es sicherlich Problematiken der Nichtanerkennung, des Nichtsehens, die womöglich etwas universeller beobachtet werden können.


Wie werden Sie persönlich Hannelore Elsner in Erinnerung halten?

Ich kannte sie schon relativ lange – auch schon vor dem Filmprojekt, das mehrere Jahre in der Schwebe war, weil wir zunächst eine Finanzierung finden mussten. Hannelore Elsner hat selbst kaum noch damit gerechnet, dass der Film zustandekommen würde. Sie war aber immer als Schauspielerin gesetzt. Ich werde sie als wahnsinnig tolle Frau in Erinnerung behalten, für die das Spielen alles war. Sie war unglaublich lebendig, erotisch, unbändig – eben eine ganz große Darstellerin. 

Der "Spiegel" bezeichnete Hannelore Elsner einmal als "die letzte Diva". 

Ich weiß nicht, ob Hannelore Elsner die letzte Diva war. Aber auf eine bestimmte Art war sie schon eine Diva, auf jeden Fall. Natürlich war sie auch jemand, mit dem man sich ordentlich zoffen konnte, eine starke Persönlichkeit. Das macht das Bild aber nur umso kompletter.

Herr Schönfelder, vielen Dank für das Gespräch.

"Lang lebe die Königin" läuft am Mittwoch um 20:35 Uhr im Anschluss ans "ARD extra" im Ersten.