Herr Kühn, die wichtigste Frage gleich vorab: Wie geht es Tresor TV in der Krise? Wie liefen die letzten Wochen?

Axel Kühn: Es ist eine schwierige Situation. Es gibt keinen Produzenten, für den die letzten Wochen nicht die größte Herausforderung der Laufbahn waren. Deshalb will ich mich gar nicht beklagen, es geht allen schlecht. In der ersten Zeit haben wir uns sehr mit juristischen Themen beschäftigt, da ging es zum Beispiel um die Kurzarbeit. Auch innerhalb der Produzentenallianz haben wir in den letzten Wochen viel Arbeit in akute Erleichterungen und Unterstützung investiert. Es gab also viel zu tun, auch viel neues. Aber ich glaube wir sind uns einig: Auf diese neue Erfahrung hätten wir alle gerne verzichtet.

Wie sieht die "größte Herausforderung" Ihrer Produzenten-Laufbahn denn konkret aus?

Axel Kühn: Es hat uns so voll erwischt, wie es einen eben erwischen kann. Das ist so, als wenn man in einem bis auf den letzten Platz besetzten Bus eine Vollbremsung hinlegt. Wir hatten das Pech, dass all unsere Produktionen kurz vor Drehbeginn standen. Sei es in der Fiction oder im Non-Fiktionalen. Wir haben also mit vollem Personal und ganzer Kraft in den Drehvorbereitungen gesteckt und mussten dann alles absagen. Nachdem wir uns sortiert hatten, stecken wir jetzt in den Vorbereitungen für den Neubeginn der Dreharbeiten.

Welche Maßnahmen haben Sie bei Tresor TV ergriffen, um die Krise abzufedern?

Axel Kühn: Wir haben auslaufende Verträge auslaufen lassen müssen. Und darüber hinaus war Kurzarbeit die erste Maßnahme, die wir eingeführt haben. In der Non-Fiction sind alle Mitarbeiter in Kurzarbeit, das geht hoch bis in die Geschäftsführung. Teilweise zu 100 Prozent, teilweise zu 20 Prozent. Auf die Fiction-Mitarbeiter trifft das nicht komplett zu. Dort haben wir das Glück, dass wir unsere erste Serie "Unter Freunden stirbt man nicht" nur über einen überschaubaren Zeitraum verschieben mussten, weshalb hier einige Mitarbeiter aus dem Büro weiterarbeiten konnten und eher noch mehr Arbeit hatten. Aber auch hier sind die Produktionsmitarbeiter in Kurzarbeit.

Wie sieht es bei Ihnen persönlich aus?

Axel Kühn: Ich bin auch in Kurzarbeit, ich arbeite einen Tag weniger pro Woche. Aber es geht natürlich nicht ums weniger Arbeiten, sondern eher um die Bezahlung. Das war mir wichtig, weil es ein Zeichen an die Mitarbeiter ist. Ich kann nicht von allen Einschnitte verlangen, wenn ich dazu nicht auch selbst bereit bin.

"Es gibt keinen Produzenten, für den die letzten Wochen nicht die größte Herausforderung der Laufbahn waren."
Axel Kühn

Frau Christ, als Fiction-Chefin arbeiten Sie derzeit an der ersten fiktionalen Serie von Tresor TV. "Unter Freunden stirbt man nicht" wird eine Produktion für TVNow und Vox. Wie geht es hier nun weiter?

Christina Christ: Wir mussten das Projekt zwei Wochen vor Drehbeginn unterbrechen, nachdem die Mitarbeiter zuvor schon aus dem Home Office gearbeitet hatten. Jetzt sind wir dabei, intern ein Konzept zu erarbeiten, mit dem Drehen unter Corona möglich sein wird. Bis Mitte Juni werden wir die Situation final bewerten in der Hoffnung, mit den Dreharbeiten Ende Juli starten zu können.

Um welche Maßnahmen geht es da genau? Wie sieht das Konzept aus?

Christina Christ: Wir erarbeiten gerade ein Sicherheits- und Hygienekonzept. Natürlich orientieren wir uns an den Maßnahmenkatalogen, die bislang schon veröffentlicht sind. Etwa von der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse, aber auch von der Produzentenallianz oder der "Wirsind1Team"-Arbeitsgruppe. Und selbstverständlich halten wir Rücksprache mit einem eigens installierten Sicherheitsbeauftragten.

Haben Sie an den Drehbüchern geschraubt?

Christina Christ: Ja, auch das haben wir gemacht. Wir haben das Glück, dass unsere Drehbücher nicht allzu viele Komparsen-intensive Szenen haben, trotzdem gilt es einiges zu überdenken. Natürlich ist das auch eine wichtige Frage für unseren Regisseur Felix Stienz, der gerade daran arbeitet, bestimmte Szenen so aufzulösen, dass Abstände gewahrt bleiben.

Durch die kurzfristige Verschiebung sind mit Sicherheit Mehrkosten entstanden. Wer trägt die und wie läuft die Kommunikation mit TVNow bzw. Vox?

Christina Christ: Wir sind sehr froh über eine gute Gesprächsbereitschaft von der Mediengruppe RTL, aber auch der Film- und Medienstiftung NRW, die dieses Projekt gefördert hat.

Axel Kühn: Wir haben von Anfang an Gespräche mit der RTL-Gruppe geführt und wurden da unterstützt, das war sehr konstruktiv. Unsere Kosten sind ja weitergelaufen. Am Ende wird es eine Beteiligung von allen sein. Wir hängen da mit drin, aber auch der Sender und die Filmstiftung.

"Wir haben das Glück, dass unsere Drehbücher nicht allzu viele Komparsen-intensive Szenen haben, trotzdem gilt es einiges zu überdenken."
Christina Christ

"Unter Freunden stirbt man nicht" ist das erste fiktionale Projekt von Tresor TV. Gibt es künftig weitere Serien?

Christina Christ: Wir haben derzeit noch einen außergewöhnlichen 90-Minüter in der Entwicklung - und hoffentlich können wir dort auch bald in die konkreten Vorbereitungen gehen. Die Autoren sind Florian Puchert und Robert Krause.  

Axel Kühn: Da planen wir mit einem Dreh noch in diesem Jahr.

Christina Christ: Und dann arbeiten wir an einer Comedyserie mit Sebastian Colley, die für eine digitale Plattform in der Entwicklung ist. Zudem, unter anderem, an einer High-End Serie mit Benjamin Seiler. Circa zwei Drittel der Stoffe stammen übrigens aus dem Keshet-Katalog.

2018 hatte Tresor TV eine deutsche Adaption des Keshet-Formats "The Baker and the Beauty" angekündigt. Was ist daraus geworden?

Axel Kühn: Das war als Co-Produktion mit Constantin geplant, daraus ist letztendlich aber nichts geworden. Inzwischen läuft eine US-Adaption bei ABC und damit ist das für uns ein Thema, das nie völlig aus der Welt, jetzt aber gerade nicht akut ist.

Auf Seite zwei geht es um für Tresor TV schmerzhafte Einschnitte in der Non-Fiction, die Wichtigkeit ausländischer Märkte für das deutsche Geschäft und um die Veränderungen, die durch "The Masked Singer" angeschoben wurden.