Herr Benthues, wie hat Redseven Entertainment die Corona-Krise bis hierhin wirtschaftlich gemeistert?

Es hat uns genauso hart getroffen wie die meisten anderen Produktionsfirmen. Ab Mitte März kamen innerhalb von zwei Wochen die Einschläge gewissermaßen im Minutentakt – also Aufträge, die entweder verschoben oder abgebrochen wurden. Getreu meines Mottos „Ein Produzent muss produzieren“ haben wir uns aber schnell als verlängerte Werkbank unserer Kunden definiert. Hier waren mit Sicherheit nicht alle Aufträge groß, jeder einzelne hat uns aber bewiesen, dass Produzieren auch in Corona-Zeiten funktionieren kann. Hätten Sie mir zu Jahresbeginn gesagt, dass Redseven mit "ProSieben Live: Deutschland fragt zu Corona" eine relevante Talkshow mit Markus Söder produzieren werde, dann hätte ich das nicht unbedingt geglaubt. Auch beim Wohnzimmerkonzert für ProSieben, das wir innerhalb von nur fünf Tagen auf die Beine gestellt und dabei live zu über 40 Künstlern auf der ganzen Welt geschaltet haben, haben wir gleich zu Anfang der Corona-Zeit unglaublich viel gelernt.

Nun soll Unterhaltung die Zuschauer ja vor allem ablenken. Aber das wird schwer, wenn man ständig auf leere Zuschauerränge oder Plexiglasscheiben gestoßen wird. Wie viel Corona sollte man Unterhaltungsshows eigentlich anmerken?

Am besten wäre natürlich, der Zuschauer merkt es gar nicht. Er schaut schließlich eine Unterhaltungsshow, um sich zurückzulehnen und ein positives Sehgefühl zu haben. Wenn heute aber bestimmte Dinge durch Corona nicht möglich sind oder anders definiert werden müssen, zum Beispiel bestimmte Studiospiele, dann dürfen sie der Show nicht schaden. Das gilt auch für die leeren Zuschauerränge, die wir über viele Monate gesehen haben. Eine gute Show mit einem guten Inhalt funktioniert in aller Regel auch ohne Publikum. Und im Idealfall bringen alle Veränderungen das Format sogar ein Stück weit in eine neue Richtung. Beispielsweise bei "The Taste" standen wir vor ganz neuen Herausforderungen. 

Wie musste das Format verändert werden?

Bislang gab es Runden, in denen die Coaches aktiv mit den Kandidaten gekocht haben. Diese Nähe ist jetzt nicht mehr möglich. Deshalb coachen sie von einer Art Podest herab, was eine ganz andere Dramaturgie in das Format gebracht hat. So wie bei "The Taste" müssen wir derzeit bei allen Produktionen umdenken.

"Keiner produziert mit uns, nur weil wir auch in Unterföhring sitzen."
Jobst Benthues

Wie seriös lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt die Zukunft planen?

Diese Frage stellen wir uns täglich. Im Falle von "The Biggest Loser" haben wir beispielsweise überlegt, ob wir die nächste Staffel überhaupt im Ausland planen können. Im Moment ist die Antwort ja. Wenn sich Infektionsraten wieder erhöhen sollten, müssen wir eine alternative Lösung ins Auge fassen. Wir versuchen deshalb, im ersten Schritt positiv zu bleiben und Produktionen wie gewohnt möglich zu machen, haben aber immer einen Plan B parat.

Hilft es Redseven in diesen Zeiten besonders, so eng an ProSiebenSat.1 angedockt zu sein?

Eindeutig ja. Die beiden Formate zu Beginn der Corona-Zeit, von denen ich vorhin sprach, waren kurzfristige Ideen, mit denen wir schnell auf die neue Situation reagiert haben. Und da hat es natürlich geholfen, dass die Wege zwischen den Sendern und uns kurz sind und wir gut antizipieren konnten, was die Sender-Kollegen in diesem besonderen Moment gebraucht haben. Inzwischen befinden wir uns wieder in einer Art "Normalbetrieb". Das heißt: Natürlich sind wir nah dran am Konzern, arbeiten aber selbstverständlich weiterhin mit externen Kunden und Partnern. Daran hat sich nichts geändert. Ganz aktuell produzieren wir beispielsweise für Sky Staffel vier von "Eine Liga für sich", die zweite Staffel "Deutschland 24/7" für DMAX sowie die vierte Staffel des ZDF-Formats "Duell der Gartenprofis". Und wir haben noch weitere spannende Projekte mit externen Partnern in der Pipeline. 

Jobst Benthues

Nur echt mit FC-Tasse: Jobst Benthues im Homeoffice

Vor wenigen Wochen war zu lesen, dass der Produktionsarm von ProSiebenSat.1 in Zukunft weniger eigenständig sein wird. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Keine Sorge, für uns bleibt alles beim Alten! (lacht) Bei uns im Haus ist anerkannt, dass sich Redseven als Produzent am Markt bestens etabliert hat – und hier werden wir weiterhin unabhängig arbeiten. Das ist ein wichtiger Teil unseres Geschäfts. Gleichzeitig profitieren wir natürlich auch vom noch engeren Austausch mit dem Konzern und den Entertainment-Kollegen. 

Der Anteil von Redseven-Produktionen bei ProSiebenSat.1 liegt inzwischen bei 18 Prozent. Wie groß soll er denn perspektivisch werden?

Keiner produziert mit uns, nur weil wir auch in Unterföhring sitzen. Der Konzern setzt mehr auf lokales Entertainment und wir bieten genau das. Sowohl ProSiebenSat.1 als auch wir bei Redseven wollen unsere Verbindung weiter ausbauen. Aber dieses Interesse müssen wir uns auch hart erarbeiten. Aufwendig zu produzierende Formate wie "Mütter machen Porno" oder "Hochzeit auf den ersten Blick", das nun erstmals in der Primetime laufen wird, sind Beispiele dafür. Auch bei "Germany’s next Topmodel" arbeiten wir Jahr für Jahr daran, das Format weiterzuentwickeln. Gleichzeitig macht es mich stolz, dass wir immer wieder Eigenentwicklungen wie "Balls", "Die! Herz! Schlag! Show!" oder zuletzt "Mein Hund, die Kilos und ich" bei den ProSiebenSat.1-Sendern platzieren und so langfristig neue Marken und Rechte aufbauen.

"So wie es aktuell aufgrund der Infektionsraten und Beschränkungen aussieht, ist es derzeit am schwersten, in Amerika zu produzieren."
Jobst Benthues

Eine Neuentwicklung war "Queen of Drags", das zwar nicht ganz die erwünschte Quote geholt hat, erklärtermaßen aber trotzdem weitergehen wird. An welchen Stellschrauben müssen Sie bei dem Format drehen?

Das Casting läuft, aktuell prüfen wir, wie und wann wir die zweite Staffel umsetzen. Nachdem wir uns in der ersten Staffel sehr stark mit den Hintergründen und der Kunstform der Drag-Queens beschäftigt haben, ist die Vision, in diesem Bereich noch konsequenter nach vorne zu gehen und zu sagen: Mädels, it's Showtime! Wir wollen deshalb den Fokus noch stärker auf die Kunst der Auftritte und der Verwandlung legen als das bisher der Fall gewesen ist. 

"Queen of Drags" wurde in Amerika gedreht und auch "Germany's next Topmodel" ist eine Produktion, die weit über die deutschen Grenzen hinaus entsteht. Wie ist da der Stand der Dinge?

Wir prüfen hier gerade alle Möglichkeiten. So wie es aktuell aufgrund der Infektionsraten und Beschränkungen aussieht, ist es derzeit am schwersten, in Amerika zu produzieren. Was das konkret für den Ablauf der Dreharbeiten heißt, weiß ich selbst noch nicht. Uns auf die sich ständig verändernden Gegebenheiten einzustellen, ist die größte Herausforderung der nächsten Wochen und Monate. Und das gilt längst nicht nur für "Germany's next Topmodel". 

Bis wann muss denn eine Entscheidung fallen, damit "GNTM" auch wirklich zu Jahresbeginn kommen kann?

(überlegt) Tja, irgendwann müssen wir anfangen zu drehen. (lacht) Aber im Ernst: Wir befinden uns mitten in der Planung, mehr Details kann ich momentan nicht nennen. In der jetzigen Zeit sind langfristige Produktionsplanungen leider nicht mehr so einfach. 

Gibt es bei allen Schwierigkeiten einen positiven Aspekt, den Sie aus der Corona-Zeit mitnehmen?

Eine Produktionsfirma mehr oder weniger komplett ins Remote Office umzuziehen, war sicher nicht leicht. Aber diese Herausforderung hat uns als Team definitiv gestärkt. Diese Zeit hat sich auf die Art und Weise ausgewirkt, wie wir zusammenarbeiten, wie flexibel wir sind, auch wie viel Eigenverantwortung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen. Gleichzeitig hat sich aus meiner Sicht auch die Entscheidungs- und Umsetzungsgeschwindigkeit beschleunigt. Das ist auch etwas, das wir gerne beibehalten können! Generell finde ich es durchaus beachtlich, wie viele neue Shows in den vergangenen Monaten on air gegangen sind. Und das im kompletten Markt. Was mir ganz besonders auffällt: Bekannte Marken sind wieder verstärkt in den Fokus gerückt. Das hat das große Interesse an der extrem erfolgreichen 2020-Staffel "Germany's next Topmodel", aber auch anderen bekannten Formaten deutlich belegt. 

Zum Schluss außerdem noch herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum.

(lacht) Vielen Dank. Dafür, dass ich in 25 Jahren bei ProSiebenSat.1 im Großen und Ganzen erst zwei Jobs gemacht habe – Unterhaltungschef und Produzent – bin ich sehr dankbar, so lange Teil dieses Unternehmens zu sein, in dem ich mich immer kreativ austoben durfte. Das gilt ganz besonders jetzt, wo der Konzern Entertainment wieder in seinen Mittelpunkt stellt. Ich freue mich auf alles, was noch kommt. 

Herr Benthues, vielen Dank für das Gespräch.