Herr Lenßen, was gab nach all den Jahren den Ausschlag, es noch einmal mit einer neuen Sendung am Sat.1-Vorabend zu probieren?

Am Anfang stand die Anfrage mehrerer Produzenten, ob ich mir eine Rückkehr vorstellen könnte. Eine solche Entscheidung konnte ich natürlich nicht leichtfertig treffen, da eine tägliche Sendung bedeutet, meinen beruflichen Alltag neu strukturieren zu müssen. Ich war mir aber relativ schnell sicher, dass ich dazu bereit bin. Das lag aber auch am großen Engagement meiner Produzentin Nadia Wölfel.

Seit wann laufen die Planungen zu "Lenßen übernimmt"?

Wir haben uns im vergangenen November getroffen und uns überlegt, wie wir juristische Sachverhalte auf eine neue Art erzählen können. Daraus ist jetzt "Lenßen übernimmt" entstanden. Unser Ziel ist es, mit jedem Fall ein anderes juristisches Problem aufzuarbeiten. Zudem ist der "Böse" nicht immer böse und es geht auch darum, dem Zuschauer Anlaufstellen für unterschiedlichste Problemfelder, angefangen beim Weißen Ring bis zu Schuldnerberatungstellen zu bieten. 

Das klingt mehr nach Servicecharakter als in den früheren Formaten.

Das ist ein Grundgedanke, den wir einfließen lassen wollen. Aber wir wollen trotzdem spannend unterhalten. Wichtig ist es uns jedoch, die Fälle so aufzubereiten, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer am Ende der Folge etwas mitnehmen können. 

Wie frei sind Sie in der Gestaltung Ihrer Rolle?

Die Abläufe sind vorgegeben: Wir haben Protagonisten mit einem juristischen Problem und wir finden einen Lösungsansatz. Insofern bin ich an den Handlungsstrang gebunden. Wie ich aber mit den Mandanten umgehe, hängt auch davon ab, welche Persönlichkeit der Einzelne mit seinem Spiel bietet. Darauf kann ich frei eingehen. Sie können davon ausgehen, dass es keine Reaktion von mir gibt, hinter der ich nicht persönlich stehe. Das ist wahrscheinlich auch der große Unterschied zum Schauspiel.  

Wie viel von "Lenßen & Partner" steckt letztlich in "Lenßen übernimmt"?

Also, Lenßen ist immer noch dabei. (lacht) Tatsächlich haben wir mit Sarah Grüner und John Davis zwei Assistenten an meiner Seite, die einen anderen Blickwinkel auf die Fälle in das Format bringen. Der Grundcharakter des Anwalts, der für die Interessen der Menschen kämpft, bleibt unverändert. Das gilt übrigens auch für mein persönliches Engagement. Aber lassen Sie es mich sagen: es waren nicht nur die Kollegen vor der Kamera, es war die gesamte Crew, die mich begeistert hat. Zudem ist Berlin ein großartiger Drehort. Ich kann es kaum erwarten, bis wir wieder loslegen.

Was hat den Ausschlag gegeben, in die Hauptstadt zu gehen? 

Einerseits hat die UFA ihren Sitz in Potsdam, andererseits bietet die Stadt ein unglaubliches Umfeld. Berlin ist so vielfältig, dass sie für unsere Folgen ein faszinierendes Umfeld bietet. Die Drohnenaufnahmen spiegeln ein wunderbares Bild vom urbanen Berlin. Auch deshalb können die Geschichten viel schneller erzählt werden als das früher der Fall war. Ich bin mit dem Ergebnis ausgesprochen zufrieden, schließlich haben drehen wir unter ziemlich gewöhnungsbedürftigen Corona-Umständen.

"Wenn ich ein solches Format drehe, muss ich mit meiner Anwaltstätigkeit ziemlich zurückstecken."

Haben es die Umstände schwerer gemacht, mit der neuen Serie vertraut zu werden?

Leichter wird’s dadurch nicht. Wir haben bestimmt ein, zwei Tage gebraucht, um in das Prozedere reinzukommen. Auf der anderen Seite haben wir uns schon im Vorfeld viel Zeit genommen, um uns miteinander bekannt zu machen und eine Vertrauensbasis herzustellen. Das hat geholfen.

Sie sprachen eingangs davon, dass Sie die Sendung in Ihren Alltag integrieren müssen. Was hat sich dadurch konkret für Sie verändert?

Wenn ich ein solches Format drehe, muss ich mit meiner Anwaltstätigkeit ziemlich zurückstecken. Da gehen dann vielleicht nur noch zehn bis 20 Prozent meiner Zeit in die Arbeit als Anwalt. Ein Format wie "Lenßen live", das wir im nächsten Jahr weitermachen werden, lässt sich dagegen vergleichsweise gut in den Alltag einbringen. Da bleiben dann immer noch 80 Prozent Zeit für den Anwaltsjob.

Wie ist Ihre Lust aufs Fernsehen entstanden?

Ich hatte zunächst überhaupt keine Lust aufs Fernsehen (lacht), weil ich gar keine Ahnung davon hatte. Eines Tages kam ein Fax in der Kanzlei an, auf dem stand: "Sehr geehrter Herr Lenßen, hätten Sie Lust auf Fernsehen?". Anfangs dachte ich, dass mich jemand auf den Arm nehmen will, bis ich feststellte, dass hinter der Anfrage eine ganz seriöse Produktionsfirma stand. Als ich dann fragte, worum es eigentlich geht, wurde mir gesagt, es handle sich um ein ähnliches Format wie "Richterin Barbara Salesch". Ich kannte die Sendung allerdings nicht. Nach der ersten Aufzeichnung von "Richter Alexander Hold" war ich aber so "angefixt", dass ich gerne bereit war weiterzumachen. Was mich besonders begeistert hat: Wenn einer bei Alexander Hold zu drei Jahren verknackt wurde, konnte ich ihn hinterher trotzdem in den Arm nehmen und musste ihn nicht ins Gefängnis gehen lassen. (lacht)

Ist Ihnen klar gewesen, weshalb ausgerechnet Sie damals angeschrieben worden sind?

Mir war das anfangs nicht klar. Heute weiß ich: Es war wohl auch der Bart, der als Wiedererkennungsmerkmal gesehen wurde. Andererseits hatte ich zu der damaligen Zeit zwei oder drei spektakulärere Strafverteidigungen. Da standen dann nach der Verhandlung die Kameras vor dem Gerichtssaal vor denen ich mich zum Verhandlungstag äußerte. Dazu hatte ich eine Internetseite! (lacht) Das war damals keineswegs selbstverständlich. Irgendwo werde ich also aufgefallen sein.

Spätestens mit "Lenßen & Partner" kam vor fast 20 Jahren plötzlich der Ruhm. Konnten Sie damit direkt umgehen?

Das war für mich anfänglich nicht einfach. Mir war die Aufmerksamkeit nie wichtig. Wenn du jedoch vor der Kamera stehst, hast du eine Verantwortung für die Produktion, aber auch für den Zuschauer, der sich dann später vielleicht auch freut, dich auf der Straße zu sehen. Deshalb ist es mir immer wichtig, diesen Menschen mit großem Respekt zu begegnen. Ich sehe solche Begegnungen nicht als Belästigung, sondern als eine Bestätigung des Teams. Es gab in all den Jahren nur zwei oder drei Mal etwas unangenehmere Begegnungen. 

Inwiefern?

Einmal war es ein Betrunkener, der hinter mir her schrie, ich sei ein Scheiß-Anwalt. Wirklich unverschämt fand ich aber eine Begegnung im Fußballstadion, in dem ich mit meinem damals noch kleinen Sohn war. Plötzlich blieb ein Mann vor mir stehen und sagte: „Mensch, Herr Lenßen, Ihnen wollte ich schon immer mal die Hand geben." Danach stand ich auf, reichte ihm die Hand, weil es mir meine Erziehung so gebietet – und dann sagte er: "Ja, so einem Arschloch wollte ich schon immer mal die Hand geben." Da war für mich eine Grenze überschritten. Aber glücklicherweise fiel kurz darauf ein Tor. Damit war der Vorfall dann Gott sei Dank auch für meinen Sohn vergessen…

Sie haben eine Eishockey-Vergangenheit, sind inzwischen auch im Schiedsgericht der DEL. Gibt's da möglicherweise parallelen zwischen Sport und Fernsehen? 

Ich bin durch und durch Sportler. Wenn ich irgendetwas anfasse, muss ich gewinnen. Das gilt für Spiele ebenso wie für Prozesse und das Fernsehen. Deshalb sehe ich den Sendestart in gewisser Weise wie ein Spiel und will wissen, ob es uns gelingt, die Zuschauer zu unterhalten. Ich will eine vernünftige Quote sehen, ist doch klar.

Was tut mehr weh: Vor Gericht zu verlieren oder im Fernsehen?

(lacht) Wenn ich die Wahl habe zwischen einer schlechten Quote und einen verurteilten Mandanten, dann nehme ich klar die schlechte Quote hin. Bei dem Mandanten geht es schließlich um ein persönliches Schicksal, eine schlechte Quote kann ich im Zweifel am nächsten Tag wieder wettmachen.

Herr Lenßen, vielen Dank für das Gespräch.