Herr Mårlind, wenn ein schwedischer Showrunner mit Hollywood-Stars wie Taylor Kitsch und Michael C. Hall deutsche Nachkriegsgeschichte erzählt – wie unterscheidet sich das von einer deutschen Erzählperspektive? 

Wir erzählen zwar deutsche Geschichte, aber gleichzeitig auch eine ziemlich universelle Story. Grundsätzlich ist es doch immer ein hervorragender Startpunkt für Drama, wenn die Ausgangssituation hoffnungslos und die Gesellschaft am Tiefpunkt ist. Man sieht dann klar und deutlich, wer alles gibt, um Gutes zu tun, und wer lieber die eigenen Schäfchen ins Trockene bringt. Dramaturgisch gesehen also eine fantastische Arena. Mich hat die unmittelbare Nachkriegszeit in Deutschland schon lange fasziniert, aber mir fehlte immer die passende Geschichte zu diesem Setting. Als ich in Berlin zum ersten Mal von "Max & Moritz" hörte, fügte sich auf einmal alles zusammen, und ich hatte diese Geschichte im Kopf von zwei Brüdern aus New York, die es nach Kriegsende nach Berlin verschlägt – Cop der eine, Killer der andere. Ein simpler Thriller-Motor, der uns in die Nachkriegsgeschichte hineinzieht.

Es gibt reichlich Filme und Serien über den Krieg und über die 50er Jahre, aber dieser spezielle Zeitraum 1946 ist fiktional bisher selten erzählt worden.

Ich glaube, das liegt daran, dass viele diese Zeit für deprimierend halten. Etliche Kollegen waren aus diesem Grund anfangs zögerlich, an "Shadowplay" mitzuwirken. Sie sagten: Alles in Schutt und Asche, das ist doch zu düster und deprimierend. Mein Gegenargument lautete: Aus den Ruinen entsteht neue Hoffnung. Nina Hoss in ihrer Rolle als Trümmerfrau Elsie steht genau dafür: höchster menschlicher Einsatz für den Neuaufbau, wie Deutschland ihn damals vielfach erlebt hat. Aus filmemacherischer Sicht hat der Krieg heroische Geschichten hervorgebracht, der Kalte Krieg dann Geschichten voller Suspense. Die Zeit dazwischen ist bisher nicht so klar belegt. Natürlich wollte auch ich keine deprimierende Story erzählen. Deshalb ist mir die Thriller-Geschichte vom Cop, der seinen Bruder sucht, so wichtig. Das ist wie der Zucker, mit dem die bittere Medizin besser heruntergeht.

Was können Sie erzählen, das deutsche Autoren so nicht erzählen könnten?

Ich bin in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg völlig frei von Scham und Schuldgefühl. Ich muss mich nicht ständig daraufhin prüfen, ob ich etwas schreiben darf oder nicht. Deutsche Autoren würden vermutlich immer mitdenken, dass die Deutschen den Krieg angefangen haben und dass man das irgendwie erwähnen muss.

Sie zeigen in "Shadowplay" sehr viel Gewalt und Brutalität. Besonders für deutsche Zuschauer könnte das unbehaglich sein, weil man gern der Illusion erliegt, nach dem Krieg seien wir von der Gewalt befreit worden.

Gewalt sollte für den Zuschauer immer unbehaglich sein, sie sollte auch im Film niemals glorifiziert werden. Mit dem ZDF hatten wir darüber intensive Diskussionen. Sie hätten lieber nicht so viel Gewalt gezeigt. Aber die Form von Gewalt, die ich einsetze, schärft und unterstützt die Erzählung. Die unmittelbare Nachkriegszeit war tatsächlich unglaublich brutal. Es gab in Berlin zum Beispiel viel mehr Vergewaltigungen als während des Krieges. Und aus Sicht unserer Figuren muss man sagen: Wer im Schlachtfeld des Zweiten Weltkriegs aufgewachsen ist, erschreckt sich 1946 wohl kaum noch über Leichen, die am Straßenrand oder zwischen den Ruinen liegen. Manche der schockierendsten Dinge, von denen ich während meiner Recherchen las, habe ich noch nicht einmal verwendet.

Schatten der Mörder – Shadowplay © ZDF/Stanislav Honzik Neue Hoffnung aus Ruinen: Moritz McLaughlin (Logan Marshall-Green), Elsie Garten (Nina Hoss), Max McLaughlin (Taylor Kitsch) in "Schatten der Mörder – Shadowplay"
 

Ihre Serie ist ein sehr internationales Projekt. Wie viel Energie kostet es, Mitwirkende und Partner aus so vielen verschiedenen Ländern zusammenzuhalten?

Für mich war es ein wirklich schönes Erlebnis, mit einer so internationalen Crew aus allen möglichen europäischen Ländern und Amerika zu arbeiten. Das fühlte sich an wie unsere eigene kleine EU in Aktion. Ich glaube, Filmemacher haben eine gemeinsame Sprache, selbst wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen. Diese Community hat das gemeinsame Ziel, die jeweils nächste Einstellung möglichst perfekt in den Kasten zu bringen. Die Arbeit am Set ist jedenfalls wesentlich leichter als die Finanzierung eines solchen internationalen Projekts. Wenn die Auftraggeber aus verschiedenen Ländern mit ihren dicken Brieftaschen kommen, dann wollen sie meist sicherstellen, was am Ende für sie dabei herausspringt. Diese Interessen sind nicht unbedingt immer so einheitlich. In diesem Fall fühlte sich die Zusammenarbeit mit dem ZDF vertraut an, weil sie ähnlich ticken wie das öffentlich-rechtliche schwedische Fernsehen.

Wie groß ist der Unterschied zu den rein skandinavischen Produktionen, die Sie früher gemacht haben?

Der allergrößte Unterschied besteht zwischen dem US-Markt einerseits und Europa andererseits. Dagegen sind die Unterschiede zwischen europäischen Ländern vergleichsweise gering. Als Björn Stein, mein Freund und Co-Regisseur, und ich 2010 nach Hollywood gingen, um dort zwei Filme zu drehen, dachten wir, wir seien als Filmemacher ziemlich amerikanisch, weil man uns das zuvor in Schweden ständig nachgesagt hatte. Als wir aber drüben waren, merkten wir, dass wir in Wahrheit doch ziemlich europäisch waren. Der europäische Film entstammt dem Geist der Kunst, der US-Film dem des Kommerzes. Mir persönlich geht es nicht so sehr ums Geld. Natürlich möchte ich meine Rechnungen zahlen und ab und zu in Urlaub fahren. Aber das ist nicht der Grund, warum ich diesen Job mache.

Das sagt sich leicht für den Co-Creator des weltweiten Serienhits "The Bridge", der immer weitere internationale Adaptionen hervorbringt.

Ehrlich gesagt, hätten wir niemals gedacht, dass das so groß werden könnte. Obwohl ich wusste, dass die Grundidee von zwei Leichen und zwei Cops aus zwei Nachbarländern stark war, erstaunt mich der globale Erfolg bis heute. Das jüngste Remake, von dem ich gehört habe, entsteht zwischen Simbabwe und Südafrika. Meine Lieblingskonstellation, auf die ich immer noch warte, wäre zwischen Nord- und Südkorea.

Schauen Sie sich all die Adaptionen an?

Nein, keine einzige. Das interessiert mich überhaupt nicht. Ich verstehe mich nicht als Archivar, sondern blicke nur nach vorn auf neue Projekte und Geschichten.

Für Endemol Shine, jetzt Teil von Banijay, ist die Franchise rund um "The Bridge" ein Riesengeschäft. Für Sie auch?

Die Schecks kommen weiterhin munter herein. (lacht) Wir hatten immer denselben Deal: 50 Prozent der Nettoerlöse für die schwedische Endemol-Shine-Tochter Filmlance, 50 Prozent für die drei Creator – also für Björn Stein, Hans Rosenfeldt und mich. Dieser Vertrag war nur eine Seite lang und hat alles geregelt.

Herr Mårlind, herzlichen Dank für das Gespräch.

"Schatten der Mörder – Shadowplay" startet am Freitag um 20:15 Uhr im ZDF. Alle Folgen sind in der ZDF-Mediathek abrufbar.