Herr Polter, Sie verlassen die Bavaria Fiction, um Geschäftsführer eines neuen Fiction-Labels zu werden, das an ITV Studios in London angedockt sein wird. Was hat Sie zu dem Schritt bewogen?

„Schritt“ ist der richtige Begriff, weil es der Schritt in ein neues Aufgabenfeld ist. Ich werde Geschäftsführer und erfülle mir damit einen Wunsch, den ich schon länger in mir trage. Es geht darum, mehr Verantwortung zu übernehmen, größer zu denken und die Vision, die man hat, umsetzen zu können. Das kann man sicher auch als Produzent auf seinem Gebiet, aber langfristig zu planen und die Dinge so zu gestalten, dass schnell PS auf die Straße kommen, ist als Geschäftsführer besser zu steuern. Dazu kommt, dass das internationale Geschäft, das mir schon seit Beginn meiner Karriere in unterschiedlichen Funktionen wichtig war, mit internationalen Partnern einfacher forciert werden kann. Diese Vernetzung ist eine andere als in einem Traditionsunternehmen wie der Bavaria.

Was ist unter dem Dach von ITV möglich, was bei der Bavaria Fiction nicht möglich war?

Ich will gar nicht sagen, dass das bei der Bavaria Fiction nicht möglich gewesen wäre. Aber dadurch, dass Cattleya in Italien oder Apple Tree Productions in Dänemark zum ITV-Verbund gehören, ist der Draht zu den internationalen Kollegen viel kürzer. Denn auch wenn wir eigene Labels sind, so sind wir doch nicht mehr ganz so starke Konkurrenten. Dieses partnerschaftliche Miteinander ist sicherlich hilfreich. Und dann ist es so, dass ITV Studios globaler Vertriebsarm eine außergewöhnliche Marktpower hat. Das gilt auch für den Weg nach Amerika. Die Möglichkeit, Dinge auf dem dortigen Markt zu platzieren, ist künftig stärker gegeben.

Internationale Produktionen sind nicht immer einfach, weil oft viele Partner mitmischen Was reizt Sie dennoch an diesem Geschäft?

Zum Einen reizt es mich, mit Personen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenzuarbeiten, weil man sich dadurch unweigerlich stärker hinterfragt, ob das, was man macht, eigentlich richtig ist. Diesen Einfluss von außen empfinde ich als etwas Positives, das mich immer wieder zu Höchstleistungen anspornt. Natürlich kann man auch lokal schön produzieren, aber auch das will eben international vertrieben werden. Zu wissen, was im Ausland ankommt und welche Preise man damit erzielen kann - dafür hilft ein internationales Netzwerk enorm. Und diesen Zugang hat man eher, wenn man auf internationale Koproduktionen setzt.

Haben Sie den Eindruck, dass deutsche Produktionen im Ausland anders wahrgenommen werden?

In jedem Fall werden deutsche Geschichten im Ausland konsumiert. Das ist eine positive Entwicklung, weil dadurch die internationale Vermarktbarkeit steigt und auf diese Weise mehr Geld verdient wird, das man wiederum in neue Produktionen stecken kann. Auf lange Sicht hilft das der Qualität - und die wird inzwischen durchaus wahrgenommen.  

 

Die gute Geschichte steht immer an erster Stelle.

 

Stellen Sie darüber hinaus im internationalen Bereich Veränderungen fest?

Der Appetit nach lokalen Produktionen, die gleichzeitig international vermarktbar sind, hat in den letzen Jahren spürbar zugenommen. Vor allem aber ist die Qualität gestiegen - auch, weil teilweise auch die Budgets erhöht wurden.

Welchen Unterschied macht ein möglicherweise nur geringfügig höheres Budget, wenn es um den potenziellen Erfolg von Serien geht?

Ich bin davon überzeugt, dass Fernsehen in einem etwas höheren Preissegment auch besser aussehen kann. Denken Sie nur an „Das Damengambit“, eine ganz wunderbare Serie mit einer fantastischen Hauptdarstellerin. Wenn die Kostüme, die Kulissen oder das Licht nicht so toll gewesen wären, sondern einfach nur die Geschichte erzählt worden wäre, dann wäre sie in meinen Augen nicht ganz so erfolgreich geworden. Das ist letztlich ein Gesamtkunstwerk, wegen dem man all dem so sehr verfällt. Und das hat eben gekostet.

Auf der anderen Seite gibt sich das Publikum womöglich auch nicht mehr so schnell damit zufrieden, wenn eine Serie nicht ganz so gut aussieht, oder?

Das glaube ich auch. Dadurch, dass wir so viele Anbieter haben und derart viele unterschiedliche Serien auf uns einprasseln, muss man dieses Level erreichen, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Klar ist aber auch: Wenn es nur schön verpackt ist, der Inhalt aber nicht stimmt, dann guckt es auch keiner. Die gute Geschichte steht immer an erster Stelle.

Welche Art von Geschichten wollen Sie selbst in Zukunft erzählen?

ITV hat mich umgarnt, weil sie die Art von Serien, die ich in den letzten Jahren gemacht habe, gerne unter ihrem Banner gesehen hätten. Das war eine große Bandbreite, hatte aber immer einen gewissen Anspruch. Dieser Punch, der meine bisherigen Projekte vereint, sollte auch künftig gegeben sein. Und natürlich sollen die Geschichten das Publikum fesseln. Das muss nicht immer die Masse ansprechen, sondern kann auch gutes Fernsehen für die Nische sein. Wichtig ist mir, dass die Geschichten subtil oder vielschichtig erzählt werden.

Wie sehr werden Sie die Kolleginnen und Kollegen bei der Bavaria vermissen?

Sehr! Ich hatte fünf wunderbare Jahre bei der Bavaria Fiction, die nach meinem Dafürhalten auch recht erfolgreich waren. Erfolg hat man immer nur gemeinsam. Auf der anderen Seite gibt mir die neue Herausforderung auch sehr viel Kraft. Daher kommt der Schritt zur rechten Zeit.

Herr Polter, vielen Dank für das Gespräch. 

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