Herr Elbertzhagen, zwischen unserem letzten Gespräch vor fünf Jahren und heute liegen u.a. der große Influencer-Boom und eine Pandemie. Das eine raubt etablierten Künstlerinnen und Künstlern Aufmerksamkeit und Werbekunden, das andere Auftrittsmöglichkeiten. Wie geht es Ihnen und Ihrer Firma?

Wir hatten natürlich Abteilungen, die in der Pandemie Probleme hatten. Das war die Event-Abteilung, das erklärt sich von selbst, auch wenn wir viele digitale Events umgesetzt haben. Und dann die PR für diese Events entsprechend auch. Management lief gut, Social Media lief sehr gut und dann haben wir, noch recht neu, bildende Künstler wie Alexander Höller aufgenommen. Wir sind auch heute noch 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier, weil wir mit Fernsehen und Spcial Media in einer digitalen Welt unterwegs sind, die in der Corona-Pandemie sogar noch stärker nachgefragt wurde.

Also sind Sie besser als befürchtet durch die Pandemie gekommen?

Uns geht es besser als erwartet. Nun bin ich Unternehmer, wie Sie, da nützt es ja nichts in schwierigen Zeiten zu resignieren und auf Hilfe zu warten. Man muss was unternehmen. Wir haben das Management ausgebaut unter der Leitung von Petra Mauß, unserem Vorstand Künstler. Und wir haben die neue Firma IMP gegründet, die sich um unsere Social Media Stars kümmert. Die Freude in meinem langen Berufsleben bestand immer darin, neue Herausforderungen anzunehmen.

Was macht die Arbeit mit Social Media Stars anders als das bisherige Management-Geschäft?

Wir erleben, etwas zugespitzt gesagt, die Demokratisierung der Medien. Influencer schaffen ihre eigenen Kanäle, verantworten den eigenen Content und generieren selber Reichweite. Und all das ohne Teil von größeren Strukturen zu sein. Das bedeutet ein hohes Maß an Unabhängigkeit. Ratschläge und Hilfe von außen sind weniger gelernt als bei anderen Künstlern. Also braucht es ein Team, das das versteht. Auch weil Social Media unmittelbarer und schneller ist - noch schneller als das Mediengeschäft, das vermeintlich schon keine Pause macht. Das braucht ein Team, das selbst Social Media lebt. TikTok, Twitch und Clubhouse sind mir ein Begriff, aber es überrascht niemanden wenn ich sage: Das wird nicht mehr meine persönliche Stärke. Also haben wir uns mit vier neuen Kolleginnen verstärkt, unter der Führung von Petra Mauß, die IMP und Pool Position führt, wo wir übrigens vor einigen Wochen Judith Rakers und Stefan Mross neu dazu bekommen haben, worüber wir uns sehr freuen.

Über Alexander Elbertzhagen

  • Alexander Elbertzhagen wurde 1951 in Kiel geboren, schrieb zunächst für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen und gründete Mitte der 70er Jahre die Presseagentur EM-Press. Aus ihr ging in den 90ern die Firmengruppe Kick Media hervor. Er arbeitete, anfangs zusammen mit seinem Bruder Goetz Elbertzhagen, für Stars wie Herbert Grönemeyer, Marius Müller-Westernhagen und die Band PUR. Später mischte er beim Musiksender VIVA und der Kölner Popkomm mit, arbeitete mit Frank Elstner und Thomas Gottschalk. Er entdeckte, nach eigenen Angaben, Sonya Kraus, Jana Ina Zarrella, Bernd Stelter und nicht zuletzt Barbara Schöneberger für den Bildschirm. Mit ihr und Gruner+Jahr entstand auch die Zeitschrift "Barbara".

Neben den Influencern widmen Sie sich, wie Sie erwähnten, jetzt auch bildenden Künstlern. Wie kam es dazu?

Auch in der bildenden Kunst hat die Digitalisierung zu einer Demokratisierung geführt. Was gefragt ist, entscheidet heute eine wesentlich größere Masse und Kunst beisteuern war nie einfacher. Über Instagram können viele Künstler selbst zu einer gewissen Bekanntheit kommen und besonders über Facebook auch gut verkaufen -  auch wenn andere bei Facebook die Nase rümpfen. Es ist das eben das Social Network, in dem das Geld unterwegs ist. Auch eine Frage der Altersstruktur. Aber nicht alles lässt sich im Alleingang via Social Media erledigen.

Und da wollen Sie ins Spiel kommen? Mit welchem Mehrwert?

Für mich oder die Künstler? (lacht) Für mich hat es den Mehrwert, dass es mir Spaß macht. Und als Unternehmer ist es immer gut, wenn man das macht, woran man auch Spaß hat. Aber die Frage war ja anders gemeint. Was wir gut können, ist verhandeln. Das gilt für Influencer wie für bildende Künstler: Irgendwann kommt der Moment, in dem es besser ist, jemanden an der Seite zu haben, der lange Erfahrung hat im Gestalten und Aushandeln von Verträgen. Und dazu kümmern wir uns um Öffentlichkeit und Marketingstrategien. Andy Warhol, Picasso… das waren ja neben dem Künstlerischen auch Marketinggenies in eigener Sache.

Geht Kunst und Kommerz zusammen?

Eben nicht immer. Von einigen altgediegenen Galerien werden neue Künstlerinnen und Künstler immer noch gemieden. Da herrscht ein Kulturkampf darüber, was Kultur ist. Das ist vielleicht auch eine Frage der Generationen, muss ich sagen. Jedenfalls hat die Demokratisierung der Kunst und unser Bestreben, genau das zu fördern, nicht nur Freunde. Aber wir halten die Ziele klar im Blick: Mit Alexander Höller wollen wir ins Museum of Modern Art in New York. Man muss die Latte ja hoch legen. Aber unser Hauptgeschäft bleibt natürlich das Management der erfolgreichen Persönlichkeiten, die wir seit Jahren bei uns haben wie Michelle Hunziker, Sandra Maischberger, Frank Rosin, Tim Raue, Barbara Schöneberger und viele andere.

Fühlt sich jetzt jeder auf den Schlips getreten, der nicht erwähnt wurde? Eltern sagen so gerne „Wir lieben alle unsere Kinder gleichermaßen“. Kann man das überhaupt bzw. wie sorgt man dafür, dass es sich so anfühlt?

Barbara Schöneberger wurde kürzlich in einer Talkshow nach einer Freundschaft zu einem Musiker-Kollegen gefragt und sie sagte: Ne, wir sind Kollegen aber keine Freunde. Ich sehe unsere Künstlerinnen und Künstler erstmal als Geschäftspartner - und klar, mit einigen wie Barbara bin ich auch befreundet. Aber von Freunden sprechen wir in der Branche viel zu schnell. Ich hoffe das wird nicht falsch verstanden, aber Freunde sind für mich Menschen mit denen ich zum Beispiel auch mal in den Urlaub fahre. Nicht fahren würde - dazu zählt man wieder viele. Aber mit wem tut man es auch?

Ich möchte nochmal auf die Corona-Pandemie und insbesondere die ersten Monate 2020 zurückkommen: Da wurde viel von Solidarität geredet, viel Solidarität eingefordert. Gab es die in der Branche Ihrer Meinung nach? Oder waren das Lippenbekenntnisse?

Da habe ich eine ganz harte Schule gehabt mit Herbert Grönemeyer, den ich zwölf Jahre gemanagt und begleitet habe. Der wurde sehr skeptisch, wenn es um Solidarität ging. Solidarität ist dann gut, wenn auch was dabei raus kommt. 20 Cent von jeder verkauften CD zu spenden - das wäre für ihn ein Lippenbekenntnis gewesen, ein Missbrauch von Solidarität für den eigenen Erfolg. Und wenn von Künstlern verlangt wird, auf ihre Gage zu verzichten, dann darf man die Gegenfrage stellen: Verzichtet auch der Intendant, die Redakteurin und der Kameramann auf das Gehalt? Also vielleicht bin ich bei Solidarität nicht der richtige Ansprechpartner, weil ich auf das Einfordern ebendieser aufgrund vieler schlechter Erfahrungen allergisch reagiere.

"Die Forderung nach jungen Talenten ist das größte Lippenbekenntnis des deutschen Fernsehens"

Meine Frage zielte auf den Umgang mit der plötzlichen Pandemie. Gab es da ein spürbares Miteinander in der TV-Branche?

Das schon. Ich glaube, dass die Freude über das, was trotz Pandemie machbar war, überwog und sorgte dafür, dass man Einschränkungen gemeinsam ertragen hat um einfach Weitermachen zu können. Das galt zumindest für die etablierten Künstlerinnen und Künstlern. Junge Talente hatten es plötzlich schwerer als ohnehin schon. Die Forderung nach jungen Talenten ist das größte Lippenbekenntnis des deutschen Fernsehens: Sie kommt immer wieder, aber es wird selten danach gehandelt. Und wenn sich ein Sender mal für ein neues Talent interessiert, dann muss er oder sie heute auch als Newcomer schon was mitbringen. Reichweite bei Instagram am Besten. Das zählt mehr als eine Probe-Moderation.

Ist Reichweite heute wichtiger als Talent?

Reichweite generieren ist auch ein Talent, das allein aber nicht reicht. Moderatoren müssen auch moderieren können. Eine Sache an der wir gerade arbeiten: Dass TikTok- oder Instagram-Stars auch länger als eine Minute moderieren können, um es mal etwas vereinfacht zu sagen. Wer kurzen Content erfolgreich liefert, funktioniert in einem Team und auf Strecke nicht automatisch genauso gut. Also trainieren wir.

Reichweite wichtiger als Talent - das gilt auch für Journalistinnen und Journalisten, die aus drei beliebigen Tweets eine Story über jeden Prominenten fabrizieren, oder?

Ich bekomme jeden Morgen die Medienschau, aber habe aufgegeben mich darüber aufzuregen. Bei Michelle Hunziker widersprechen sich gerne drei Medien gleichzeitig mit dem was sie angeblich wissen wollen aber nur erfinden. Im Zweifel ist das eine Aufgabe für die Anwälte. Und persönlich - also mit aufdringlichen Paparazzi - hatte ich nur drei Mal Probleme: Bei der Scheidung von Sarah Engels damals, da wurden wir hier belagert und es gab unschöne Bilder wie sie mit dem Baby über die Straße flüchten musste, dann bei der Scheidung von Uschi Glas und immer wieder mal mit Michelle Hunziker in Italien, die aber die Paparazzi selber sehr gut in Schach hält.

Wenn Prominente heute selber ihr Leben öffentlich teilen - spielt Privatsphäre eine andere Rolle bzw. Ist sie anders definiert heutzutage?

Sarah Engels ist in der heutigen Medienwelt aufgewachsen und war 16 als sie über den 2. Platz bei „DSDS“ und Dieter Bohlen zu Berühmtheit kam. Sie wusste, dass man Privatsphäre besser schützen sollte, aber warum eigentlich? Und was bedeutet Privatsphäre eigentlich? Da gibt es auch je nach Generation eine unterschiedliche Definition.

Wer muss da von wem lernen?

Wir lernen gegenseitig voneinander. Privatsphäre bedeutet heute etwas anderes aber was sich nicht geändert hat ist das Recht selbst darüber zu entscheiden, was man über sich preisgibt. Wissen Sie, ich hätte vor Jahren schon aufhören zu können zu arbeiten, aber die Lust zu lernen ist immer noch da. Und nach so vielen Jahrzehnten in der Branche ist es für mich kaum vorstellbar, plötzlich alles an sich vorbeiziehen zu lassen ohne mitzuwirken. Medien kann man ja nicht hinter sich lassen wie ein Versicherungsangestellter seine Schadensregulierung, wenn er in Ruhestand geht. Außerdem habe ich da ja noch das Ziel mit Alexander Höller und dem MoMA in New York (lacht).

Was ist der größte Fehler im Umgang mit der Öffentlichkeit?

Die Öffentlichkeit, die viele Menschen freiwillig suchen, wird am Ende auch mit etwas bezahlt - und das können Schlagzeilen sein, die einem nicht gefallen. Und man muss auch immer bedenken: Viele Karrieren haben nur wenige Jahre Erfolg auf ganz hohem Niveau. Man muss also ehrlicherweise fragen: Ist das jeweilige Talent geeignet um mehr als ein paar Jahre den Lebensunterhalt zu finanzieren? Wenn nein, dann kommen auch wieder andere Zeiten. Und was macht man dann? Das ist eine Frage, die wir auch oft thematisieren weil es für eine realistische Planung dazu gehört. Und auch für die Frage, wie viel ich von mir preisgeben will, was ich im späteren Leben nicht mehr aus dem Internet bekomme.

Was regt Sie in der Branche gerade besonders auf?

Es wäre schön, wenn in vielen Berufen die Leute besser ausgebildet wären. Das Niveau leidet in meiner Wahrnehmung. Heute haben wir es oft mit Redakteurinnen und Redakteuren zu tun, bei denen man sich alte Zeiten zurück wünscht. Ein Mindestmaß an Vorbereitung muss man doch erwarten dürfen. Wenn ich Anfragen für Frau Hunzinger bekomme, dann kann ich nur sagen: Eine Frau Hunzinger wird nicht kommen, Frau Hunziker aber auch nicht. Oder wenn man merkt, dass eine Interview-Vorbereitung aus nicht mehr als dem Durchlesen des Wikipedia-Eintrages besteht. Da fehlt mir oft die Wertschätzung und Lust beim Gegenüber - und dann hab ich auch keine mehr.

Haben Sie eigentlich jemals darüber nachgedacht eine Biografie zu schreiben?

Das haben mich schon viele gefragt, aber wenn wir ehrlich sind: Niemand will etwas über mich lesen sondern die Stars mit denen ich in den Jahrzehnten gearbeitet habe. Aber da stehe ich bei meinen Künstlerinnen und Künstlern im Wort. Das wird es nicht geben. Das wäre nicht mein Stil. Und auch wenn die Trennung von Grönemeyer damals nicht meine Idee war, werden Sie nie ein schlechtes Wort von mir über ihn hören. Lief ja auch danach nicht so schlecht.

Herr Elbertzhagen, herzlichen Dank für das Gespräch.