Herr Beuler, Sie waren unter anderem in der Chefredaktion für „Hallo Deutschland“ und ZDFzeit verantwortlich, und in der Programmdirektion für „Aktenzeichen XY“, ehe Sie vor zwei Jahren die Leitung des ZDF-Teams „Comedy & Kabarett“ übernahmen. Vorgezeichnet war dieser Weg nicht, oder?

Vorgezeichnet wahrscheinlich nicht, aber auch nicht so weit entfernt, wie es scheint. Satire und Comedy stehen auf dem gleichen Fundament wie der Journalismus – einer sauberen Recherche und der Lust, sich mit der gesellschaftlichen Situation auseinanderzusetzen. Daher hat mir mein journalistischer Background insbesondere in der Anfangsphase extrem geholfen. Und das, was mir an Werkzeugen im Comedybereich fehlte, konnte ich mir dank der Arbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Team und ihrer Geduld aneignen - glücklicherweise auf der Basis mehrerer erfolgreicher Formate, die mir mein Vorgänger Stephan Denzer überlassen hat. 

Was haben Sie in der Anfangsphase gelernt?

Mir ist schnell bewusst geworden, dass es, mehr als in jedem anderen Bereich, eine unmittelbare Verbindung gibt zwischen dem Host und dem Format. Das ist in einer Ausprägung vorhanden, die weit über das hinausgeht, was ich beim Infotainment oder unseren journalistischen Formaten kennengelernt habe. Es hat mich extrem beeindruckt, welch unbändige Energie etwa Oliver Welke und Jan Böhmermann in ihre Shows hineinstecken.

Nun läuft die „heute-show“ seit zwölf Jahren, das Vorgänger-Format der „Anstalt“ ist sogar vor 14 Jahren gestartet. Wie schwer fällt es angesichts dessen, eigene Akzente zu setzen?

Glücklicherweise sind unsere genre-prägenden Köpfe, aber auch die hinter den Formaten stehenden Produzenten in keinster Weise müde. Ich spüre noch immer eine große Lust bei allen, die „heute-show“ oder „Die Anstalt“ voranzutreiben - verbunden mit einem großen Maß an Selbstreflexion und der nötigen Skepsis gegenüber dem eigenen Tun. Das ist, auf der Basis des bisherigen Erfolgs, eine sehr gute Ausgangsposition für die Zukunft. Hinzu kommt, dass wir in den beiden letzten Jahren eine Vielzahl neuer Formate ins TV und auf die digitalen Plattformen bringen konnten: Studio Schmitt und Late Night Alter bei ZDFneo zum Beispiel, „Noch nicht Schicht“ bei 3sat und auf dem Yotube-Kanal ZDFcomedy. Dazu kamen weitere Entwicklungen aus dem Development-Team der Show wie „Heroes“.

 

"Menschen zum Lachen zu bringen, sollte, wenn es irgendwie geht, vor einem Livepublikum stattfinden."

 

Zunächst einmal galt es aber, auf die Corona-Krise zu reagieren, also Comedy zu machen, ohne dass jemand lacht.

Auf das Publikum verzichten zu müssen, war tatsächlich eine große Herausforderung, von der wir überhaupt nicht wussten, ob wir sie bewältigen würden. Das ist dann am Ende aber sehr erfolgreich gelungen. Die „heute-show“ ist linear so erfolgreich wie nie. Ihr hat sicher geholfen, dass sie ja schon immer die Parodie einer Nachrichtensendung war und Claus Kleber bekommt bekanntlich auch keinen Applaus im Studio. Schwieriger  gestaltete es sich bei der „Anstalt“, die ja eher einem Theaterstück ähnelt. Am Ende sind wir hier fast zu einer fiktionalen Produktionsform übergangen. Das war ein ungewöhnlicher, oft mühsamer Weg, auf den wir aber letztlich sehr stolz sein können. Beim ZDF Magazin Royale war es ein wenig einfacher, es gab ja kein „Vorher“.

Wollen Sie das Publikum denn zurückholen?

Klares Ja. Menschen zum Lachen zu bringen, sollte, wenn es irgendwie geht, vor einem Livepublikum stattfinden, und ich glaube, dass das von den Künstlerinnen und Künstlern auch ein Stück Last wegnimmt und sie natürlich mit zusätzlicher Energie auflädt.

Auch das „ZDF Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann musste notgedrungen ohne Publikum starten. Wie zufrieden sind Sie mit der ersten Staffel?

Mehr als zufrieden – ich bin sehr glücklich, dass uns so ein starkes und auffälliges Format gelungen ist. Jan Böhmermann zeigt Woche für Woche, dass er einer der herausragenden politischen Satiriker dieses Landes ist. Und wir haben bewiesen, dass das Genre der politischen Satire Platz hat für ein weiteres Format. 

Hatten Sie Zweifel?

Das war tatsächlich eine Frage, die wir im Haus in strategischen Sitzungen sehr ernsthaft diskutiert haben, weil die Gefahr bestand, dass es neben der „heute-show“ und der „Anstalt“ zu viel werden könnte. Ganz zu schweigen von der Frage, ob wir genügend Themen für 28 Ausgaben im Jahr finden können. Aber der gemeinsame Wille und Elan waren groß und ich hatte beim Dreieck mit Jan, dem Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld mit Produzent Alexander Hesse und unserer Redaktion von Beginn an ein gutes Gefühl.

Jan Böhmermann, Oliver Welke, Claus von Wagner, Max Uthoff - es fällt auf, dass es vor allem Männer sind, die Ihre Shows prägen. Wie divers ist die Comedy im ZDF?

Weiße Männer Ü40 (lacht) Aber unsere Comedy wird diverser. Da besteht eindeutig Handlungsbedarf, den wir auch erkannt haben. Wir wollen die Diversität in unseren bestehenden Formaten in den Ensembles abbilden, aber auch durch die Themen, die wir ansprechen. Und natürlich spielt das Talentscouting eine Rolle. Im Comedybereich gibt es sehr talentierten Nachwuchs und große Diversität, dort gelingt uns das wahrscheinlich schneller als in der klassischen politischen Satire, die nach wie vor männlich geprägt ist. Gute Künstler*innen zu finden und sie auf die große Bühne zu begleiten ist eine Aufgabe, die viel Spaß macht. Hier spielen auch die Entwicklungen des Development-Teams der HR Show, das Thorsten Haas leitet, „Heroes“ und Comediennes eine wichtige Rolle, ebenso wie unser Youtube-Kanal, „Pufpaffs Happy Hour“ und das 3sat-Festival.

Ist vor diesem Hintergrund auch die neue Sketchcomedy „Queens of Comedy“ zu sehen, in der Sie auf ein rein weibliches Ensemble setzen?

Wir hatten nicht nur den Anspruch, ein sehr bekanntes weibliches Ensemble zusammenzustellen, sondern es sollte auch jenseits der Geschlechterfrage möglichst  divers sein – Diversität setzt sich ja aus vielen Facetten zusammen: Alter, Herkunft, Hautfarbe, sexuelle Orientierung. Die „Queens of Comedy“ sind ein weiterer wichtiger Schritt gewesen hin zu mehr Diversität, auch auf den wesentlichen Positionen hinter der Kamera.  

Im Netz, etwa bei YouTube oder TikTok, finden sich viele Comedy-Talente. Wie will das ZDF hier mithalten?

Daran arbeiten wir: sowohl bei uns im Team wie im Development-Team. Vor gut zwei Jahren haben wir zunächst unseren Comedy-Kanal auf YouTube wiederbelebt, er hat seitdem seine Reichweite vervierfacht. Dort und in der ZDFmediathek können wir Formate entwickeln, die, anders als im Linearen, nicht an Sendeslots hängen. „Noch nicht Schicht“ hat hier eine große Fanbase gehabt und Sebastian Pufpaff hat dafür zu recht den Grimme-Preis bekommen. Auch „Bosetti will reden“ mit Sarah Bosetti, die in diesem Jahr den Deutschen Kleinkunstpreis und den Dieter-Hildebrandt-Preis erhalten hat, läuft gut. Und mit den Online-Plattformen der „heute-show“ und des „ZDF Magazin Royale“ haben wir ja unsere reichweitenstärksten Marken bereits erfolgreich im Netz und auf Social Media platziert.

Wäre für den Nachwuchs denn überhaupt ein Sendeplatz im Linearen vorhanden?

In erster Linie geht es uns darum, bei neuen Ideen plattformübergreifend zu denken. Da spielt natürlich das Fernsehen weiter eine Rolle. Allerdings verspricht auch nicht jeder Sendeplatz automatisch Aufmerksamkeit und Reichweitenerfolg. 

War der undankbare Sendeplatz auch ein Grund dafür, weshalb Sie das Format „Mann, Sieber“ im vergangenen Jahr eingestellt haben?

Mit „Mann, Sieber!“ haben wir fünfeinhalb Jahre lang eine Late-Night-Satireshow gehabt, die unser Portfolio bereichert hat, insofern habe ich den Sendeplatz auch nicht als undankbar empfunden. Aber hinsichtlich des Audienceflows hat es zum Beispiel „Die „Anstalt“ im Anschluss an das „heute-journal“ sicher etwas leichter, weil sie dort von vornherein auf ein politisch interessiertes und informiertes Publikum trifft.  Daher war es auch unter programmplanerischen Gesichtspunkten richtig, mit „Mann, Sieber!“ aufzuhören und die Entscheidung zu treffen, diesen Sendeplatz in Zukunft nicht mehr mit Satire zu bespielen.

Was lernen Sie daraus?

Bloße Tastversuche auf unterschiedlichen oder nicht gelernten Sendeplätzen werden nach meinem Empfinden nicht zum Erfolg führen, weil sie oft für Frustration hinsichtlich des quantitativen Erfolgs sorgen und im schlimmsten Fall Formate und Köpfe sogar beschädigen können. Daher bin ich froh, dass wir mittlerweile viele unterschiedliche Plattformen und natürlich auch ZDFneo haben, wo wir mit der ersten Staffel von „Studio Schmitt“ sehr zufrieden sind. Tommi Schmitt ist ein toller Host, der es spannend findet, lineares „Old-School-Fernsehen“ zu machen. Da ist schon in der ersten Staffel ein großartiger Team-Spirit entstanden, der die Sendung in der zweiten Staffel ab August sicher noch beflügeln wird.

Herr Beuler, vielen Dank für das Gespräch.