Wenige Menschen, die in dieser Branche arbeiten, lieben das Medium Fernsehen so wie Bastian Pastewka. Über die Begeisterung dafür, den Wandel der Branche und die Herausforderungen des Mediums sprachen wir 2011 ausführlich zum 10. Geburtstag von DWDL.de. Es wurde also Zeit für ein Update zu unserem 20. Geburtstag und ein vorweihnachtliches Gespräch über so vieles, was gerade zu besprechen ist: Retro-Welle, Streaming-Boom und die Diskussion über ARD und ZDF, aber auch Reformbedarf bei Programmzeitschriften - und die spektakuläre Moderation von „Wer stiehlt mir die Show?“.

Herr Pastewka, als wir uns vor zehn Jahren über den Zustand des deutschen Fernsehens unterhalten haben, stand die große Frage im Raum, wer bei „Wetten, dass…?“ auf Gottschalk folgen würde. Jetzt macht es wieder Gottschalk. Sind wir gefangen in einer Zeitschleife?

Kann es sein, dass ich das damals schon prognostiziert habe? Mein Eindruck war immer, dass „Wetten dass..?“ zu Recht so mit dem Gastgeber Thomas Gottschalk verschmolzen ist, dass es sehr schwer ist, jemandem dieses Format zu vererben. Das hat in den 90ern ja auch schon Wolfgang Lippert gemerkt. Da hoffe ich doch eher, dass das ZDF sich nach diesem Erfolg jetzt jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit noch einmal traut, so lange Thomas Gottschalk noch möchte. Aber das ist natürlich reine Spekulation, ich habe keinerlei Insider-Informationen.

Haben Sie es gesehen?

Nicht am Samstagabend, aber am Sonntagnachmittag nachgeholt. Bei der Wette des kleinen Jungen, der sich hängend durch die nachgebaute U-Bahn bewegte, war ich sehr fasziniert. Habe mich aber zum Wohle meiner eigenen Gesundheit dazu entschieden, es nicht zuhause nachzumachen. Manche Passagen dieser „Wetten dass…“-Ausgabe habe ich allerdings nur im schnellen Vorlauf geschafft. Aber ich möchte nicht meckern, es gibt woanders ja Shows, die bis weit nach Mitternacht dauern - unterbrochen von sieben Werbepausen und 14 zu gewinnenden Autos.

Bei „The Masked Singer“ gab es diesmal ja ein Fertighaus zu gewinnen. Wäre auch amüsant gewesen, wenn man bei „Schlag den Raab“ damals irgendwann sieben Fertighäuser hätte gewinnen können.

(lacht) So ist Widdersdorf entstanden (ein Kölner Stadtteil, Anm. d. Red).

Sprechen wir über ein Show-Highlight des Jahres: Ihre Moderation von „Wer stiehlt mir die Show?“…

…wenn Sie das sagen.

Wie viel Vorbereitung steckte denn in dieser Ausgestaltung des Abends? Wurde „Wer stiehlt mir die Show?“ nicht en bloc produziert?

Die Aufzeichnungen im Mai waren in der Tat en bloc, aber es waren stets zwei oder drei Tage Pause zwischen jeder Sendung. Als ich die Anfrage bekam, habe ich gesagt: Für den optionalen Fall, dass ich auch einmal Gastgeber werden sollte, würde ich gerne eine Show inszenieren, die aussieht wie Fernsehen vor 40 Jahren - also zur Hochzeit von Rudi Carrell, Peter Alexander, Hans Rosenthal, Dieter-Thomas Heck und Hans-Joachim Kulenkampff. Und das mit allen Insignien, die es dazu braucht: vom roten Telefon für die Rücksprache mit dem Notar, einem lustigen Gong, einer Shownummer zur Eröffnung, natürlich mit Fernsehballett, ein bisschen Bodennebel und einem Smoking. So habe ich es dem bis in die Haarspitzen motivierten Team von Florida TV mitgeteilt und mich entschuldigt, falls das ein bisschen viel sein sollte. Die lachten nur und meinten: „Das war der Grund, warum wir dich eingeladen haben“. Das hat also schon mal etwas Zeit gespart und wir konnten diesen Gruß an die damalige Zeit mit Mitteln von heute so wunderbar umsetzen. Und ohne Joko Winterscheidt, Shirin David und Teddy Teclebrhan wäre der Abend auch nicht denkbar gewesen. Ein One-Night-Only-Event also – nicht reproduzierbar.

Glauben Sie, dass das jüngere ProSieben-Publikum viele der Referenzen überhaupt verstanden hat?

Ich habe Shirin, die ja halb so alt ist wie ich, mal ein Foto gezeigt von der berühmten „Was bin ich?“-Studiodeko mit Robert Lembke an seinem Schreibtisch mit dem Gong und den Schweinchen. Shirin hat mit dem Wort „krass“ - und wir stellen uns ein sehr langgezogenes A vor - darauf reagiert. Ich glaube, man muss nicht jedes Detail kennen, um zu verstehen, dass das eine Verbeugung vor der großen alten Fernsehunterhaltung sein sollte.

 

"Ich würde meine Moderations-Qualitäten nicht überschätzen"

 

Sie haben eben gesagt, dass sich der Abend nicht reproduzieren ließe. Wir werden Sie also nicht nochmal als Showmaster erleben?

Ich glaube ja an die Stärke von Fernsehformaten und „Wer stiehlt mir die Show?“ ist als Konzept stärker als einzelne Ausgaben es sein könnten. Der Spaß ist die diebische Freude, wenn die Show gestohlen wird und nächste Woche ein anderer Kasper da steht. Im Übrigen würde ich meine Moderationsqualitäten nicht überschätzen. Genauso wenig wie ich nach „LOL“ eine Karnevals-CD rausbringen würde, habe ich vor irgendeine Show zu moderieren, falls mich überhaupt jemand freundlicherweise danach fragen würde.

Also bitte, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Ihnen danach niemand von ProSiebenSat.1 eine Showidee angetragen hat…

Sie haben sich bedankt für die Show, was mich sehr gefreut hat. Aber ich finde es völlig richtig, dass die jetzige Staffel von „Wer stiehlt mir die Show?“, die ab Januar läuft, wieder komplett anders besetzt wurde.

Aber jedes Format braucht auch einen guten Gastgeber oder eine gute Gastgeberin…

Die Symbiose ist der Idealfall, wie gerade bei „TV Total“. Da trifft eine immer noch starke Showidee auf einen, wie ich finde, sensationellen Host, der diese Sendung moderiert als hätte er nie etwas anderes gemacht.

Sie weichen ja schon wieder geschickt ab: Es gibt also bei der Retro-Welle und dem Comeback der Familienunterhaltung keinerlei Ambitionen irgendwie anzuknüpfen an den „Wer stiehlt mir die Show?“-Abend?

Wie gesagt: One night only. Das ist so vorbei wie „Pastewka“. Ich bin kein Show-Mensch, ich bin kein Moderator. Ich kann einen Moderator spielen. Aber in einem Studio stehen und Gastgeber zu sein, der dann Freude daran hat, prominente Gäste zu begrüßen - das funktioniert mit mir nicht. Das ist in anderen Händen besser aufgehoben.

Wo wir gerade bei der Retro-Welle sind. Was fehlt uns denn da jetzt noch?

Ich frage mich ja, ob die Zuschauerinnen und Zuschauer das überhaupt als Retro-Trend wahrnehmen, also so wie wir es jetzt diskutieren, oder ob sie sich unter einem immer größeren Angebot an neuen Formaten einfach vereinzelt über ein Wiedersehen freuen. Denn so lange war „TV Total“ jetzt auch nicht weg. Ich glaube nicht dass Otto-Normal-Tik-Tokerin zuhause sitzt und sich bei dem Trailer denkt „Ach guck mal, das ist wieder da“.

Aber die Häufung macht es ja schon zu einem der Themen des Jahres.

Viel mehr finde ich spannend, dass das Privatfernsehen inzwischen ein Alter erreicht hat, dass es selber Klassiker hat, die man wiederbeleben kann, weil jetzt erst eine Generation existiert, die damit groß geworden ist. Wie oft hat RTL schon zwischen den Jahren „Die schönsten RTL-Momente“ zusammengeschnitten: Erika Berger ist immer mit dabei. Das Privatfernsehen ist da angekommen, wo der WDR immer schon „So lacht NRW“ hatte und ich ohne einzuschalten weiß, dass Heinz Schubert von „Ein Herz und eine Seele“ und der unanständige Waschmaschinen-Sketch der Misfits nicht fehlen werden. Aber Retro TV funktioniert gerade ja auch nicht immer.

Worauf wollen Sie hinaus?

Das „Supertalent“. Die Sendung sieht heute noch aus wie damals. Sie war halt nur nie weg. Und dass sie nicht mehr funktioniert, liegt meiner Meinung nach nicht an wechselnden Besetzungen in der Jury, sondern daran, dass sich die Erzählung vom heiligen Fernsehen, das dich zum Star macht, nicht mehr greift, wenn es jeder heute über die SocialMedia-Kanäle wie Instagram auch ohne das Fernsehen schaffen kann. Diese neue Generation von Künstler:innen fragt ja eher die Sender, ob sich so ein Format überhaupt in ihrer TikTok-Reichweite niederschlagen wird. Aber darauf haben die Helden des Privatfernsehens keine Antwort, weil deutsches Privatfernsehen und das Internet nichts miteinander zu tun haben.

Aber wenn besondere Auftritte heute keinen mehr beeindrucken, warum war „Wetten, dass..?“ so erfolgreich?

Das „Wetten, dass..?“-Comeback war ein bisschen wie der lange verschobene James Bond-Film. Bei beiden war einfach gesetzt: Das ist jetzt ein Event, das muss man sehen. Und die Gäste-Zusammenstellung bei „Wetten, dass..?“ war ja auch spektakulär, das schafft das neue „Riverboat“ aus Berlin noch nicht.

Gilt bei „Wetten, dass..?“ das Gleiche wie bei Ihrer Karriere? Willst du gelten, mach dich selten? Oft ist Bastian Pastekwa nicht mehr zu sehen, in eigenen Projekten erst recht nicht…

Dafür könnten Sie mich aber regelmäßig auf den Ohren haben mit meinem geliebten Kriminalhörspiel-Podcast „Kein Mucks“, das ist doch auch was. Verzeihen Sie die billige Werbung. Zurück zum Gespräch: Mit „LOL“ und „Wer stiehlt mir die Show?“ bekam ich schlicht zwei schöne Geschenke in der Pandemie, beides Projekte, die ich nicht gemacht hätte als ich noch an „Pastewka“ gearbeitet habe. Ich bin nämlich absolut nicht multitaskingfähig. Ich kann mich nur auf ein Projekt konzentrieren. Ich bekomme nichts parallel koordiniert. Daran verzweifelt meine Agentur auch schon seit 20 Jahren. Deswegen hatte ich mir nach dem Ende der Sitcom eine Auszeit verdonnert. Die brauchte ich, weil ich mich an die Zeit erinnert fühlte als ich die „Wochenshow“ verlassen hatte.

Inwiefern?

Damals endete ebenfalls ein Format, das ich lange begleiten durfte. Wir hatten mit der „Wochenshow“ bis zu 45 Folgen im Jahr für Sat.1 produziert und davor durfte ich schon bei einer sehr kleinen WDR-Sendung Woche für Woche dabei sein. Ich kam also aus einem siebenjährigen Comedy-Marathon und wusste als Mitte Zwanzigjähriger gar nicht, dass Fernsehen auch anders geht. Ich kannte es nur so. Das war Fließband-Spaß unabhängig vom zentralen Nervensystem. Mit dem Ende der „Wochenshow“ hab ich damals eine Pause eingelegt. Drei Ollis haben mir geholfen: Oliver Kalkofe und Oliver Welke mit ihrer Idee, eine Edgar Wallace-Parodie zu drehen und Olli Dittrich, mit dem ich dann ein Bühnenprogramm gemacht habe. Diese Phase der Neuorientierung hatte sich nun zufällig in der Pandemie wieder für mich ergeben.

Wo wir gerade beim öffentlich-rechtlichen Podcast „Kein Mucks“ waren. Die Medienpolitik diskutiert, ob Unterhaltung überhaupt Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen ist. Das könnte auch bedeuten: Keine Krimis mehr. Was sagen Sie?

Ich verstehe die Diskussion anders, aber persönlich bin ich der Auffassung, dass selbst die albernste Comedyshow oder die obskurste Unterhaltungssendung relevant ist und zur Aufgabe jedes Anbieters gehören muss. Ich glaube, dass die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler nicht verstehen würden, wenn man ihnen sagt, dass sie auf Böhmermann und Kebekus verzichten müssen. Ihnen wäre schließlich auch ein herrliches Musical über den Eierwurf auf Helmut Kohl entgangen.

Wobei es eher weniger diese Sendungen wären, die bei einem enger gefassten Programmauftrag zur Disposition stehen würden. Da geht es eher um „Rote Rosen“ und „Sturm der Liebe“…

Natürlich rümpfen wir da jetzt die Nase, weil es nichts für unsere Altersklasse ist, aber andere nehmen auch bei diesen Telenovelas was mit. Dass aber auf allen Dritten und One immer „In aller Freundschaft“ oder „Sturm der Liebe“ von 2009 wiederholt wird, irritiert mich. Die Häufigkeit ist für mein Empfinden nicht förderlich für die Diskussion und wenn es heißt, diese Wiederholungen seien günstig, dann hat man vielleicht zu viel Fläche, die man nicht vernünftig gefüllt bekommt.

Muss die ARD nicht grundsätzlich einmal klären, welche Bedeutung Das Erste im Vergleich zu den längst ja ebenfalls national verfügbaren Dritten hat? Wir sind alt genug um uns zu erinnern, dass das Gemeinschaftsprogramm einst stärker regional gespeist war mit Fensterprogrammen am Vorabend…

Das machen die Dritten ja heute immer noch, wenn sie am Vorabend in ihre Landesstudios schalten. Ich finde gut, dass es die Dritten gibt, weil sie Regionales transportieren. Aber mir persönlich ist drumherum einfach zu viel Heimatfernsehen aus alter Zeit, was mich nicht mehr interessiert.

 

"Die Ausrede, es läuft nichts Vernünftiges, gibt es nicht mehr."

 

Als wir uns vor zehn Jahren unterhalten haben über den Zustand des Fernsehens, da war die ZDF-Mediathek gerade neu. Streamingdienste gab es noch nicht. Hat Streaming das Fernsehen besser gemacht?

Die Ausrede, es läuft nichts Vernünftiges, gibt es nicht mehr. Die Streamingdienste haben vor allem das Angebot enorm vergrößert, weil sie entgegen der ersten Beschwichtigungen der Fernsehsender eben nicht Online-Videotheken wurden, die mehr vom Gleichen zeigen sondern uns verhältnismäßig kleine Beträge einen Zugang zu Genres und Geschichten geben, für die ich zu DVD-Zeiten sehr viel Geld ausgegeben hätte. Und natürlich ist es nur konsequent, dass „Sturm der Liebe“ jetzt auch bei Netflix läuft.

Ärgert es den TV-Junkie nicht, wenn man früher wie ein Trüffelschwein der Einzige war, der ein Programmhighlight irgendwo entdeckt und aufgenommen hat - und es heute allen zu Füßen liegt?

(lacht) Ich zeichne immer noch auf, was nicht online verfügbar ist und schaue es dann nie. Eine schöne Tradition. Bei mir liegt dieser Tage auch eine Programmzeitschrift mit Weihnachtsstickern auf dem Tisch, herrlich. Was ich übrigens eher mal reformieren würde als den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wären die Cover von Programmzeitschriften.

Volle Unterstützung meinerseits.

Die sehen seit 30 Jahren gleich aus: von der blonden Frau vor blauem Hintergrund bis zur Darstellung des Programmangebots, die an ausufernder Unübersichtlichkeit nicht mehr zu überbieten ist, gleichzeitig aber so tut als wenn es Streaming kaum geben würde. Wo ist der Aufschrei der Gleichstellungsbeauftragten?

Unter uns Serienliebhabern würde ich gerne eine These diskutieren: Ist die langlebige Serie tot? Es entstehen - gefühlt - fast nur noch Miniserien, meist mit abgeschlossenen Kriminal-Handlungen.

Ja, vollkommen richtig. Zumindest wenn es um Primetime-Serien im linearen Fernsehen geht. Bei „Oktoberfest 1900“ oder auch der letzten „Ku’damm“-Staffel zum Beispiel hätte ich mir mehr Folgen gewünscht. Da überschlugen sich manchmal die Ereignisse auf eine Art, dass das Innenleben der Figuren vernachlässigt wurde. Das hätte man vielleicht wöchentlich erzählen können, um die Charaktere erlebbarer zu machen. Aber wer bin ich, das zu beurteilen.

Zum Abschluss muss ich nochmal nachhaken: Was gibt es denn von Bastian Pastewka in 2022 zu sehen?

Nichts, aber ich sitze schon am 1. Weihnachtstag bei „Dalli Dalli“ im ZDF und wickele mit Annette Frier in Rekordzeit einen überlebensgroßen Pullover auf. Das kann 2022 nicht mehr steigern!

Herr Pastewka, herzlichen Dank für das Gespräch