Seit Jahrzehnten schon prägen Filme und Serien unser Bild von der Welt. Wie glücklich aber sind porträtierte Städte und Regionen eigentlich mit dem transportierten Image? Und wie organisieren insbesondere jene Orte, die nicht per se mit entsprechender Infrastruktur für Film- und Fernsehproduktion ausgestattet sind, Dreharbeiten vor Ort? DWDL.de hat beim vielleicht unerwartetsten Hotspot für deutsche TV-Produktionen nachgefragt: Dem Berchtesgadener Land.

Das ist keine Behauptung des film- und fernsehbegeisterten Bürgermeisters Franz Rasp sondern beim Blick auf die zuletzt dort realisierten Produktionen eine Tatsache: Neben der ZDF-Reihe "Lena Lorenz" (ZDF), der ARD-Serie "Watzmann ermittelt" sowie "Die Toten von Salzburg" (ZDF/ORF2) wurde im vergangenen Jahr auch für die Serien-Neuverfilmung "Sisi" (RTL+), den Netflix-Neustart "Kitz" und die Fortsetzung der Sky-Serie "Der Pass“ gedreht, die am Freitag startet.

Franz Rasp © Gde. Berchtesgaden Franz Rasp, CSU-Bürgermeister von Berchtesgaden
Herr Rasp, sehen Sie selbst die in Berchtesgaden gedrehten Produktionen?

Ich schaue eigentlich sehr selten fern. Aber natürlich habe ich in „Watzmann ermittelt“ das eine oder andere Mal reingeschnuppert. Die Bilder, die mit der ARD-Serie vermittelt werden, sind wirklich schön.

Ist das Drehort-Dasein gut für die Region und den Tourismus?

Es ist zuweilen ambivalent. Zum Einen ist es natürlich förderlich, wenn schöne Motive aus Berchtesgaden im Fernsehen gesendet werden. Zum Anderen ist es für Anwohner und Besucher schon auch manchmal nervig, wenn im Ort gedreht wird, Straßen gesperrt werden oder Geschäfte nicht zugänglich sind. Aber bisher sind die Beeinträchtigungen immer im Rahmen geblieben.

Berchtesgaden hat sogar eine Anlaufstelle für Drehort-Auskünfte. Wie sieht das Procedere aus?

Die Anfragen der Produktionsbranche und das Betreuen der Film- und TV-Schaffenden sind bei unserem Tourismusverband angesiedelt. Das Team dort entscheidet darüber, ob Projekte zu uns passen, sie vermitteln und kümmern sich um die Produktions-Mannschaften. Im Rathaus Berchtesgaden erreichen uns daher nur vorgefilterte Anfragen, in denen konkret um die jeweiligen Drehgenehmigungen gebeten wird. Die Gemeinde ist gefragt, wenn es darum geht, Flächen zur Verfügung zu stellen, sie für den Dreh zu sperren und um Verkehrsanordnungen zu erteilen.

Wo ist die Grenze – haben Sie schon mal einen Dreh untersagt?

Was der Tourismusverband uns als Gemeinde vorschlägt, wird in der Regel auch befürwortet. Wenn es zeitlich und räumlich passt, spricht nichts gegen Produktionen. Es kommt allerdings schon einmal vor, dass Plätze bereits vergeben sind. Der Nationalpark Berchtesgaden als Naturschutzgebiet ist für Dreharbeiten dagegen tabu.

Der Pass, Staffel 2 © Sky/W&B/epo-film/Hendrik Heiden Die zweite Staffel "Der Pass" wurde u.a. in und um Berchtesgaden gedreht.

Die Film- und TV-Kulisse Berchtesgaden hat sich gewandelt, vom Heimatfilm-Ambiente In den 1970er-Jahren über die Hollywood-Produktion Ende der 1980er-Jahre hin zu Serien und Krimis. Stört das Morbide die touristische Postkartenidylle?

Ich denke, dass die Zuseherinnen und Zuseher sehr gut zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können. Die Villa Bayer spielt ja auch nur mit der Außenansicht bei „Watzmann ermittelt“ eine Rolle, aber innen wird in unserer Polizeistation gar nicht gedreht. Und noch hat mich keine Anfrage erreicht, ob unsere Kriminalitätsstatistik schlechter ausfällt, weil wir hier in der Region so viele Mordfälle haben (Lacht).

"Es ist Teil des Entertainments, dass Dinge verkürzt und wenig differenziert dargestellt werden können."

Viele Produktionen spielen mit Klischees, mit bockigen Bergbewohnern, der Sünd‘ auf der Alm und korrupten Bürgermeistern. Wie ist das, wenn die eigene Heimat ganz anders dargestellt wird als sie Einheimische wahrnehmen?

Das gehört nun einmal zur Fiktion dazu. Ich habe grundsätzlich kein Problem damit. Es ist Teil des Entertainments, dass Dinge verkürzt und wenig differenziert dargestellt werden können. Natürlich ist im Fernsehen der Bürgermeister in einem oberbayerischen Ort der beste Spezl* des Pfarrers und ganz dick mit dem Lehrer und darüber hinaus auch noch ein Bazi*. Ja mei*. Ich habe den Eindruck, dass eher in TV- und Kinofilmen vertieft und realistischer auf das Leben und die Menschen in der Region eingegangen wird.

Die Stadt Rosenheim hat rund um die ZDF-Reihe „Die Rosenheim Cops“ eine Stadtführung geschaffen. Für Berchtesgaden gibt es immerhin auf der Website Tipps, welche Drehorte besucht werden können. Sind geführte Serien-Touren auch hier denkbar?

Ob das jetzt „Watzmann ermittelt“ ist oder „Lena Lorenz“, um die zwei großen laufenden Produktionen von ARD und ZDF zu nennen: Passende Touren wären grundsätzlich schon denkbar. Nur müssen wir genau abwägen, in welche der schönen Regionen wir Menschen lotsen können. Es ist immer auch eine Frage der Besucher-Lenkung. Wir überlegen uns daher sehr gut, welche Plätze wir zusätzlich präsentieren wollen und welche eher nicht.

Apropos Besucherlenkung: Influencer haben es in Social Media mit Werbung für den Wasserfall am Königssee übertrieben, der Zustieg zum beliebten Badegumpen ist in der Folge seit Sommer gesperrt. Wie gehen die Behörden darüber hinaus mit dem medialen Run auf die Schönheiten des Berchtesgadener Talkessels um?

Hier gilt es ganz klar zu unterscheiden zwischen TV-Bildern und Posts auf Social Media. Bei Film und Fernsehen haben wir es grundsätzlich selbst in der Hand, ob wir ausgewählte Plätze als Drehorte freigeben. Auch sind im Nachgang manche Orte gar nicht so leicht auffindbar, weil markante Bezugspunkte wie Kirchen im Bild fehlen. Für die „Geheimtipps“ aus dem Naturschutzgebiet allerdings, die letztlich das zerstören, was eigentlich gesucht wird, hat die Nationalparkverwaltung inzwischen ein eigenes Social-Media-Team aufgestellt, um dem proaktiv entgegenzuwirken. Dort werden einschlägige Medien gescreent auf der Suche nach Informationen, die nicht unkommentiert bleiben dürfen. Außerhalb der Grenzen unseres Nationalparks sind mir derartige Auswüchse zu Berchtesgadener Sehenswürdigkeiten in sozialen Medien allerdings nicht bekannt.

Herr Bürgermeister, Vergelt’s Gott für das Gespräch.

(*Das Interview wurde in Mundart geführt. Die Rede ist vom besten „Freund“ des Pfarrers und davon, dass der Bürgermeister im TV gern als „Schlitzohr“ dargestellt wird. Franz Rasp kommentiert das mit „So ist das eben.“)

Berchtesgaden als gefragter Drehort

  • Bis zu 100 Mal pro Jahr erreicht das Film-Management des Zweckverbands Bergerlebnis Berchtesgaden eine Anfrage für ein Filmprojekt in der Filmregion Berchtesgaden für TV, Kino, Streaming oder auch Werbung. Rund die Hälfte davon wird umgesetzt. Gibt der Verband sein Go, dann kümmert er sich um Behördenanfragen, um die Unterbringung der Teams in der Tourismus-Hochburg Berchtesgaden, um konkrete Motiv-Vorschläge und inzwischen auch immer mehr um Fragen der Nachhaltigkeit, etwa bei der Unterstützung durch Dienstleistungen sowie einem Catering mit Produkten aus der Region.