Herr Horst, ohne das Ende Ihrer Rückkehr als Balko spoilern zu wollen: das Finale hat’s ja mal in sich, wer denkt sich denn so was aus?

Jochen Horst: Gute Autoren, die das tun, damit ich es nicht tun muss (lacht). Und ich glaube, da wir von 50 auf 90 Minuten erhöht haben, also gewissermaßen Kinoformat, darf Fernsehen durchaus mal cineastisch enden.

Ihr Comeback gibt also den Sound der nächsten Folgen vor?

Absolut. Wir bewegen uns auch was Auflösung, Kamera, Optik betrifft, mit voller Absicht ein Stück weit von RTL weg Richtung Netflix. Eigentlich entsprach die ruhigere Crime Comedy vom „Balko“ der Neunziger mehr meinem Geschmack, aber ich bin immer bereit, mich weiterzuentwickeln. Als Fan von Formaten wie „Better Call Saul“…

Dem Prequel von „Breaking Bad“ auf Netflix.

… das ebenfalls etwas ruhiger, aber humorvoll erzählt wird, befinden wir uns da auf einem guten Mittelweg.

Was genau unterscheidet „Balko“ 1998 denn von „Balko“ 2022?

Die Umstände gealterter Charaktere als Privatdetektive auf Teneriffa statt Polizisten in Dortmund, allerdings mit demselben, leicht verblödelten Spieltrieb. Das Kokettieren mit dem Alter auf der Ferieninsel bringt ein paar Farben mehr verglichen mit dem Ruhrpott der Neunziger.

In denen deutsche Ermittler nicht annähernd so oft im Ausland ermittelt haben wie jetzt.

Das ist in der Tat populär und zieht so größeres Publikum. Darüber hinaus schafft der ausländische Drehort aber auch erzählerisch neue Möglichkeiten. Als Ludger Pistor und ich unsere Figuren mitentwickelt haben, um 15 Jahre im Sinn einer interessanten Neuerzählung zu überbrücken, hat sich ein solcher Ortswechsel fast aufgedrängt. Alles andere wäre auch langweilig gewesen.

Schlimmer noch: nostalgisch.

Und damit absehbar. Für eine Detektivgeschichte deutscher Ex-Polizisten ist es ja spannend, dass es in Spanien verschiedene Polizeikräfte mit völlig verschiedenen Kompetenzbereichen gibt, die weder Balko noch Krapp kennen, was zu originellen Komplikationen führt.

Bringen Sie als Deutscher mit Zweitwohnsitz Mallorca da eigene Erfahrungen mit ein?

Das kommt vor, findet aber allenfalls auf Seitengleisen statt. Bei 80 Prozent Eingeborenen im Team, die oftmals kaum Englisch, geschweige denn Deutsch sprechen, bringe ich mich schon mal vermittelnd ein, bin aber dort ja nicht zum Spanier geworden, sondern deutsch geblieben, fast ein bisschen preußisch.

Privat sind Sie also gar nicht die coole Socke Ihrer Figur?

Das können andere vermutlich besser beurteilen, aber ich bin sicher nicht so chaotisch und ordnungsfern wie Balko, das ist schon eher gespielt als gelebt.

Interessanterweise haben Sie den gar nicht so lange gespielt. Gerade mal drei Jahre…

Wobei ich das in meinem Alter damals, wenn man sich noch viel mehr austoben will, als richtig lang empfunden hatte.

 

"Nur, weil man mit den besten Regisseuren arbeitet, heißt das ja noch lange nicht, zu den besten Schauspielern zu zählen."

 

Stört es Sie da umso mehr, dass ein gutes Zehntel Ihrer bisherigen Film- und Fernsehkarriere den Rest so überlagert?

Überhaupt nicht, das gehört zu meinem Beruf dazu. Im Grunde sollte es, glaube ich, sogar ein Ziel des Schauspielens sein, Figuren zu kreieren, die das Publikum nicht nur mag, sondern mit dem es dich auch assoziiert. Wenn das in so langer Zeit nicht gelingt, musst du was falsch gemacht haben. Ich empfinde Wiederkennungswerte als Vorteil. Für beide Seiten. Zumal ich ja andere Sachen gemacht habe, die teilweise nur unterm deutschen Radar stattfanden.

Zum Beispiel?

Meine internationalen Rollen, „Der Zementgarten“ etwa mit Charlotte Gainsbourg oder zuletzt „Jaguar“ fürs spanische Netflix. Das kennt hier kaum jemand, war aber alles wichtig für mich.

Hierzulande sind sie eher für Fernsehen der etwas leichteren Art wie „Balko“ bekannt, der dem damals noch sehr nüchternen Krimi deutscher Art etwas Neues beigefügt hat.

Humor.

Bis auf ein paar „Tatorte“ haben Sie dagegen wenig gemacht, das im Feuilleton besprochen wird.

Wenn es daran läge, dass ich ein mittelmäßiger Schauspieler bin, könnte ich damit leben. Es hing aber wohl eher mit meinem Wohnort Spanien zusammen, der sich mit den Sparmaßnahmen deutscher Fernsehproduktionen nicht gut vertragen hat. Ich persönlich mache aber auch gar nicht so große Unterschiede zwischen leicht und schwer, Qualität und Quantität, „Tatort“ oder „Traumschiff“. In Ihrer Terminologie kippe ich wahrscheinlich ein bisschen Richtung seicht, aber das macht für meine Art, Figuren respektvoll zu spielen, keinen Unterschied.

Was unbedingt für Sie und Ihre Berufsauffassung spricht. Aber möchte man nicht dennoch auch mal Dominik Graf oder Maren Ade drehen?

Natürlich gibt’s Projekte, bei denen ich gern dabei gewesen wäre. Aber wissen Sie, es ist halt, wie es ist. Und wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich lieber mit bestimmten englischen oder spanischen Regisseuren gearbeitet. Nur, weil man mit den besten Regisseuren arbeitet, heißt das ja noch lange nicht, zu den besten Schauspielern zu zählen. Wenn ich Kolleginnen und Kollegen bewerte, gehe ich deshalb sehr nach dem Handwerk und sehr wenig nach den Verantwortlichen. Die, machen wir uns nichts vor, sind im internationalen Vergleich oftmals nicht konkurrenzfähig.

Oha!

Nehmen Sie Dinge, die sogar weltweit wahrgenommen werden wie „Dark“ oder „How to Sell Drugs Online (fast)“ – beides super gemacht, auch super gespielt, aber für ein sehr begrenztes Publikum. Sobald deutsches Fernsehen den Mainstream erreichen will, wird es komplizierter. Kennen Sie „Barbaren“, die Nacherzählung der Hermanns-Schlacht? Eigentlich klasse, aber ausgerechnet da, wo es drauf ankommt, nämlich bei der Schlacht selber, sieht es nicht global, sondern deutsch aus. Oder „Inventing Anna“.

Die Netflix-Serie über die deutsch-russische Betrügerin Anna Sorokin.

Großartig – bis zu der Folge, die vor allem in Deutschland spielt. Da stürzt sowohl die Erzählweise als auch alles Technische abrupt ab. Wahnsinn.

Fühlen Sie sich berufen, daran etwas zu ändern?

Ich schreibe in der Tat an mehreren Drehbüchern und habe auch schon was eingereicht. Aber wer will denn bitte noch richtig was lesen. Wenn Sie eine Synopsis von mehr als zwei Seiten haben, guckt da schon keiner mehr richtig rauf, sondern bittet gleich um einen Trailer.

Was haben Sie denn so geschrieben?

Ach, zum Beispiel eine Fortsetzung vom „Erbe der Guldenburgs“.

Mit Ihnen als gereifter Sascha Guldenburg?!

The Next Generation plus Christiane Hörbiger und mich, genau. Allerdings nicht mehr in der Bier-, sondern der Opiumbeschaffung für die Pharmaindustrie, also Grauzone der Halbkriminalität.

Und was meinte das ZDF?

Das war denen zu wild. Aber so was ist auch ein bisschen Glückssache. Sie müssen zur richtigen Zeit die richtige Person mit der richtigen Muße, also das richtige Momentum finden. Gerade öffentlich-rechtlich fehlt da allerdings zusehends der Mut.

Ist RTL da mutiger?

Die nehmen sich alle nicht viel und müssen wegen der Streaming-Konkurrenz auch vorsichtiger sein mit ihren Ressourcen. Aber im Fall von „Balko“ merkt man, dass sowohl der Regisseur als auch der Kameramann erst um die 30 sind und sich mehr trauen. Insofern traut sich RTL vielleicht doch etwas mehr.

Hat Balko uns über die Unterhaltung hinaus etwas zu sagen, etwa darüber, was Menschen im Alter machen?

Natürlich geht es auch darum, was zwei alternde Männer mit sich anfangen. Aber wir machen kein Fernsehspiel, sondern Crime-Comedy, das gibt den Rahmen vor.

Und erfahren wir darin endlich, wie Balko mit Vornamen heißt?

Nee, das hat sich ganz gut gehalten und soll so auch bleiben.

Herr Horst, vielen Dank für das Gespräch.

"Balko Teneriffa" am Donnerstag um 20:15 Uhr bei RTL und schon jetzt bei RTL+

RTL zeigt den Pilotfilm von "Balko Teneriffa" am Donnerstag um 20:15 Uhr