Ein sonniger Nachmittag Anfang März. Seit Stunden schon gibt Barbara Schöneberger im Wohnzimmer einer Hotelsuite am Berliner Ku'damm Interviews zu "Verstehen Sie Spaß?". Es ist später Nachmittag als ich an der Reihe bin. Mutmaßlich als letzter Journalist des Tages, wurde mir im Vorfeld gesagt. Ich beschließe zwei Piccolöchen mitzunehmen, um auf den nahenden Feierabend anzustoßen. "Es ist für uns alle die sechste Stunde", sagte mein Französisch-Lehrer früher immer, wenn uns freitags nur noch eine Unterrichtsstunde vom Wochenende trennte. Frau Schöneberger ist entzückt, wir stoßen an - und beginnen ein Interview über Interviews - und irgendwie auch über Fernsehen.

Frau Schöneberger, Sie haben in fast 25 Jahren Karriere viele Interviews gegeben. Gab’s je ein Gespräch bei dem Sie dachten: Das muss doch hier „Verstehen Sie Spaß?“ sein?

Ich liebe Interviews, weil ich gerne rede und am liebsten dann, wenn mir jemand zuhört. Für mich ist das spannend: Was wird die nächste Frage sein? Wie kann ich es möglichst lustig und unterhaltsam machen? Vor jeder Antwort diese Entscheidung in Sekunden: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was will ich sagen? Und wie stell ich mich damit dann dar. Ich lerne bei einem Interview gerne auch was über mich.

Das klingt ja fast leidenschaftlich…

Ja, ich geb mir auch immer wirklich Mühe. Das ist mein Sport, ich bin nie der zurückgelehnte Typ a la „Wie ich ja gerade schon gesagt habe…“. Ich sitze aufgeregt auf der Stuhlkante, aber manchmal gerät man bei Interviews auch an Menschen, die - wie soll ich das sagen - ihren Job nicht ganz so begeistert auffassen wie ich meinen. 

Und dann?

Dann wird’s schwierig. Ein Gespräch ist ja immer ein Geben und Nehmen; ein Reagieren auf Gesagtes. Und manchmal wird ein Fragenkatalog abgearbeitet völlig ungeachtet dessen, was man da gerade sagt. Ich könnte meinen Hund überfahren und meine Mutter erschießen - und die Reaktion: „Ich würde gerne nochmal zurückkommen auf…“ Wenn nach der dritten, vierten Frage klar ist: Das wird hier Dienst nach Vorschrift - dann geb ich mir auch auch keine Mühe mehr.

Ich würde gerne nochmal… 

(lacht) Ich bin übrigens immer sehr gespannt auf die Technik des Interviewers: Womit eröffnet der das Interview? Man braucht ja immer einen Eisbrecher zum Einstieg. Da gibts diverse Techniken. Die einen schleimen und schwärmen wie sie seit Jahren alles verfolgen was ich mache. Oder es gibt zum Einstieg mal schön ne Provokation: Frau Schöneberger, wie ist es eigentlich seit Jahren überschätzt zu werden? Letzteres gefällt mir. Wenn sich jemand an mir abarbeiten will, lauf ich zur Höchstform auf. Da kämpf ich, um ihn auf meine Seite zu ziehen. Und die Netten sind manchmal heimtückisch.

Bei der Freigabe dann?

Ja. „Habe ich das wirklich gesagt?“ Ich rede viel und wahrscheinlich habe ich das auch so gesagt, aber dann wurde der Kontext entfernt oder die Stimmung des Gesprächs wird nicht klar, was aber wichtig ist um vielleicht zu relativieren, wie ich eine flotte Formulierung meinte. Ganz selten lese ich Interviews von mir, die sich so lesen wie ich sie empfunden habe. Die haben ja auch immer alle keinen Platz!

 

"Zusammenhänge gehen in Schlagzeilen und auf Twitter ja verloren"

 

Wenn Sie die Wahl hätten: Gesagt ist gesagt, so dass nichts mehr verändert wird oder eben einer Freigabe nach einem Interview - was würden Sie wählen?

Ich wär ja der Typ „Komm, ist gekauft. Lassen wir alles drin“, aber es bietet sich doch in letzter Zeit an - gerade bei bestimmten Themen, die jetzt häufiger auf dem Papier stehen - nochmal drüber zu gucken, weil inzwischen gerne aus Gesprächen mal eine einzelne Aussage isoliert betrachtet und beurteilt wird. Zusammenhänge gehen in Schlagzeilen und auf Twitter ja verloren und dann heißt es „Schlimm, was die da gesagt hat!“. Du kannst 20 Jahre lang eine Haltung zu etwas haben, was dann keine Rolle mehr spielt, wenn eine Aussage aus dem Zusammenhang gerissen wird. 

Barbara Schöneberger: „Ich könnte meinen Hund überfahren und meine Mutter erschießen“

Genau. Deswegen nimmt man dann leider an der ein oder anderen Stelle eine gewisse Schärfe raus, weil es sonst zu einen Aufschrei kommt, der nicht wieder gerade zu rücken ist. Weil der Aufschrei möglicherweise eine so große Präsenz bekommt, dass man nie wieder die gleiche Bühne bekommt, um es nochmal im Zusammenhang zu erklären. 

Welche Themen sind es denn, die jetzt häufiger auf dem Papier stehen?

Ich werde nur noch zum Thema Frauen in der Unterhaltung befragt. Das gehört jetzt zum Standard. Das finde ich lustig, weil ich jetzt für eine Expertin bei dem Thema gehalten werde, während ich früher immer die Frage gestellt bekam, wie ich es als Frau denn schaffen würde, Kinder und Karriere zu vereinbaren. Ich bin in allen Interviews zu „Verstehen Sie Spaß?“ danach gefragt worden und bin eigentlich immer relativ rumgeiert als die Frage kam und zu dem Schluss gekommen: Ich kann zu dem Thema irgendwie nichts sagen.

 

"Ich bin die Volksbabsi - ich mag Mainstream"

 

Beim Deutschen Fernsehpreis haben Sie selbst gescherzt, dass die ARD nach neuen Gesichtern und insbesondere Frauen in der Unterhaltung gesucht habe und bei Ihnen fündig geworden sei. Entkräftet oder bekräftigt ihre Verpflichtung eigentlich das Problem?

Tja. Weiß ich nicht. Das mein ich. Aber jetzt mal ganz ehrlich: Wen würden Sie denn nehmen? Es muss ja jemand sein, der möglichst viele Leute neutral anspricht. Es gibt ne Menge großartige Kolleginnen, die mit unverwechselbarem Stil Erfolg haben. Aber die eine ist sehr politisch unterwegs, das kann spalten. Die nächste tendiert zu einer nicht immer familienfreundlichen Terminologie, für die sie geliebt wird, aber was nicht zum Samstagabend passt. Oder es fehlt an der Akzeptanz über mehrere Generationen hinweg. 

Und Sie sind…

Ich bin die Volksbabsi - ich mag Mainstream und will das große Publikum. Irgendwann wollte ich nicht mehr der Geheimtipp sein, der nur angerufen wird, wenn bei 3sat um 23 Uhr ein Experiment geplant wird. Dazu habe ich ein zu großes Geltungsbedürfnis. Aber Nische finden heute viele spannender als die große Bühne um 20.15 Uhr, wo du halt auch bereit sein musst für alle da zu sein. Lustig find ich übrigens, dass Joko & Klaas oft als die neue Garde dargestellt wird. So viel jünger als ich ist Joko auch nicht.

Man kann nicht gerade sagen, dass Sie selten im Fernsehen wären - und doch ist es die erste eigene Samstagabendshow für Sie. Bedeutet Ihnen das was?

Bis auf die „Barbara Schöneberger Show“, aber die lief genau genommen Sonntagmorgen und ich bin rückblickend auch ganz froh, dass die so spät kam. Da konnt’ ich es auch irgendwie noch gar nicht. Aber egal, zurück zur Frage: Wenn das Angebot kommt, „Verstehen Sie Spaß?“ zu moderieren, muss man nicht arg lang überlegen. Ich habe jetzt nie eine strategische Karriereplanung betrieben; dafür habe ich ja auch kluge Menschen um mich herum. Wenn ich von einer Bühne komme, mein Manager Alexander Elbertzhagen nuschelnd neben mir steht und ich verstehe: „War gut (…) wir sind auf nem guten Weg“, dann denk ich mir: War gut, wir sind auf einem guten Weg. Es hat sich viel ergeben in meiner Karriere. Aber hier wusste ich: Das will ich! Eine der großen deutschen Traditionsshows zu moderieren, von denen es nicht so viele gibt, fühlte sich nach einem Schritt in die richtige Richtung an.

Schöneberger Lückerath © DWDL.de Ein Piccolöchen für das letzte Interview des langen Pressetages zu "Verstehen Sie Spaß?"

Darf in „Verstehen Sie Spaß?“ mehr Schöneberger stecken als wenn man bei den von Ihnen zahlreich moderierten Preisverleihungen im Grunde nur zu funktionieren hat?

Ich hoffe! Hab’s ja auch noch nicht gemacht. Wird schon! Es ist echt schwer für etwas Werbung zu machen, was man ja auch noch nicht kennt - wenn man nicht gefühlt hat, wie es sich anfühlt.

Aber ich hoffe es wird nicht einfach nur Guido Cantz durch Barbara Schöneberger ersetzt. Dafür liegt zu viel Aufmerksamkeit auf dem Neustart…

Mit meinem Autor und meiner Schneiderin habe ich mir viele Gedanken gemacht: Ich kann singen, ich kann tanzen und Quatsch machen. Schon mit dem Opening wird sehr deutlich, dass das jetzt was Neues ist und ich habe dem Team von Anfang an signalisiert: Ich mach alles mit, mir ist vor nix fies. Ich nehm mich ja selbst nicht so furchtbar ernst und mach mich jetzt nicht verrückt: Moderation ist eine machbare Aufgabe, dafür habe ich schon viele große Shows in meinem Leben moderiert. Ich würd mir nur etwas Geduld wünschen. Man bekommt mit einer neuen Show im Fernsehen ja nur einen Abend Zeit, in seinem neuen Job anzukommen. Der erste Versuch wird gleich von allen abgerechnet. Als Versicherungsfachangestellte würde mir nach dem ersten Arbeitstag ja niemand ein Zeugnis ausstellen.

 

"Ich habe mir noch nie den Wecker gestellt um auf die Quote zu warten"

 

Woran bemessen Sie, wie es gelaufen ist?

Das weiß ich nach dem Opening und dem ersten Austausch mit meinen Leuten nach der Sendung, wenn wir gemeinsam in meiner Garderobe sitzen und alles durchsprechen. Ausschließlich das ist wichtig für mich, dann ist der nächste Morgen gar nicht mehr so entscheidend. Klar wünscht man sich eine gute Quote, aber ich hab mir noch nie im Leben für 8 Uhr den Wecker gestellt um auf die Quote zu warten. Claudi (Managerin Claudia von Spreckelsen, Anm. d. Red.) ruft dann irgendwann an und sagt „War gut“ oder „Ging so“. Aber es ist mitnichten so, dass ich meine Stimmung davon abhängig mache. Ich weiß schon, ob der Job gut war oder nicht und wenn ich wählen muss, dann lieber ein gutes Gefühl mit schlechter Quote als umgekehrt.

Die Haltung muss man sich aber auch leisten können. 

Ich liebe meine Arbeit, das Fernsehen. Aber mit der Branche habe ich seit 20 Jahren so wenig zu tun wie möglich. Ich kenn auch kaum einen der Verantwortlichen, erspare mir weitgehend Gespräche bei schlechtem Kaffee und Bahlsen-Gebäckmischung. Mir ist auch egal wo welcher Sendeplatz frei wird und ob man mich hier oder da mal ins Spiel bringen könnte. Sowas interessiert mich nicht. Ich komme eigentlich immer erst dann ins Spiel, wenn der Deal gemacht ist. Ich komme zum letztmöglichen Zeitpunkt und haue zum frühstmöglichen Zeitpunkt wieder ab. Aber dazwischen liefere ich hoffentlich gut ab. Das macht mich zu einem sehr glücklichen Menschen.

Minimalziel ist aber: Länger „Verstehen Sie Spaß?“ moderieren als Harald Schmidt?

Das war wirklich nicht die richtige Sendung für ihn. Wir legen Leute rein, aber wollen mit ihnen darüber lachen. Bei ihm läuft es über Distinktion und Distanz. Aber: Es hat ihm ja nicht geschadet und der Sendung auch nicht. Ich plane, mich bei der Sendung mit mütterlichem Witz zu engagieren und alle beisammen zu halten.

Wie optimistisch sind Sie, bei der Premiere am Samstag ohne Überziehung auszukommen?

Das sind doch jetzt unwichtige Details Irgendjemand wird mir schon sagen, wenn ich mich verquatsche.

Oben sitzt kein Thorsten Schorn in der Box und ermahnt…

Sie glauben gar nicht wie schnell der kommen würde, wenn man fragen würde. Aber das mach ich jetzt mal allein.

Frau Schöneberger, herzlichen Dank für das Gespräch.