Herr Elstner, Ihr Kollege und Freund Joachim Fuchsberger hat einmal gesagt: "Alt werden ist nichts für Feiglinge." Hatte er recht?

Joachim hatte definitiv recht. Man muss sich einfach damit auseinandersetzen, dass man nicht mehr so gut funktioniert wie mit 17.

Fuchsberger, Sie, aber auch Peter Frankenfeld, Wim Thoelke und Hans-Joachim Kulenkampff prägten eine ganze Ära der Unterhaltung im deutschen Fernsehen. Gab's da eigentlich ein Konkurrenz-Denken?

Unter den Kollegen gab es dieses Denken tatsächlich, allerdings nicht bei mir. Ich hatte einen sehr guten Job als Programmdirektor von Radio Luxemburg und hatte daher eigentlich keine Konkurrenz. Mich hat der Neid nie überrumpelt, ich konnte allen ihre Erfolge gönnen. Ich freute mich darüber, wenn Rudi Carrell einen neuen Gag gemacht hat, war begeistert darüber, mit welcher Fantasie Kulenkampff Dinge geschrieben hat, zu denen mir nie etwas eingefallen wäre, oder fühlte mich gut unterhalten, wenn Hänschen Rosenthal in die Luft gesprungen ist. So hatten alle ihre Eigenheiten, die sie zu echten Unikaten machten.

Es gab damals nur wenige Sender, daher auch nur wenige Sendeplätze für all diese Stars. Wie schwierig war es seinerzeit an einen der begehrten Sendeplätze zu kommen?

Das war gar nicht mal so schwierig, wenn man beim richtigen Sender war. Beim Westdeutschen Rundfunk hatte man eher eine Chance als beim kleinen Saarländischen Rundfunk. Vor allem aber kam es auf die Sendezeiten an, die die Programmdirektoren zu vergeben hatten, aber auch auf die eingekauften Serien. Wenn ein Sender einen Programmchef hatte, dessen Hobby es war, auf den internationalen Messen möglichst viele Serien einzukaufen, dann blieb weniger Zeit für Eigenproduktionen, von denen ich selbst stets ein Befürworter war.

Heutzutage haben viele erfolgreiche Shows ihren Ursprung im Ausland, wenn wir etwa an "The Masked Singer" denken. Aktuell wird zudem bei RTL der 19. "Superstar" gesucht. Fällt dem deutschen Fernsehen nichts mehr ein?

Ich glaube, dass es besser geworden ist. Durch die Übermacht des Digitalen haben heute viel mehr Menschen die Möglichkeit, ihre Ideen in Bilder umzusetzen – und sei es bloß auf YouTube. Die Vielfalt ist so groß wie nie zuvor.

Sie selbst hatten vor wenigen Jahren Ihre Talkshow "Wetten, das war's" ebenfalls auf YouTube gestartet. Was hat Sie daran gereizt?

Es war mein Sohn Thomas, der zu mir sagte: "Papa, mach das gefälligst!" Also habe ich mich darauf eingelassen. (lacht)

Machte es für Sie überhaupt einen Unterschied, bei YouTube zu senden oder im ZDF?

Es war für mich schon ein neuer Weg, weil ich nicht wusste, ob die ganz jungen Leute mich überhaupt noch annehmen. Die Themen, die mir am Herzen liegen, sind nicht unbedingt die Themen der Zielgruppe der 14- bis 18-Jährigen. Glücklicherweise hat es gut funktioniert – vielleicht, weil sich bei den Jüngeren herumgesprochen hat, dass ich einmal "Wetten, dass..?" erfunden habe. "Wetten, dass..?" gilt auch heute noch als modernes Fernsehen. Da hatte ich ganz guten Leumund.

 

"Im Ausland sind ältere Moderatoren ganz anders angesehen als bei uns."

 

"Wetten, dass..?" war vermutlich die beste Idee, die Sie jemals hatten. Was war die zweitbeste?

Ich würde niemals eine Hitparade meiner Ideen aufstellen, weil man die Ideen nicht miteinander vergleichen kann. Man kann allenfalls Formate auf ähnlichen Sendeplätzen vergleichen. Im Kultur-Bereich war bestimmt meine Serie über den Nobelpreis die beste Idee. Ich habe 138 Nobelpreisträger befragt und mir mit den "stillen Stars" ein kleines Denkmal gesetzt.

Wie kam's dazu?

Das war ganz einfach – nämlich so, wie ich immer auf meine Ideen komme: Ich gehe mit offenen Augen durchs Leben und wenn ich irgendwo das Gefühl habe, eine Sendung dazu zu machen, fängt es bei mir an zu tickern. In diesem Fall habe ich im französischen Fernsehen eine Serie über Albert Einstein gesehen und wollte daraufhin mehr erfahren über solche Genies, die es ja auch heute noch gibt. So ist diese Reihe entstanden und ich bin sehr stolz darauf, dass sämtliche Folgen auch im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurden.

Was haben Sie aus diesen Gesprächen für sich mitgenommen?

Ich konnte nur lernen. Vor allem, wie gut man mit Bescheidenheit zurecht kommt. Wissenschaftler arbeiten nicht, um irgendwelche Trophäen zu gewinnen oder viel Geld zu sparen, sondern sie arbeiten, weil sie besessen davon sind, Neues zu erfahren oder als erste Menschen etwas zu sehen, wovon andere Menschen überhaupt nicht geträumt haben.

Dagegen wirkt das Fernsehen doch unfassbar klein, oder?

Gegen die Wissenschaft ist alles klein.

Wenn über Unterhaltung gesprochen wird, dann häufig mit einem negativen Tonfall. Wie oft mussten Sie dagegen ankämpfen?

Das ist mir jahrzehntelang begegnet. Radio Luxemburg hieß früher "Die vier fröhlichen Wellen von Radio Luxemburg". Ich kann gar nicht zählen, wie oft wir als Berieselungssender oder Unterhaltungsfuzzies angegriffen worden sind. Aber wir haben uns daraus nichts gemacht und wollten die Menschen ganz bewusst unterhalten. Wem das nicht gefiel, der konnte sich ja ein anderes Programm suchen.

Frank Elstner © SWR/Jan Welchering Frank Elstner feiert am kommenden Montag seinen 80. Geburtstag - bei einem Essen mit seinen Kindern und Enkeln.

Heute entscheidet oft ausschließlich die Marktforschung darüber, was im Radio gespielt wird – und die meisten Programme werden dadurch ziemlich vorhersehbar. Da dürfte Ihnen doch das Herz bluten.

Im Gegenteil, ich bin sogar mitschuldig an der Marktforschung, weil wir bei Radio Luxemburg wissen wollten, was die Deutschen hören möchten. Dafür haben wir viele Millionen ausgegeben, um diese Forschung zusammen mit Infratest wissenschaftlich zu betreiben. Marktforschung ist nichts Böses, sondern hilft, sich bestätigt zu fühlen. Allerdings darf Marktforschung nicht so weit gehen, dass sie als alleinige Gesetzmäßigkeit gesehen wird. Man muss auch den Mut haben, Bauchentscheidungen zu treffen. Der leichteste Erfolg findet dann statt, wenn die Schnittmenge zwischen Bauchentscheidung und Marktforschung möglichst groß ist. Glücklicherweise ist mir das ein paar Mal gelungen.

Lassen Sie uns auf das Fernsehen zurückkommen und auf das Älterwerden. Ich erinnere mich an Bob Barker, der im amerikanischen Fernsehen mit "Der Preis ist heiß" aufgehört hat, als er 83 war. Hierzulande undenkbar, oder?

Im Ausland sind ältere Moderatoren ganz anders angesehen als bei uns. Die Franzosen haben in entscheidenden Gesprächs- und Unterhaltungssendungen immer auch die ältere Generation da sitzen. Dort gibt es einige Moderatoren, die über 70 Jahre alt sind und noch immer großen Erfolg haben. In Deutschland sind wir leider besonders streng mit älteren Herrschaften. Ich bin ein schlechtes Beispiel, weil ich das Glück hatte, mit einigen meiner Produktionen jungen Leuten aus dem Herzen zu sprechen. Wäre mir das nicht gelungen, dann können Sie sicher sein, würden wir heute nicht so lange miteinander sprechen.

 

"Mir ist seit vielen Jahren klar, dass die große Zeit meiner Mitwirkung in der Unterhaltung vorbei ist."

 

Für den SWR sind Sie sogar gerade noch einmal auf Reisen gegangen.

Für mich ist es vor einigen Jahren eine völlig neue Herausforderung gewesen, mit einem Tierfilmer in verschiedene Ecken der Welt zu reisen, in denen Tiere vom Aussterben bedroht sind. Dadurch durfte ich fantastische Protagonisten kennenlernen, die ihr Leben dem Artenschutz gewidmet haben. In meinem Alter solche Reisen zu unternehmen und für den Artenschutz zu kämpfen, ist eine wunderbare Aufgabe, über die ich mich sehr freue. Dazu kommt, dass ich noch einen weiteren Kampf angenommen habe. 

Sie meinen Ihre Parkinson-Erkrankung?

Genau, das ist mir ein wichtiges Anliegen. Gerade letzte Woche war ich bei einem großen Kongress in Potsdam und habe den Ärzten angeboten, meine Popularität dafür zu nutzen, Gelder für die Forschung zu sammeln. Wir alle haben doch durch die Corona-Pandemie erlebt, was Forschung binnen kürzester Zeit erreichen kann. Von Parkinson sagt man heute leider immer noch, es sei unheilbar. Aber mein Neurologe schließt nicht aus, dass es in näherer Zukunft Möglichkeiten geben kann, den Verlauf zumindest etwas milder zu gestalten. Alleine das ist für einen Parkinson-Erkrankten ein hohes Ziel.

Wie schwer war es für Sie, Ihre Krankheit öffentlich zu machen?

Das war für mich gar nicht schwer, denn mir war klar: Irgendeiner wird mich verpfeifen. Wenn das via Yellow Press geschehen wäre, dann hätten deren Journalisten bestimmt, wie über mich berichtet wird. Deshalb habe ich lieber selbst über mich berichtet – auch, um sicherzugehen, dass nichts Erfundenes dabei ist.

Und um anderen Menschen Mut zu machen?

Ich bekomme jeden Tag Mails von Menschen, die sich für meinen Einsatz bedanken. Das gibt mir viel. Wissen Sie, mir ist seit vielen Jahren klar, dass die große Zeit meiner Mitwirkung in der Unterhaltung vorbei ist. Dass ich für die restliche Lebenszeit zwei Themen gefunden habe, die mich beschäftigen, die mir Reisen um die Welt und eine Fortbildung ermöglichen, macht mich glücklich. Sie faszinieren mich sogar so sehr, dass ich auch heute noch jeden Tag ins Büro gehe.

Sind Sie dennoch auch weiterhin vom Fernsehen fasziniert?

Fernsehen fasziniert mich immer dann, wenn etwas läuft, das mir Spaß bereitet – und davon gibt es glücklicherweise eine Menge. Ich sehe sehr gerne "Let's Dance" oder die Shows mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, freue mich über Anke Engelke und Carolin Kebekus, aber natürlich auch über Thomas Gottschalk und Günther Jauch. Keiner hat so viele verschiedene Gesichter wie der Günther. Den können Sie alleine auf die Bühne stellen und ihm fällt immer etwas ein. 

Frank Elstner und Günther Jauch © SWR/Thomas Kost Frank Elstner und Günther Jauch bei der Aufzeichnung zur Geburtstagssendung "Frank Elstner - Noch eine Frage!", die an Karfreitag im Ersten läuft.

Die meisten von ihnen eint, dass sie heute nur noch einen Bruchteil der Zuschauerzahlen erreichen, die Sie früher kannten.  

Wenn wir in die 1950er oder 60er zurückgehen, waren die großen Stars in Deutschland noch viel mehr mit Star-Allüren behaftet als die heutigen Stars. Wenn Sie eine Hildegard Knef waren, eine Marlene Dietrich oder ein Curd Jürgens, dann haben Sie weltweit Anerkennung gefunden und sind als Star hofiert worden. Das ist glücklicherweise etwas normaler geworden. Ich kann mich gut erinnern, dass einmal einer der berühmtesten Hollywood-Stars bei mir auf der Bank bei "Wetten, dass..?" saß und so dermaßen schreckliche Käsefüße hatte, dass er bei mir sehr schnell im Normalbereich landete. 

Klingt, als hätten Sie wenig Berührungsängste.

(überlegt lange) Meine Eltern waren Schauspieler, bei uns war der Umgang mit Stars etwas völlig Normales. Unnormal werden Stars nur, wenn sie Allüren entwickeln. Und solche kommen mir nicht ins Haus.

Was wünschen Sie sich zum 80. Geburtstag?

Ich habe eine Entscheidung für die Familie getroffen: Ich werde kein Fest machen, sondern gehe mit meinen Kindern und Enkelkindern essen. Die Privatheit, die wir dadurch erreichen, werde ich dazu nutzen, sie zu interviewen, was ich noch für sie tun kann. Ich will mit diesem Geburtstag nicht aufhören, meinen Senf dazuzugeben, aber den Senf etwas gerechter verteilen. 

Ihre Fernsehfeier fand bereits vor einigen Wochen statt. Sie sind zufrieden mit der Überraschungsparty?

Ich bin gerührt, dass die ARD meiner Person einen solchen Raum bietet. Nun hoffe ich bloß, dass die Sendung vielen Menschen eine Freude macht und die Lobhudelei niemandem auf den Wecker geht.

Herrn Elstner, vielen Dank für das Gespräch.

"Frank Elstner - Noch eine Frage!" am Karfreitag um 21:45 Uhr im Ersten, "Elstners Reisen" am Ostersonntag um 16:30 Uhr im SWR Fernsehen