Frau Schrowange, Sie werden in Sat.1 gleich mehrere neue Sendungen präsentieren. Damit war nicht unbedingt zu rechnen, nachdem Sie vor wenigen Jahren Ihren Abschied vom Fernsehen hatten. Woher rührt der Sinneswandel?

Ich hatte mich damals nicht explizit vom Fernsehen verabschiedet, sondern nur mit meiner Sendung "Extra" aufgehört. Nach 25 Jahren war der Drops für mich gelutscht. Es hat mich schlicht nicht mehr so erfüllt. Rückblickend betrachtet war das Jubiläum der richtige Zeitpunkt aufzuhören. Zwei Jahre Pause zu machen, hat mir ausgesprochen gut getan.

Wieso fiel Ihre Wahl auf Sat.1?

Ich habe mehrere Angebote erhalten, aber das von Sat.1 hat mich am meisten überzeugt, weil ich das Gefühl hatte, dass man sich dort am meisten mit meiner Person auseinandergesetzt hat. Die Formate, die mir angeboten wurden, fand ich allesamt sehr spannend, insbesondere die Porträts der "starken Frauen", mit denen wir jetzt starten. Von daher freue ich mich, zurück zu sein.

Um welche Frauen wird es in Ihrer neuen Reihe gehen?

Wir porträtieren Frauen, die etwas Außergewöhnliches leisten, geleistet haben oder sich in den Dienst der guten Sache stellen. Das sind Frauen, die absolute Vorbilder sind. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Frauen vor dem Fernseher sitzen und sich motivieren und inspirieren lassen. Eine meiner Lieblingsfrauen in dem Format ist die 82-jährige Ingrid, die älteste noch aktive Pilotin Deutschlands, mit der ich auch selbst geflogen bin. Sie ist aufgewachsen in einer Zeit, in der Gleichberechtigung und Emanzipation noch Fremdwörter waren. Klar, sie hat viele Falten, aber trägt ein großes Strahlen nach außen, weil sie neugierig geblieben ist, ihr Leben so lebt, wie sie es möchte und sich um die anderen absolut keine Gedanken macht.

Welche Rolle spielen bekannte Personen in Ihrer Sendung?

Wir haben fast nur unbekannte Frauen in der Sendung. Ich finde es absolut richtig, genau diejenigen ins Rampenlicht zu stellen, denen sonst nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das sind Menschen, die ihre Arbeit unbeachtet von der Öffentlichkeit vollziehen, teilweise noch eine Krankheit zu bewältigen haben – so wie die Gründerin der Tafeln, die Multiple Sklerose hat, sich aber trotzdem jeden Tag unermüdlich dafür einsetzt, dass Menschen etwas zu essen bekommen.

Das Attribut "starke Frau" trifft auch auf Sie zu. Sie selbst haben kürzlich gesagt, es  sei früher undenkbar gewesen, dass eine 63-jährige Frau mit grauen Haaren eine Fernsehsendung moderiert. Wieso war das denn lange undenkbar?

Als ich 1982 beim Fernsehen angefangen habe, war das Fernsehen noch eine reine Männerwelt. Es gab keine Journalistinnen, Frauen waren Ansagerinnen und Assistentinnen – Beiwerk, wenn Sie so wollen. Teilweise ging es ziemlich sexistisch zu. Wenn ich nur an Hans-Joachim Kulenkampff denke, wie er seine Assistentinnen präsentierte – unfassbar. (lacht) Und wenn es Frauen doch auf den Bildschirm schafften, dann wurden sie mit über 40 Jahren vom Bildschirm genommen. Das müssen Sie sich mal vorstellen: Da saßen dicke, alte Männer, die darüber bestimmten, wer im Fernsehen auftreten darf und wer nicht. Glücklicherweise sind diese Zeiten vorbei. Heute haben wir toughe Journalistinnen wie Sandra Maischberger oder Anne Will, aber auch viele Chefinnen. Das ist eine gute Entwicklung.

Sie selbst waren viele Jahre lang Ansagerin im ZDF. Hatten Sie damals überhaupt die Hoffnung, dass einmal eine derart große Karriere möglich ist, wie Sie sie dann auch erlebt haben?

Die Hoffnung hatte ich immer und ich habe Gott sei Dank viel machen dürfen, etwa die "Aktuelle Stunde" oder Unterhaltungssendungen bei ARD und ZDF.

 

"Bei RTL habe ich nie gehört, dass ich zu alt bin – anders als zuvor beim ZDF."

 

Wann haben Sie das erste Mal gemerkt, wie viel Widerstand noch in den verkrusteten Strukturen steckt?

Das habe ich immer gespürt. Komischerweise wurde ich immer vor den Privatsendern gewarnt, aber bei RTL war das dann doch anders als bei den Öffentlich-Rechtlichen. Da gab es zwar mit Helmut Thoma und Hans Mahr auch Männer an der Spitze, aber die Türen standen immer offen und man konnte sich viel mehr einbringen. 

Dafür lief "Tutti Frutti".

(lacht) Stimmt, aber von dem anfänglichen Schmuddelimage hatte sich RTL zum Zeitpunkt meines Wechsels schon zunehmend verabschiedet. Und die Wertschätzung, die mir gegenübergebracht wurde, war letztlich eine ganz andere. Bei RTL habe ich nie gehört, dass ich zu alt bin – anders als zuvor beim ZDF.

Und nun also Sat.1, wo Sie eigentlich schon im März durchstarten wollen. Doch dann kam Corona dazwischen. Wie sehr hat es Sie gewurmt, nicht direkt loslegen zu können?

Das hat mich sehr geärgert. Mich hatte Corona leider ziemlich schlimm erwischt, sodass ich vier Wochen ausgefallen bin. Aber was ist in dieser Zeit schon vorhersehbar?

Wie soll es weitergehen mit Ihnen und dem Fernsehen?

Ich bin jetzt 64, mir geht’s gut – und das soll auch noch lange so bleiben. Man sollte immer ein bisschen was tun, denn das hält den Kopf jung. Trotzdem liegt meine Priorität darauf, Zeit für mich zu haben. Ich möchte deshalb nicht mehr eingebunden sein in ein tägliches oder wöchentliches Projekt. Bis Ende des Monats werden wir noch unsere Mallorca-Reportagen abdrehen, die im Sommer ausgestrahlt werden. Sollten diese neuen Formate gut ankommen, machen wir vielleicht weiter. Und wenn nicht, dann bleibe ich auch gelassen.

Frau Schrowange, vielen Dank für das Gespräch.

"Birgits starke Frauen", montags um 20:15 Uhr, Sat.1