Frau Kock am Brink, woran denken Sie, wenn Sie an das Fernsehen der 90er Jahre denken?

An die "100.000 Mark Show" natürlich! (lacht) Die Show bedeutet mir deshalb so viel, weil sie mein Durchbruch war. Niemand hatte mit einem solchen Erfolg gerechnet. Es war ja das erste Mal, dass es – neben Linda de Mols "Traumhochzeit" – zwei Frauen geglückt ist, eine große Abendshow zu präsentieren. Der Aufschrei in der Presse war groß, zumeist negativ. Ich musste lesen, ich sei die "Domina-Lady", bei Linda wurde das Sentimentale kritisiert. 

Wie erklären Sie sich das?

In der Rückschau hat es sicher damit zu tun, dass es für die etablierten Medienmacher, sei es im Feuilleton oder in der Medienkritik, unvorstellbar war, dass ein Privatsender, der mit "Tutti Frutti" begann, plötzlich gutes Fernsehen machte – und dann auch noch mit Frauen! 

Der ehemalige ARD-Programmdirektor Volker Herres hat vor zwei Jahren gesagt, ihm falle kein weibliches Pendant zu Kai Pflaume ein. Was macht eine Aussage wie diese mit Ihnen?

Es wirkte, als habe Planet Herres einen Kurzbesuch auf der Erde gemacht und sei danach wieder entschwunden. Es ist doch wirklich eklatant, wie viele gute Frauen in den vergangenen zehn, 15 Jahren nicht im Fernsehen zu sehen waren. Für mich ist das am Rande des Skandals angesiedelt. Gleichzeitig wurden Frauen in großen Shows immer wieder in die Nebenspur gesetzt. Schön aussehen, Größe 34, tiefer Ausschnitt. Frei nach dem Motto: "Du darfst Sätze sagen, aber bitte lass deinem männlichen Co-Moderator die Witze und den Charme." Das geht nicht.

Was ist in den letzten Jahren aus Ihrer Sicht geschehen?

Ich weiß nicht, was passiert ist; ob sich die männlichen Reihen seither noch einmal geschlossen haben oder ob eine gewisse Frauenfeindlichkeit auch von den weiblichen Führungspersonen ausgegangen ist. Denn das gibt es ja durchaus auch: Wenn eine Frau Macht darüber hast, wer eine Sendung moderiert, dann könnte sie eher den Mann nehmen, damit niemand auf den Gedanken kommt, sie bevorzuge eine Frau. So perfide läuft das ja manchmal.

Aber jetzt kommt die "100.000 Mark Show" zurück – mit Ihnen. Hand aufs Herz: Wie lange mussten Sie überlegen?

(überlegt) Halbe Stunde? Viel länger war es nicht. 

Unter welchen Voraussetzungen haben Sie zugesagt?

Ich habe ein Gespräch mit Malte Kruber von RTL und Sven Steffensmeier von Endemol Shine geführt, um zu wissen, ob sie mich so nehmen, wie ich bin, denn ich werde mich nicht durchoperieren lassen, nur um noch einmal eine Fernsehshow moderieren zu können. Das war mir wichtig. Wenn ich so etwas mache, dann tue ich es für mich und nicht für die Quote – und auch nicht für Männer, die meinen, ich muss wie 40 aussehen. Muss ich nämlich nicht, weil ich keine 40 mehr bin. Ich stehe schon zu einem ordentlichen Teil für Authentizität. Die Leute dürfen mich deshalb so wahrnehmen wie ich jetzt aussehe. Von mir aus auch abgleichen und sagen: "Oh, ist die aber alt geworden!" Da sage ich dann nur: Ja, stimmt!

In der Show wird dieser Aspekt aber keine Rolle spielen, oder?

Das wird kein Thema der Sendung sein, aber es ist ein Thema der Gesellschaft. Es gibt auf sehr vielen Ebenen Diskriminierung – und die Altersdiskriminierung gehört dazu. Ich will jetzt keine Lobbygruppe gründen oder Trude Unruh bewerben, aber es sollte in einer Demokratie-Kultur doch möglich sein, sämtlichen Erscheinungsformen eine Bühne zu geben - sei es Sexualität, Alter, Körperform oder Herkunft betreffend. Mein Appell: Schaut euch einfach in die Augen und nehmt euch als Menschen wahr. 

Lassen Sie uns wieder auf die "100.000 Mark Show" zu sprechen kommen. Es hat vor 14 Jahren schon einmal den Versuch einer Neuauflage gegeben, an der Sie selbst jedoch nicht beteiligt waren. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Ich habe mir das zehn Minuten angesehen und als dann die arme Inka Bause auf einem Plastik-Bobbycar 50 Meter zurücklegte, habe ich ausgeschaltet. Da wusste ich, dass da irgendetwas schiefgelaufen war.

Wie optimistisch sind Sie, dass es gelingt, den Kern der Show diesmal besser freizulegen?

Der Kern dieses Formats besteht aus Dramaturgie, Timing und Tempo. Dazu kommt das Miteinander der Kandidatinnen und Kandidaten, obwohl sie Konkurrenten sind. Gönnen zu können, trotzdem und traurig sein zu dürfen. Und da ist eine Moderatorin, die Schiedsrichterin und Freundin zugleich ist. Ich glaube, das habe ich in der Vergangenheit ganz gut gemacht; habe die Kandidaten gut durchgeführt, habe sie geleitet – manchmal auch körperlich, weil sie gar nicht wussten, wo es hingeht. Da entstehen Emotionen, die alle an der Grenze entlang laufen und so ein hohes Level erreicht haben, dass man vor dem Fernseher oft mit offenem Mund saß.

 

"Wenn man ein paar Diamanten in den etwas flacher geworfenen See wirft, wirft er trotzdem noch Kreise."

 

Heute streckt das Fernsehen leider viele Shows in die Länge. 

Eines der Alleinstellungsmerkmale der "100.000 Mark Show" war Pace. Es ist John de Mol und dem Team gelungen, mit wahnsinnig vielen Kameraeinstellungen so viel Verdichtung auf die Paare und die zu lösenden Aufgaben zu lenken, dass der Eindruck der absoluten Konzentration auch für das Publikum entstanden ist. Ich habe selten eine Show gesehen, die so bildstark und auch musikalisch stark untermalt worden ist. Das wurde zu einem Gesamtbild des Besonderen. Wenn es uns gelingt, das wieder herbeizuzaubern, dann wäre ich sehr glücklich.

Wie wichtig ist es, dass es um Mark geht und nicht um Euro?

Das ist völlig wurscht. Machen wir uns nichts vor: Die "100.000 Mark Show" ist einfach eine Marke. Für RTL gilt: Wenn schon Retro, dann richtig. Und Geld spart der Sender dadurch natürlich auch. (lacht)

Ist die Show auch möglicherweise spannend, weil da ganz normale Menschen spielen?

Absolut. Das sind echte Menschen, die nicht durch tausend Realityformate gejagt worden sind und diese klassisch rasierte Friese haben. Das sind hart arbeitende, ehrliche Menschen, die sich teilweise schon in den 90ern beworben haben und es heute nochmal versuchen wollen. Da kommen warme Gefühle hoch und so etwas wie Wärme und ein Abtauchen in eine heile Welt können wir gerade alle ganz gut gebrauchen.

Haben Sie die Sorge, dass die Show rückblickend entzaubert werden können?

Diese Sorge teile ich überhaupt nicht, kein Stück, weil ich weiß, dass ich das Schiff lenke und eine Grundemotion für dieses Format mitbringe, die sehr wichtig ist.

Sie sagten gerade, Sie machen es nicht der Quote wegen...

… nicht ich! (lacht)

RTL hat da natürlich ein berechtigtes Interesse. 

Ich schaue mir die ganze Quotenentwicklung an und bin teilweise erstaunt, wie wenige Menschen noch lineares Fernsehen schauen. Natürlich ist das kein Wunder bei den ganzen Angeboten. Ich glaube aber: Wenn man ein paar Diamanten in den etwas flacher geworfenen See wirft, wirft er trotzdem noch Kreise. Ich werde jedenfalls alles dafür tun, dass es den Leuten gefällt, und weiß, dass die ganze Produktion ist Feuer und Flamme ist. 

Und was kommt danach?

Das weiß ich doch nicht. (lacht) Aber das habe ich noch nie gewusst. Wenn die Quoten gut sind, mache ich nächstes Jahr vielleicht nochmal drei oder vier Ausgaben. Und wenn nicht: So what! 

Frau Kock am Brink, vielen Dank für das Gespräch.

"Die 100.000 Mark Show", Sonntag um 20:15 Uhr, RTL