Herr Hermanns, ich habe mir für dieses Gespräch fest vorgenommen, sämtliche Ü30-Gags außen vor zu lassen. Außer Sie haben jetzt einen guten parat.

Wenn sich das auf die alte Atze-Nummer bezieht, die könnte ich auch nicht mehr runterbeten. Aber wenn man sich mal überlegt, was Ü30 wirklich heißt: In Fernsehjahren ist das eigentlich schon Ü50. In jedem Fall eine große Zahl, zumal wir nur zwischen 2015 und 2017 sowie am Anfang zwischen Premiere und ProSieben also zwischen 1994 und 1996 nicht auf Sendung waren. Das ist eine Bilanz, die mich beeindruckt.

 

Wie sehr hat sich Humor in diesen 30 Jahren gewandelt?

Es gibt immer verschiedene Trends. Mal surrealer, mal klassischer. Es gibt immer Wellen: Comedians mit Migrationshintergrund, aktuell sind Frauen wieder stärker vorn. So entwickelt sich die Comedy immer weiter. Was sich geändert hat: Während unsere Sendung und Stand Up damals ein Nadelöhr war, gibt es heute Comedy in jeglicher Form und in allen Geschmäckern. Es ist enorm, wie sehr sich alles verbreitet hat. Eigentlich kann man auch Stand-Up-Comedy gar nicht mehr unter einen Schirm schieben. Auch wir hatten verkleidete Leute, Variety-Momente, Musik-Comedy.Auch die Themen haben sich geändert und einige sind geblieben. Ich selbst bin ja bekannt dafür, dass ich das Männer-Frauen-Thema einst schwer unterschätzt habe. Da habe ich gesagt, dass sich das nicht lange tragen wird.

So kann man sich irren…

Ja, offenbar haben sich Männer und Frauen da doch noch sehr viel zu erklären. Deshalb kann man so manche Entwicklung auch wirklich nicht erahnen.

Ist es schwieriger geworden, Comedian zu sein? Der nächste Shitstorm wartet schließlich immer hinter der nächsten Ecke.

Die Frage, wann der Comedy-Boom wieder vorbei ist, habe ich schon 1993 gestellt bekommen. Seit etwa einem Jahr werde ich oft gefragt, wo denn nun bitte die Grenzen des guten Humors sind. Meine Antwort ist dann immer: Wer fragt und warum? Das interessiert mich. Wer will Gags bewerten? Wer will Gags verbieten? Im Moment wird so getan, als hätten wir in den ersten 15 Jahren vollkommen unter Niveau Gags gemacht – was schlicht nicht stimmt. Entsprechend bin ich auch mit Blick auf Empörungsstürme sehr gelassen.

 

Momentan ist da schon eine Stimmung von Moralin in der Luft – Humor müsse also moralisch wertvoll und korrekt sein. Und das ist eben gerade nicht der Fall. Thomas Hermanns

 

Woher kommt die Empörung aber?

Es gibt doch nichts einfacheres, als ein gesprochenes Stand-Up abzutippen und abzudrucken, eine Nummer herauszunehmen und sich zu empören: Wie kann man denn so etwas sagen? Das ärgert mich. Es gehört immer Kontext dazu. Es gehört Ironie dazu, die in der Druckfassung verloren geht. Momentan ist da schon eine Stimmung von Moralin in der Luft – Humor müsse also moralisch wertvoll und korrekt sein. Und das ist eben gerade nicht der Fall. Humor darf immer über alles arbeiten, muss anarchistisch bleiben. Humor muss wild sein und über Grenzen hinaus gehen. Ein moralisch reiner Humor klingt für mich nicht nach freier Gesellschaft.

Lachen die Leute heute weniger über sich selbst?

Nicht in unserem Club. Der normale Humorkonsument lacht total über sich selbst. Bei uns lacht auch der woke Veganer über sich, sofern er denn zu uns kommt. Grundsätzlich finde ich aber, dass moralisches Rechthaben und Comedy zunächst einmal eben nicht zusammen geht. Das sind zwei verschiedene Enden. Moralisches Rechthaben nimmt dem Humor die satirische Kraft. So etwas hat für mich immer den Anschein, dass sich irgendwo ein Gremium einfindet und entscheidet, welcher Gag denn nun noch in Ordnung ist und welcher nicht. Und genau die Existenz einer solchen Jury möchte ich dann schon extremst hinterfragen.

Wobei ein gewisses Hinterfragen von Humor doch keinesfalls schadet.

Das kann man wohl diskutieren, etwa wenn es um sexistischen Humor geht. Das eignet sich prima für Fachgespräche, etwa auf Comedy-Kongressen. Es muss dann aber zwischen Fachleuten passieren – und nicht auf dem Level, dass jemand einen Gag aus einer Nummer raus nimmt und sich empört. Ich gehe für Einordnungen gerne in die Tiefe der Humorarbeit. Als schwuler Mann interessiert mich sehr, was homophober Humor ist. Wann kam er bei uns vor? Ich würde sagen: nie. Das müssen aber Fachleute besprechen und nicht jemand in einem aufgeregten Tweet.

Zwei Primetimeshows des "Quatsch Comedy Club" zeigt nun ProSieben. Ist ProSieben auch die generelle Zukunft des Formats?

Schauen wir mal. Die Sendungen sind sehr schön geworden. Natürlich ist das alles ein bisschen Retro-Fernsehen. Für ProSieben sind wir Retro, weil wir dort wieder ankommen. Weil wir aber ja die letzten fünf Jahre  bei Sky waren, fühlt sich das für uns eigentlich gar nicht retro an, weil wir ja immer „da“ waren. Jetzt bei ProSieben fühlt es sich natürlich auch wegen des immer noch gleichen und guten Slogans 'We Love to Entertain You' sehr heimelig und gemütlich an.

Jetzt sind Sie zudem auch der neue Peter Bond in der RTLzwei-Neuauflage des "Glücksrads".

Absolut. Ich will aber eigentlich sagen, dass ich die neue Maren Gilzer bin. Ich habe die Sendung nur angenommen, weil mir versprochen wurde, dass ich auch an die Wand darf. Die Wand und das Moderieren teile ich mir mit Sonya Kraus auf. Ich möchte darauf hinweisen, dass auch das Erobern und Queeren dieser Bastion der Buchstabenfee für mich ein großer Spaß war.



Nun ist das "Glücksrad" per se ja eine Sendung, in der der Moderator nicht so sehr im Vordergrund steht. Wie haben Sie diese Aufgabe angenommen?

Richtig. Für mich war es auch die erste richtige Gameshow, an die ich mich erinnern kann. Mir fiel auf, dass Gameshows für den Moderator sehr angenehme Räume bieten, in denen man sich gern aufhält. Das geht schon bei der Farbwelt los. Und das Spiel ist super, deshalb tritt man auch total hinter dieses zurück. Diese warme, freundliche Welt, das ist eine Farbe, die auch die Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause gerade ganz gut brauchen können. Diese Gameshows sind pastellfarbene Inseln in einer sonst kontrastreichen und manchmal harten Welt.

Herr Hermanns, vielen Dank für das Gespräch.

"30 Jahre Quatsch Comedy Club – Legends of Quatsch" am 22. Dezember und "30 Jahre Quatsch Comedy Club – Bye, Bye Thomas" am 29. Dezember, jeweils 20:15 Uhr, ProSieben