Für den Fall, dass Sie mal einen richtig guten Ermittler beauftragen müssen: Welchen Fernsehkommissar würden Sie nehmen?

Bartel: Das ist schwierig. Ich würde vermutlich alle auf einmal nehmen. Sie sollen gerne ihre Kräfte bündeln.

Machen wir doch mal eine Reise in die Vergangenheit. "Doppelter Einsatz", "Im Namen des Gesetzes", "Der Clown", "SK Babies", "Die Motorrad-Cops" oder in Sat.1 "Wolffs Revier" oder "Kommissar Rex". Welcher dieser Namen fiel zuletzt eigentlich bei Sitzungen der RTL-Fiction-Abteilungen in Zeiten des Retro-Booms?

Krimis und große IPs spielen bei uns beides eine große Rolle. Insofern liegt es nahe, dass man sich das ein oder andere erfolgreiche Format aus der Vergangenheit anschaut. Insgesamt brauchen wir eine Mischung. Starke Marken, die man nicht erklären muss, weil sie eine eingebaute Neugier haben. Und dann klare, neue und originäre Stoffe, mit denen man neue Felder bestellt.



Krimis boomen – schon eine ganze Zeit lang. Und dennoch waren sie bei Privatsendern in den vergangenen Jahren rarer gesät. Wieso?

Auch RTL hat eine Zeit lang in anderen Tonalitäten Akzente gesetzt, das ist richtig. Da man "Cobra 11" aber durchaus als Krimi betrachten kann, gab es die Farbe bei uns zumindest immer. Da ist es uns gelungen, das Format zu einem 90-Minuten-Procedural umzubauen. Wir kommen damit dem Bedürfnis des Publikums entgegen, über eine Stunde hinaus eine Verabredung für einen ganzen Abend anzubieten.

Sie wollen die Krimireihen am "tödlichen Dienst-Tag" ausbauen. Von welchem Volumen sprechen wir da für 2024?

Was ich sagen kann: Wir werden deutlich mehr Abende damit bespielen als in diesem Jahr. Drei erfolgreiche Titel haben wir verlängert. Und wir schicken drei neue Titel mit je zwei Filmen los.

 

Zur "Cobra" gehören immer auch Action und Stunts und der Mut zu einem Gegenspieler, der mehr "over the top" ist als zum Beispiel beim "Tatort". Hauke Bartel


Dann gehen wir ins Detail. Von "Cobra 11" gibt es gleich sechs Folgen. Als Filmreihe waren die Geschichten zuletzt wieder deutlicher "larger than life".

Wir wollten ein Stück weit zu den Wurzeln zurück. Zur "Cobra" gehören immer auch Action und Stunts und der Mut zu einem Gegenspieler, der mehr "over the top" ist als zum Beispiel beim "Tatort". Wir haben auch die Leichtigkeit, die die "Cobra" ausgemacht hat, zurückgeholt. Trotzdem haben wir den Regler nicht zu weit in Richtung Spektakelfernsehen gedreht. Die "Cobra" ist weiterhin ein ernsthafter Krimi.

Eine Verbindung mit der "Cobra" hat auch "Balko", die Serien liefen lange Zeit an einem Abend. Von "Balko: Teneriffa" gibt es noch einen Film, aber es ist ruhig geworden um das Projekt.

Die erste "Balko"-Folge lief noch auf einem anderen Sendeplatz (donnerstags, Anm. d. Red.) – gegen einen öffentlich-rechtlichen Krimi. Den zweiten "Balko", der sehr schön geworden ist, werden wir zeigen. Wir suchen den besten Platz dafür. Und sehen dann weiter.

Einen anderen Sendeplatz hat dann auch "Einsatz in den Alpen" bekommen, als der Film nochmals als Re-Run lief.

Wir haben uns das sehr genau angeschaut. Wir haben aber Stoffe, von denen wir uns künftig noch mehr versprechen.

 

Für den Zuschauer ist es entscheidend, wo er seinen Feierabend verbringt. Es ist wie ein kleiner Urlaub, der beispielhaft an die Nordseeküste oder in die Uckermark führt. Hauke Bartel über die Verortung von Krimis. 


Wie sehr hat Sie eigentlich der "Dünentod"-Erfolg, gerade mit Blick auf die Gesamtreichweite, überrascht?

Unsere Hauptdarsteller Pia-Micaela Barucki und Hendrik Duryn machen das spitze. Und auch der Ort, an dem der Krimi spielt, hat Leute angezogen. Nicht umsonst haben wir eine den Krimi verortende Subline eingesetzt. Für den Zuschauer ist es entscheidend, wo er seinen Feierabend verbringt. Es ist wie ein kleiner Urlaub, der beispielhaft an die Nordseeküste oder in die Uckermark führt. Das kann den Unterschied ausmachen. Dass die Krimis aus dem Stand aber so gut funktioniert haben, damit haben wir nicht gerechnet. Entsprechend sind wir sehr glücklich und werden die Reihe nun mit drei Filmen fortsetzen.

Wie schwierig ist es, das vom ZDF werbefreie Krimireihen gewohnte Publikum plötzlich über den Werbeblock zu halten?

Schon im Vorfeld, bei der Drehbuchentwicklung, denken wir an Plätze für die Werbepause. Letztlich hat das immer etwas mit Spannung zu tun. Ich glaube aber, dass man mit ganz billigen dramaturgischen Tricks nicht weit käme. Das Gesamtpaket muss stimmen.

Sie setzen auch "Miss Merkel" fort. Das ist ja auch eine Buchreihe, weshalb es eine natürliche Begrenzung des Stoffes gibt?

Wir verfilmen in diesem Jahr seinen zweiten Roman, der dritte kommt im Herbst raus. Wir freuen uns also auf weitere schöne Vorlagen von David Safier. Generell: Mit Blick auf die produktionellen Bedingungen sind drei Filme pro Jahr oft das Maximum. Wenn wir bei einigen Reihen dann nur auf zwei kommen, ist das auch gut.

Eine "Sonderlage" nimmt "Sonderlage" ein. Das geht nicht weiter. Wieso?

Da sind wir Opfer des eigenen Erfolgs. Wir haben gemerkt, dass mit einer anderen Farbigkeit noch mehr drin ist. Ich möchte das herleiten: Die Filme, die in diesem Jahr auf dem Slot gelaufen sind, kommen aus einer bewussten Abgrenzungslogik zustande. Das heißt: "Sonderlage" sollte sich anders anfühlen als der klassische 90er-Krimi. Wir haben dann aber gemerkt, dass die eher klassischeren Ermittlungs-Procedurals, die die eine ernstzunehmende Spannung mit abgeschlossenem Fall plus charismatischen Ermittelnden haben, auch bei uns das größte Potential aktivieren. "Sonderlage" war noch "konzeptiger". Aber es waren tolle Filme, weshalb wir mit den Produzenten auch weiter im Gespräch sind.

Ist das schade, wenn es immer die gleichen Zutaten sind, die Erfolg bringen?

Dass der Krimi in Deutschland erfolgreich ist, im TV oder auch auf dem Buchmarkt, gehört fast schon zu den Binsenweisheiten. Würden wir jetzt als RTL Deutschland nur noch auf Krimis setzen, könnte das zu Langeweile führen. Aber wir haben ja, beispielsweise mit RTL+, eine große Spielwiese. Wem also die Leichen zu den Ohren herauskommen, wird dort sicher fündig.

Nun zu den drei neuen Reihen, von denen keine einzige an der Küste spielen wird: Was planen Sie?

Eine neue Reihe wird in Bayern, genauer gesagt in Bamberg, produziert: Antoine Monot Jr. spielt die Hauptrolle in "Behringer und die Toten". Er spielt dort einen Ermittler, dessen größte Waffe es ist, dass sein Gegenüber ihn unterschätzt, denn hinter seiner gemütlichen Erscheinung steckt ein messerscharfer Verstand. Produziert werden die beiden Filme von Red Seven, Showrunnerin und Autorin ist Berit Walch, mit der wir bei "Friedmanns Vier" tolle Erfahrungen gemacht haben.

Die weiteren Reihen rücken näher nach Köln…

Die beiden weiteren sind im Ruhrgebiet verortet. In einer bisher titellosen Reihe mit Caroline Peters und Serkan Kaya geht es um eine Kneipenwirtin, die über ein Quereinsteigerprogramm zur Polizei kommt, und sich ziemlich schnell in echte Mordermittlungen einmischt – sehr zum Leidwesen ihres Vorgesetzten. Die Reihe ist eine Hommage an alle, die auf dem Sofa sitzen und sich fragen, ob an ihnen nicht auch eine brillante Ermittlerin verloren gegangen ist. Hier produziert übrigens Zeitsprung mit all ihrer Erfahrung.

Und es gibt noch eine weitere Krimireihe…

"Mord im Revier" spielt eher ländlicher im Ruhrgebiet. Auch da mit zwei Hauptfiguren. Die eine ist eine Berlinerin, die sehr selbstbewusst daherkommt und feststellt, dass das Ruhrgebiet in vielen Themen anders tickt. Ihr Partner hat eine Vorliebe für Italopop und Espresso und wird von allen nur Gianni genannt, womit er einigen Schlag bei Frauen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Er ist eigentlich Deutscher bzw. Sohn türkischer Eltern, je nachdem wer fragt. Das ist eine Reihe von Tommy Wosch, die UFA produziert. Die Figurenaufstellung verspricht: Es geht nicht nur bierernst zu – das geht aber nie zu Lasten der Ernsthaftigkeit des Falls.

Wie character driven werden die Stoffe?

Leute schalten Krimis ein, weil sie mit den Figuren warm werden und mit diesen Figuren gern Zeit verbringen. Über die spannenden Fälle bleiben sie dran. Hat man nur das eine oder das andere wird man nicht erfolgreich sein, man braucht eine gute Balance.

Wenn wir mal kurz weg gehen von kommenden Projekten. Wieso ging "Der Schiffsarzt" trotz sehr ordentlicher Gesamtreichweite und starkem Abschneiden bei RTL+, wie Ihr Unternehmen sagt, nicht weiter?

Wir haben mit dem "tödlichen Dienst-Tag" ein Label geschaffen, das ein klares Bedürfnis erfüllt. Wir schaffen somit leichter Verabredungen als mit einer Serie, die auf einem Schiff spielt und ein Mix aus Medical und Crime ist. Entsprechend geht die volle Kraft auf den "tödlichen Dienst-Tag".

 

Zumindest linear hat das keine strategische Priorität. Hauke Bartel über Comedyserien bei RTL


Entsprechend spielen Comedy-Serien zur Zeit auch keine Rolle in Ihren Überlegungen?

Zumindest linear hat das keine strategische Priorität.

Sind Sie mit ein paar Jahren Abstand eigentlich traurig, dass man es nicht geschafft hat, den "Lehrer" nach dem Hauptdarstellerwechsel zu retten?

Natürlich ist das mit Blick auf den Erfolg, den "Der Lehrer" lange bei RTL hatte, schade. So ein Abschied fällt immer schwer. Und wie bei einigen der von Ihnen eingangs aufgezählten Marken denkt man hin und wieder über Möglichkeiten nach, mit der starken IP nochmal etwas anzufangen.

Mit Blick auf RTL+ - was planen Sie mit "Wrong"?

Wir sind da mit den David Helmut und den anderen Kreativen im Gespräch und machen uns Gedanken. "Wrong" wird aber nicht weitergehen.



Wie fällt eigentlich im Generellen Ihr Urteil aus, wenn Sie auf die Fiction-Bemühungen von RTL in den zurückliegenden Jahren blicken?

Wir sind aktuell in einer ganz spannenden Phase unserer Fiction-Offensive. Im Linearen haben wir mit den Krimis voll den Nerv getroffen und zünden für 2024 die zweite Stufe. Und im Streaming haben wir jetzt die Stoffe in der Pipeline, in die die Learnings aus den ersten Jahren eingeflossen sind. Wenn wir jetzt nach vorne schauen, dann findet man große IPs. Beim Seriencamp haben alle von IPs geredet, bei uns sind sie zu finden. Wir haben in den nächsten Monaten den "Pumuckl", den "Club Las Piranjas", den FC Bayern mit „Gute Freunde“, "Wacken", den Kaufhauserpresser Dagobert. "Hagen" haben wir gedreht, das taucht am Horizont schon auf. Da warten große Projekte, die schon allein über ihre Markenstärke eine Grundneugier auslösen werden.

Und abseits der IPs haben wir tolle Originals mit sehr klarer Genre-Verortung: Aktuell startet "Meme Girls" auf RTL+, eine bunte und bitterböse Young Adult Comedy über eine Influencerin auf Handyentzug. Und wir werden im Herbst mit "Die Quelle des Bösen" mit Fahri Yardim und Henriette Confurius auf die Jagd nach einem Serienkiller gehen, dessen Opfer mit germanischen Runen übersäht sind.

Abschlussfrage: Waren Sie zuletzt beim Frisör?

Das ist drei-vier Wochen her.

Die Frage zielt darauf ab, dass Sie sich beim Ansehen von "Legend of Wacken" (eine kommende RTL+-Serie von Florida Film) ja überlegt haben, Ihre Haare nun lang wachsen zu lassen.

Das stimmt. Headbangen geht aber auch mit kurzen Haaren.

Danke für das Gespräch.