Herr Heyden, Sie waren vor mehr als 15 Jahren bei Clipfish, Sevenload und später Maxdome Pionier. Bei Dyn stellt sich jetzt die Frage: Kommt das Angebot in einem schon sehr vollen Markt nicht zu spät?

Der Gedanke etwas auszuprobieren, was es noch nicht gibt, war für mich immer entscheidender Antrieb. Was bei Dyn jetzt aber anders ist: Es gibt bereits eine Nachfrage. Unsere Sportarten haben Millionen Fans und wir damit ein Angebot, das auf eine bestehende Nachfrage trifft. Es entfällt heute, anders als bei den genannten Angeboten, die Notwendigkeit des Erklärens, weil es nicht um technisch neuartige Angebote für zum Teil neuartigen Content geht. Nein, wir kommen genau zur richtigen Zeit. 

Wie definieren Sie das?

Wir bedanken uns ganz herzlich bei der Vorarbeit, die alle anderen OTT-Plattformen geleistet haben. Sie machen unser Angebot weit weniger erklärungsbedürftig. Wir müssen nicht erklären, was wir machen. Die zwei wichtigsten Fragen, die uns erreichen sind Bezahlmethoden und Empfangbarkeit, aber keine Verständnisfragen zum Angebot selbst. Das ist ein Teil des Late Mover Advantage und ich gebe zu bedenken: Viel früher wäre ein Angebot wie Dyn technisch nicht machbar gewesen, weil es eine Frage der effizienten technischen Realisierbarkeit ist. Wir können Dinge in der Produktion anders machen, müssen also nicht dutzende Übertragungswagen durchs Land schicken. Das ist eine enorme Kostenersparnis, die wir an unsere Kunden weitergeben können.

Und die mögliche Kundenbasis ist Ihrer Ansicht groß genug für einen Streamingdienst, der den Fußball links liegen lässt?

23 Millionen Menschen interessieren sich für Fußball, je nachdem welchen Zahlen man vertraut, ist das ein Potential von 3-5 Millionen Abonnenten. Für unsere Sportarten, Hockey mal noch gar nicht mitgerechnet, sind es 17 Millionen Menschen. Wir sind sozusagen das Angebot für die andere Hälfte der Sportfans in Deutschland. Die haben ihr Informationsbedürfnis bisher nur hier und da auf multiplen Wegen und selten vollständig angeboten bekommen. Das ist die Magie dessen, was Christian (Seifert, Anm. d. Red.) erkannt hat: Dass alle Übertragungsrechte zur gleichen Zeit auf den Markt kamen und damit ein Home of Handball oder Home of Basketball möglich wird. Nehmen wir Handball: Wir haben die LIQUI MOLY HBL, 2. HBL, den DHB-Pokal, die HBF, EHF Champions League und EHF Euro League. Alles in einem Abonnement. Beim Basketball ist es die easyCredit BBL, der BBL-Pokal und die Basketball Champions League. Im Volleyball und Hockey sind es die Bundesligen der Frauen & Männer und die Pokalwettbewerbe. Und beim Tischtennis schaffen wir mit der TTBL und mit der Übertragung der Tischtennis-EM im September in Malmö ein neues Zuhause für deutsche Tischtennis-Fans. 

In der öffentlichen Wahrnehmung und Sportberichterstattung über alle Medien hinweg, reihen sich Ihre Sportarten deutlich hinter dem Fußball ein oder finden fast gar nicht statt. Wie soll Dyn etwas an der Sichtbarkeit ändern?

Wir verstehen Sportberichterstattung anders als nur über Spiele zu berichten. Es geht nicht darum ständig Topmatch-Promotiontrailer zu zeigen, um die nächsten Spiele zu pushen. Wir strecken unsere Berichterstattung über die Woche, sorgen mit Formaten in sozialen Medien für eine Stetigkeit in der Präsenz. Da haben wir von Twitch gelernt und werden hier relativ viel Geld investieren, um Teil der Popkultur dieser Sportarten zu werden. Um Talk of Town zu sein für die Communities unserer Sportarten und nicht nur Anbieter der Übertragungen zu sein. Dazu haben wir das Dyn Media Network, wo wir Partnern wie der Südwest Medien Holding oder der Funke Mediengruppe die Möglichkeit geben, am Folgetag Zugriff auf hochwertige Bewegtbildinhalte zu haben und wir damit die Berichterstattung über unsere Sportarten in einer Vielzahl von Medien breiter ermöglichen . Und der dritte Punkt ist natürlich Axel Springer als unser Hauptgesellschafter, der mit der Marke „Bild“ und „Welt“ über eine enorme Reichweite verfügt.

Premiere wollte einst die DEL groß machen, RTL machte es mit der Formel 1, Sport1 mit Darts: Immer wieder haben Medienpartner einzelne Sportarten groß gemacht. Ist das die Ambition von Dyn?

Wenn wir den Handball nehmen, dann hat der Sport bereits eine sehr große Fanbase die für uns Adressable Audience ist. Ich möchte sagen: Es braucht uns nicht um diese wunderbaren Sportarten groß zu machen, aber wir machen den bestehenden Fans erstmals ein Angebot, das nicht im Schatten vom Fußball steht. Ich mache da anderen Angeboten gar keinen Vorwurf: Wenn ich hunderte Millionen Euro für Fußball-Rechte ausgebe, ist klar, dass ich diese Fußball-Rechte in den Fokus stelle und alles andere hintenanstehen muss. Und oft endet es mit der Übertragung von Spielen. Wir wollen aber von Einzelspielberichterstattung zu einer Erlebbarkeit der Sportarten kommen. Wir müssen das sogar, wenn wir uns zu Recht Home of Handball oder Home of Basketball nennen wollen.

Vieles bei Dyn hört sich so an, als wären Sie regelrecht auf einer Mission…

Ja. Es geht uns um die Sportarten an sich, nicht nur um die Ligen. Wir geben als klares Bekenntnis zur Förderung der Sportarten ja auch zehn Prozent des Umsatzes an der Nachwuchsförderung der jeweiligen Ligen weiter und ich glaube daran, dass sich perspektivisch viel in diesen Sportarten und den Sporthallen entwickeln wird, Wir können gemeinsam wachsen und ja, das wird dann im Idealfall auch bedeuten, dass wir die Übertragungsrechte in fünf Jahren nicht mehr zu dem gleichen Preis von heute bekommen werden. Aber es würde auch bedeuten: Die parnerschaftliche Zusammenarbeit hat allen geholfen und wir sind gemeinsam gewachsen. Das ist eine Perspektive, die mir gefällt.

Lassen sich die Sportarten von Dyn gleichermaßen angehen oder braucht es unterschiedliche Strategien?

Jede Sportart ist natürlich anders. Die Handball-Zielgruppe ist beispielsweise eher älter, das merken wir auch an den Fragen die unseren Kundenservice erreichen. Da geht es vorrangig um die Empfangbarkeit. Durch die Distributionsvereinbarungen mit Sky und Telekom haben wir die Empfangbarkeit auf diesen Geräten schon sichergestellt. Basketball hat eine eher jüngere Zielgruppe, da waren es im Vorfeld andere Fragen, eher dazu welche Experten wir holen werden. Volleyball und Tischtennis sind Sportarten die bislang viel auf Twitch übertragen worden sind. Das sind sehr junge, interaktive Fans. Wir werden es sicher nicht allen gleichermaßen recht machen können, aber wollen lernen und einen gemeinsamen Nenner finden - irgendwo zwischen der Seniorität und Professionalität des Handballs und der jungen Dynamik von Sportarten wie Volleyball, um eine neue Generation der Sportberichterstattung zu entwickeln.

Nun haben aber Sky Deutschland und DAZN jeweils ihre eigenen Herausforderungen aktuell. Da kann man sich fragen: Welche Formel wollen Sie denn gefunden haben, damit Dyn irgendwann einmal Geld verdient?

Wenn wir bei der Wirtschaftlichkeit vom Input zum Output denken, dann haben wir proportional zur Menge des eingekauften Programms deutlich geringe Lizenzkosten als Wettbewerber, die Fußball einkaufen. Und als Late Mover müssen wir keine Anlaufkosten refinanzieren wie andere Anbieter, die u.a. Decoder vertreiben oder Satellitenbetreiber bezahlen müssen.

Und auf der Einnahmen-Seite nehmen Sie die Fans der Sportarten in die Pflicht?

Wir machen ihnen das beste mediale Angebot, das diese Sportarten je gesehen haben. Natürlich ist das - verbunden mit unserem Bekenntnis, etwas zurück zu geben - ein entscheidender Moment für diese Sportarten zu beweisen, wie engagiert die Fans ihren Sport unterstützen.

Anders als manch anderer Anbieter gibt es bislang keine Bundle-Angebote mit anderen Anbietern. Warum?

Weil wir zunächst einmal das Potential der Fangemeinden unserer Sportarten ausschöpfen wollen. Ich will nicht ausschließen, dass wir in Zukunft auch mal Bundle-Angebote eingehen werden, aber es gibt für uns zum Start keine Notwendigkeit mit rabattierten Konditionen die Zahlen hoch zu treiben.

Bis jetzt fehlt Dyn auf Fire TV und Apple TV. Meine Annahme wäre gewesen, dass es doch oberste Priorität hat, rechtzeitig zum Start auf allen Plattformen verfügbar zu sein…

Und Fire TV ist auch unsere absolute Priorität in der weiteren Entwicklung. Das basiert glücklicherweise auf Android, wo wir schon zertifiziert sind, und rollen jetzt ein Gerät nach dem anderen aus. Wir hoffen bald auch auf Fire TV verfügbar zu sein. Apple TV ist als native App  in der Priorität geringer, weil wir erstens AirPlay jetzt schon anbieten und zweitens die installierte Basis in Deutschland - im Vergleich zu anderen Geräten - recht gering ist.

Christian Seifert bezeichnete die Herausforderung von Dyn als Mittelstreckenlauf. Was bedeutet das? Wann soll Dyn Geld verdienen?

Wir haben die meisten Übertragungsrechte für sechs Jahre erworben und werden nach den ersten Saisons - sicher aber nicht erst nach sechs Jahren - bilanzieren wie sich die Partnerschaften mit den Sportarten und ihren Communities entwickelt haben. Did we push the needle? Oder konnte wir keinen Unterschied machen?

Hockey zeigen Sie zunächst bei YouTube, bei Bild TV werden jeden Sonntag ein Handball- und ein Basketballspiel frei empfangbar sein, Dyn Media Network verwertet Content kostenfrei: Wie viel Promotionfläche kann man geben, ohne dem Abo-Geschäft zu schaden?

Wir haben ja auch Sponsoren mit drauf, die Sportarten und Vereine ebenso. Denen können wir mit dieser vielfältigen Strategie mehr Reichweite liefern. Wir nutzen die Flexibilität unseres Total Buy Out der Übertragungsrechte und werden auch sicher in Zukunft noch experimentieren. Uns geht es um Sichtbarkeit der Sportarten, die übersetzt sich in mehr als nur Dyn-Abonnements. 

Bleiben wir beim Thema Werbung: Wie läuft die Vermarktung, mit welchen Werbepartnern starten Sie?

Tipico, easyCredit, DVAG, DKB, Kempa, HAIX, DVAG sind unsere ersten Werbepartner zum Start.

Was beschäftigt den Dyn-Geschäftsführer persönlich in den Tagen vor dem Start?

Mich beschäftigt derzeit am meisten das Management der Erwartungen der Fans - und damit Begeisterung und Enttäuschung gleichermaßen. Wir stehen schließlich erst am Anfang einer Reise und werden zum Start nicht perfekt sein, auch weil wir erst mit dem Feedback der Fans so gut werden können, wie wir sein müssen. Bei Inhalten und Erreichbarkeit werden wir nachlegen. Wir haben in zwölf Monaten etwas Neues aus dem Boden gestampft, auf das ich sehr stolz bin. Wir gehen jetzt auf die Reise, für deren Startschuss ich mir erstmal einen technisch reibungslosen Start wünsche. 

Dyn startet mit Handball, Basketball, Volleyball, Tischtennis und Hockey. Soll es bei den fünf Sportarten bleiben?

Ja, zumindest für die nächsten zwölf Monate. Hockey werden wir zur nächsten Saison dann von YouTube zu uns auf die Plattform holen. Bei jeder weiteren Sportart müsste man zunächst den Professionalierungsgrad der jeweiligen Ligen bzw. die bisherige mediale Aufbereitung anschauen, weil es Sportarten braucht, die gewohnt sind als Medienprodukt produziert zu werden. Sonst ist das Investment unverhältnismäßig hoch und es widerspricht auch dem, worüber wir eingangs gesprochen haben: Dann müssten wir die Nachfrage erst generieren statt eine bestehende Fanbase zu bedienen. Eishockey wäre sicher noch ein spannendes Recht, haben wir aber diesmal nicht bekommen. Aber wir sind trotzdem sehr zufrieden.

Daran anschließend eine letzte Frage, die Sie nicht überraschen wird: Fußball wird kein Thema für Dyn?

Unabhängig von der enormen Menge Geld, was man in die Hand nehmen müsste, passt es aktuell nicht in die Positionierung von Dyn, bei den Sportarten jeweils zum „Home of“ zu werden, denn selbst wenn die „No Single Buyer Rule“ fällt, hätte man immer noch nicht alle Fußball-Rechte, wenn man an DFB-Pokal und europäische Wettbewerbe denkt. Da können wir nicht das bieten, was wir den Handball-Fans bieten. 

Herr Heyden, herzlichen Dank für das Gespräch.